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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Der Vernichtungskrieg und seine folgen

des Kontinents wirtschaftliche Einigung anzustreben. Ein gutes wirtschaftliches
Verhältnis, etwa eine Zollvereinigung, mit Frankreich, mit dem wir uns in
glücklichster Weise ökonomisch ergänzen könnten, -- eine der Lieblingsideen
Rankes -- unter Ausschluß Englands vom Kontinentalhandel würde eine weit
bessere Grundlage für deutsches Aufblühen und Gedeihen nach dem Kriege sein,
als alle nur denkbaren Kriegsentschädigungen; es würde aber auch Frankreich
Wohltaten zukommen lassen, und zum Verwischen manches im tiefsten Innern
unlogischen Gegensatzes und Hasses zwischen beiden Völkern dienen können. Für
England aber wäre dies der Todesstoß!

Über diesem großen Endziel dürfen wir aber auch die augenblicklich er¬
forderlichen Gegenmaßregeln gegen England nicht vergessen.

Nochmals ist zu betonen, daß alle die von staatlicher Seite gegen uns be¬
gangenen Verbrechen wie Verstöße wider die Abmachungen des Völkerrechts
nur die Folgen eines genau durchdachten Planes, des Vernichtungswillens
unserer Gegner, sind. Der einzelne Kommandant eines englischen Loncentration-
Lamp mag eifrigst bemüht sein, die Lage der seiner Obhut übergebenen Ge¬
fangenen gut zu gestalten -- die Tatsache, daß er durch die mangelnden Ein¬
richtungen hieran gehindert wird, ist ein Ausfluß des Regierungswillens. Ein
Land, welches sich seit langen Jahren in eingehendster Weise auf den heutigen
Krieg vorbereitete, welches die sofortige Ergreifung aller in seinen Territorien
befindlichen Deutschen seit langer Zeit als Kriegsmaßregel vorgesehen hatte,
und den Ausdruck der Freude über die hierdurch erwartete Schwächung der
deutschen Armee in seinen Presseäußerungen nicht verborgen hat, kann sich be¬
züglich der Unterbringung der Gefangenen nicht mit der Unzulänglichkeit von Zeit
und Mitteln entschuldigen -- volle Absichtlichkeit aller Maßnahmen muß hier
als erwiesen gelten.

Es ist nun absolute Pflicht der Reichsregierung, gegen diesen Versuch, die
Zukunft unseres Landes zu untergraben, vorzugehen, um so mehr, als ja die
öffentlichen englischen Stimmen diese Absicht ruhig zugeben. Ob im englischen
Parlament die Äußerung fällt, man müsse einfach die 70 Millionen Deutsche
totschlagen, ob in der Zeitschrift "elle kZnZineei-" Artikelserien wissenschaftlich
berechnen, in welcher Weise deutsche Kapitalkraft und Arbeitsfähigkeit zu ertöten
feien -- der Grundton heißt: Vernichtung des Deutschtums mit allen Mitteln!
Hiergegen helfen aber keine papierener Proteste, hiergegen hilft nur Zwang!
Gewiß weiß ich. daß der Gedanke an Vergeltung zunächst abschrecken muß,
namentlich in Deutschland, wo ein großer Teil der Bevölkerung, und zwar
gerade der gebildeten Kreise sich gewöhnt hat, alle Tatsachen mit einem leider
der Wirklichkeit nicht immer entsprechenden Idealismus zu beurteilen, wo vor
allem die Denkweise des Auslandes viel zu wenig bekannt ist. In England
gilt der Spruch: i5 I am Kickst, I Kick aZain! und Unterlassungen aus Hu¬
manität gelten als verächtliche Feigheit und Dummheit. Zudem: ist es nicht
die erste Pflicht der Humanität, Leben und Gesundheit der eigenen Staatsan-


Der Vernichtungskrieg und seine folgen

des Kontinents wirtschaftliche Einigung anzustreben. Ein gutes wirtschaftliches
Verhältnis, etwa eine Zollvereinigung, mit Frankreich, mit dem wir uns in
glücklichster Weise ökonomisch ergänzen könnten, — eine der Lieblingsideen
Rankes — unter Ausschluß Englands vom Kontinentalhandel würde eine weit
bessere Grundlage für deutsches Aufblühen und Gedeihen nach dem Kriege sein,
als alle nur denkbaren Kriegsentschädigungen; es würde aber auch Frankreich
Wohltaten zukommen lassen, und zum Verwischen manches im tiefsten Innern
unlogischen Gegensatzes und Hasses zwischen beiden Völkern dienen können. Für
England aber wäre dies der Todesstoß!

Über diesem großen Endziel dürfen wir aber auch die augenblicklich er¬
forderlichen Gegenmaßregeln gegen England nicht vergessen.

Nochmals ist zu betonen, daß alle die von staatlicher Seite gegen uns be¬
gangenen Verbrechen wie Verstöße wider die Abmachungen des Völkerrechts
nur die Folgen eines genau durchdachten Planes, des Vernichtungswillens
unserer Gegner, sind. Der einzelne Kommandant eines englischen Loncentration-
Lamp mag eifrigst bemüht sein, die Lage der seiner Obhut übergebenen Ge¬
fangenen gut zu gestalten — die Tatsache, daß er durch die mangelnden Ein¬
richtungen hieran gehindert wird, ist ein Ausfluß des Regierungswillens. Ein
Land, welches sich seit langen Jahren in eingehendster Weise auf den heutigen
Krieg vorbereitete, welches die sofortige Ergreifung aller in seinen Territorien
befindlichen Deutschen seit langer Zeit als Kriegsmaßregel vorgesehen hatte,
und den Ausdruck der Freude über die hierdurch erwartete Schwächung der
deutschen Armee in seinen Presseäußerungen nicht verborgen hat, kann sich be¬
züglich der Unterbringung der Gefangenen nicht mit der Unzulänglichkeit von Zeit
und Mitteln entschuldigen — volle Absichtlichkeit aller Maßnahmen muß hier
als erwiesen gelten.

Es ist nun absolute Pflicht der Reichsregierung, gegen diesen Versuch, die
Zukunft unseres Landes zu untergraben, vorzugehen, um so mehr, als ja die
öffentlichen englischen Stimmen diese Absicht ruhig zugeben. Ob im englischen
Parlament die Äußerung fällt, man müsse einfach die 70 Millionen Deutsche
totschlagen, ob in der Zeitschrift „elle kZnZineei-" Artikelserien wissenschaftlich
berechnen, in welcher Weise deutsche Kapitalkraft und Arbeitsfähigkeit zu ertöten
feien — der Grundton heißt: Vernichtung des Deutschtums mit allen Mitteln!
Hiergegen helfen aber keine papierener Proteste, hiergegen hilft nur Zwang!
Gewiß weiß ich. daß der Gedanke an Vergeltung zunächst abschrecken muß,
namentlich in Deutschland, wo ein großer Teil der Bevölkerung, und zwar
gerade der gebildeten Kreise sich gewöhnt hat, alle Tatsachen mit einem leider
der Wirklichkeit nicht immer entsprechenden Idealismus zu beurteilen, wo vor
allem die Denkweise des Auslandes viel zu wenig bekannt ist. In England
gilt der Spruch: i5 I am Kickst, I Kick aZain! und Unterlassungen aus Hu¬
manität gelten als verächtliche Feigheit und Dummheit. Zudem: ist es nicht
die erste Pflicht der Humanität, Leben und Gesundheit der eigenen Staatsan-


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[0115] Der Vernichtungskrieg und seine folgen des Kontinents wirtschaftliche Einigung anzustreben. Ein gutes wirtschaftliches Verhältnis, etwa eine Zollvereinigung, mit Frankreich, mit dem wir uns in glücklichster Weise ökonomisch ergänzen könnten, — eine der Lieblingsideen Rankes — unter Ausschluß Englands vom Kontinentalhandel würde eine weit bessere Grundlage für deutsches Aufblühen und Gedeihen nach dem Kriege sein, als alle nur denkbaren Kriegsentschädigungen; es würde aber auch Frankreich Wohltaten zukommen lassen, und zum Verwischen manches im tiefsten Innern unlogischen Gegensatzes und Hasses zwischen beiden Völkern dienen können. Für England aber wäre dies der Todesstoß! Über diesem großen Endziel dürfen wir aber auch die augenblicklich er¬ forderlichen Gegenmaßregeln gegen England nicht vergessen. Nochmals ist zu betonen, daß alle die von staatlicher Seite gegen uns be¬ gangenen Verbrechen wie Verstöße wider die Abmachungen des Völkerrechts nur die Folgen eines genau durchdachten Planes, des Vernichtungswillens unserer Gegner, sind. Der einzelne Kommandant eines englischen Loncentration- Lamp mag eifrigst bemüht sein, die Lage der seiner Obhut übergebenen Ge¬ fangenen gut zu gestalten — die Tatsache, daß er durch die mangelnden Ein¬ richtungen hieran gehindert wird, ist ein Ausfluß des Regierungswillens. Ein Land, welches sich seit langen Jahren in eingehendster Weise auf den heutigen Krieg vorbereitete, welches die sofortige Ergreifung aller in seinen Territorien befindlichen Deutschen seit langer Zeit als Kriegsmaßregel vorgesehen hatte, und den Ausdruck der Freude über die hierdurch erwartete Schwächung der deutschen Armee in seinen Presseäußerungen nicht verborgen hat, kann sich be¬ züglich der Unterbringung der Gefangenen nicht mit der Unzulänglichkeit von Zeit und Mitteln entschuldigen — volle Absichtlichkeit aller Maßnahmen muß hier als erwiesen gelten. Es ist nun absolute Pflicht der Reichsregierung, gegen diesen Versuch, die Zukunft unseres Landes zu untergraben, vorzugehen, um so mehr, als ja die öffentlichen englischen Stimmen diese Absicht ruhig zugeben. Ob im englischen Parlament die Äußerung fällt, man müsse einfach die 70 Millionen Deutsche totschlagen, ob in der Zeitschrift „elle kZnZineei-" Artikelserien wissenschaftlich berechnen, in welcher Weise deutsche Kapitalkraft und Arbeitsfähigkeit zu ertöten feien — der Grundton heißt: Vernichtung des Deutschtums mit allen Mitteln! Hiergegen helfen aber keine papierener Proteste, hiergegen hilft nur Zwang! Gewiß weiß ich. daß der Gedanke an Vergeltung zunächst abschrecken muß, namentlich in Deutschland, wo ein großer Teil der Bevölkerung, und zwar gerade der gebildeten Kreise sich gewöhnt hat, alle Tatsachen mit einem leider der Wirklichkeit nicht immer entsprechenden Idealismus zu beurteilen, wo vor allem die Denkweise des Auslandes viel zu wenig bekannt ist. In England gilt der Spruch: i5 I am Kickst, I Kick aZain! und Unterlassungen aus Hu¬ manität gelten als verächtliche Feigheit und Dummheit. Zudem: ist es nicht die erste Pflicht der Humanität, Leben und Gesundheit der eigenen Staatsan-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/115>, abgerufen am 27.09.2024.