Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.Die litauisch-baltische Frage seiner Verheiratung mit der polnischen Prinzessin Hedwig den Königsthron von Das eigentliche ethnographische Litauen war klein im Verhältnis zu den Grenzbsten I 1916 14
Die litauisch-baltische Frage seiner Verheiratung mit der polnischen Prinzessin Hedwig den Königsthron von Das eigentliche ethnographische Litauen war klein im Verhältnis zu den Grenzbsten I 1916 14
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Die litauisch-baltische Frage
seiner Verheiratung mit der polnischen Prinzessin Hedwig den Königsthron von
Polen. Doch erzwang sich das litauische Volk zunächst noch einen eigenen
Großfürsten, Wjtaut, Keistuts Sohn, der noch einmal die Macht litauischen
Heldentums offenbarte. Wjtaut war ein kluger Politiker, der bald mit dem
Orden, bald mit Jagello in Freundschaft stand, je nachdem es das Interesse
seines Landes erheischte. Den Juden gab er 1389 besondere Vorrechte, um
den Handel im Lande zu heben. Er förderte die Einführung des Christentums
aus nationalen Gründen und sandte 1418 zwanzig griechische Bischöfe seines
Landes nach Konstanz, um eine Union der römischen und griechischen Kirche
herbeizuführen. Die Böhmen boten ihm ihre Königskrone an, weil sie von
seiner religiösen Toleranz viel Segen erhofften. Mit seinem Vetter Jagello
führte er 1410 die große Niederlage des Ordens bei Tannenberg herbei, wußte
aber ini Frieden durchzusetzen, daß der Orden ihm gewogen blieb, er selbst
Szamaiten behielt, Jagello aber nichts bekam. Es war das ein polititsch sehr
kluger Schachzug Wjtauts, daß er im Interesse Litauens Polen nicht übermächtig
werden ließ. 1422 schloß er mit dem Orden den Frieden am Melnosee,
wodurch die noch jetzt bestehende Ostgrenze des Ordenslandes festgelegt wurde.
Hierbei hat er den Zugang zur Ostsee bei Polangen für Litauen erwirkt, wodurch
die bis dahin zusammengrenzenden Gebiete des deutschen Ritterordens und des
Schwertbrüderordens voneinander getrennt wurden. Der Kaiser Sigismund
trug Wjtaut die Königskrone an; 1429 sollte er sie sich in Wilna aufs Haupt
setzen. Indessen ließen die auf Litauens Größe neidischen Polen, die befürchteten,
daß Litauen sowohl politisch wie kirchlich völlig frei und von Polen unabhängig
würde, die kaiserliche Gesandtschaft nicht über die Grenze, und Wjtaut starb
enttäuscht und kinderlos in Troll. Litauen fiel nun in Personalunion mit Polen
und teilte dessen Geschicke. Zunächst blieb der litauische Adel völlig selbständig
und wählte jedesmal seinen Großfürsten, bevor die Polen zur Königswahl
geschritten waren. Erst 1501 wurde, nachdem bereits 1413 eine gleiche Verein¬
barung in Horodlo getroffen war, unter dem Einfluß des polnischen Adels
beschlossen, den König gemeinschaftlich zu wählen, der gleichzeitig Großfürst von
Litauen sein sollte. Litauen behielt aber zunächst noch eigene Verwaltung, ein
eigenes Heer, einen besondern Landtag in Wilna und eigene Finanzverwaltung.
Für die Rechtspflege in Litauen bildete das „litauische Statut" die Grundlage.
Darin hatte der Kanzler Gosztaut das litauische Gewohnheitsrecht und alle
Erlasse der litauischen Großfürsten zusammengefaßt. Das Statut blieb nach
seiner Bestätigung durch den Reichstag in Wilna 1529 bis zum Jahre 1839
in Kraft, wo es durch die russischen Reichsgesetze ersetzt wurde. Das Ende
fast jeglicher Selbständigkeit Litauens brachte die Union zu Ludim (1569). in
der beide Länder vereinigt, ein gemeinsamer Landtag und Senat eingeführt
und die Grenze zwischen Litauen und Polen verwischt wurde.
Das eigentliche ethnographische Litauen war klein im Verhältnis zu den
Gebieten, die der litauischen Herrschaft unterworfen waren. Der Adel, der die
Grenzbsten I 1916 14
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