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Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr.

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Der Vernichtungskrieg und seine folgen

durch Schuldverzinsung, durch Hinterbliebenen- und Jnvalidenfürsorge, und
durch Neubeschaffung verbrauchten Materials.

Endlich ist noch der enorme Verlust an deutschem im Auslande investierten
Vermögen in Betracht zu ziehen. Alles dies wird unsere Lebenshaltung herunter¬
drücken; die Vorbedingung der Volksvermehrung, die Prosperität, wird fehlen.

Zudem dezimiert dieser Krieg das kräftige Männermaterial, wie nie einer
zuvor; die rein physischen Zuchtbedingungen unseres Volkes werden auf das
schwerste gelitten haben, ganz abgesehen davon, daß die Zeit des Feldzuges für
Zeugungen fast ganz ausfällt. Auch die Zurückgebliebenen, wohl schon an sich
schwächlicher, werden zum Teil noch durch Unterernährung zu leiden haben.

Aus allem diesen folgere ich also, daß England durch sein planmäßiges
Vorgehen gegen deutsches Blut und deutsches Vermögen bereits jetzt die Be¬
dingungen eines erst später erfolgenden Entscheidungskampfes auf das günstigste
für sich selbst beeinflußt hat, und daß eine rein zahlenmäßige Betrachtung uns
schon dazu zwingen muß, nicht eher mit England Frieden zu schließen, als bis
wir zum mindesten die Vorbedingungen zum Sturz seiner Hegemonie herbei¬
geführt haben.

Die Ausdehnung des Kampfes zwischen England und Deutschland bis zum
endgültigen Zusammenbruch eines der beiden Völker ist unabwendbar. Es
liegt im Wesen der maritimen Macht, andere Völker für sich arbeiten und
schaffen zu lassen; selbst wurzellos in gewissem Sinne, wenigstens außerstande,
die nötige Lebenskraft aus seinem eigenen Boden zu ziehen, muß eine rein
maritime Macht zur Schmarotzerpflanze werden an anderen Völkern, zum auf¬
saugenden Polypen, der den Arbeitspreis der anderen als Gold, lediglich durch
Handel und mühelosem Bankiergewinn, bei sich anhäuft, und darauf seine
Herrschaft aufbaut. Auf solcher Grundlage war das Staatswesen Karthagos
gegründet -- auf diesen Verhältnissen beruht die heutige Macht Großbritanniens.
Es ist daher eine Lebensbedingung Englands, alles niederzuhalten, was dieser
seiner Aussaugetätigkeit entgegenstehen könnte. So mußten Spanien und Holland
aus der Reihe der Großmächte verschwinden, so wurden handelspolitische Auf¬
wärtsbewegungen Frankreichs oft hart unterdrückt, so soll jetzt Deutschland aus
der Reihe der Konkurrenten Englands verschwinden. Und auf dieses Ziel kann
die englische Politik nicht verzichten -- dies Ziel muß auch nach Beendigung
des jetzigen Ringens die englische Politik stets von neuem beherrschen, solange
(Zrsat Lritain eben existiert, und nicht nur die kleine Insel England.

Diese klare Erkenntnis muß auch unsere Kriegführung beherrschen, und
ihr die Ziele zeigen. Das Ziel muß heißen: "Deutschlands Bestehen, also
Englands Untergang!" Daher vor allem kein fauler Friede -- würde hier
die Diplomatie versagen, so würde in absehbarer Zeit von neuem das Schwert
zu arbeiten haben.

Zunächst muß den vielerlei kolonialen Abbröckelungsversuchen Zeit und
Möglichkeit zum wirklichen Abfall gegeben werden. Dann aber ist beim Frieden


Der Vernichtungskrieg und seine folgen

durch Schuldverzinsung, durch Hinterbliebenen- und Jnvalidenfürsorge, und
durch Neubeschaffung verbrauchten Materials.

Endlich ist noch der enorme Verlust an deutschem im Auslande investierten
Vermögen in Betracht zu ziehen. Alles dies wird unsere Lebenshaltung herunter¬
drücken; die Vorbedingung der Volksvermehrung, die Prosperität, wird fehlen.

Zudem dezimiert dieser Krieg das kräftige Männermaterial, wie nie einer
zuvor; die rein physischen Zuchtbedingungen unseres Volkes werden auf das
schwerste gelitten haben, ganz abgesehen davon, daß die Zeit des Feldzuges für
Zeugungen fast ganz ausfällt. Auch die Zurückgebliebenen, wohl schon an sich
schwächlicher, werden zum Teil noch durch Unterernährung zu leiden haben.

Aus allem diesen folgere ich also, daß England durch sein planmäßiges
Vorgehen gegen deutsches Blut und deutsches Vermögen bereits jetzt die Be¬
dingungen eines erst später erfolgenden Entscheidungskampfes auf das günstigste
für sich selbst beeinflußt hat, und daß eine rein zahlenmäßige Betrachtung uns
schon dazu zwingen muß, nicht eher mit England Frieden zu schließen, als bis
wir zum mindesten die Vorbedingungen zum Sturz seiner Hegemonie herbei¬
geführt haben.

Die Ausdehnung des Kampfes zwischen England und Deutschland bis zum
endgültigen Zusammenbruch eines der beiden Völker ist unabwendbar. Es
liegt im Wesen der maritimen Macht, andere Völker für sich arbeiten und
schaffen zu lassen; selbst wurzellos in gewissem Sinne, wenigstens außerstande,
die nötige Lebenskraft aus seinem eigenen Boden zu ziehen, muß eine rein
maritime Macht zur Schmarotzerpflanze werden an anderen Völkern, zum auf¬
saugenden Polypen, der den Arbeitspreis der anderen als Gold, lediglich durch
Handel und mühelosem Bankiergewinn, bei sich anhäuft, und darauf seine
Herrschaft aufbaut. Auf solcher Grundlage war das Staatswesen Karthagos
gegründet — auf diesen Verhältnissen beruht die heutige Macht Großbritanniens.
Es ist daher eine Lebensbedingung Englands, alles niederzuhalten, was dieser
seiner Aussaugetätigkeit entgegenstehen könnte. So mußten Spanien und Holland
aus der Reihe der Großmächte verschwinden, so wurden handelspolitische Auf¬
wärtsbewegungen Frankreichs oft hart unterdrückt, so soll jetzt Deutschland aus
der Reihe der Konkurrenten Englands verschwinden. Und auf dieses Ziel kann
die englische Politik nicht verzichten — dies Ziel muß auch nach Beendigung
des jetzigen Ringens die englische Politik stets von neuem beherrschen, solange
(Zrsat Lritain eben existiert, und nicht nur die kleine Insel England.

Diese klare Erkenntnis muß auch unsere Kriegführung beherrschen, und
ihr die Ziele zeigen. Das Ziel muß heißen: „Deutschlands Bestehen, also
Englands Untergang!" Daher vor allem kein fauler Friede — würde hier
die Diplomatie versagen, so würde in absehbarer Zeit von neuem das Schwert
zu arbeiten haben.

Zunächst muß den vielerlei kolonialen Abbröckelungsversuchen Zeit und
Möglichkeit zum wirklichen Abfall gegeben werden. Dann aber ist beim Frieden


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[0114] Der Vernichtungskrieg und seine folgen durch Schuldverzinsung, durch Hinterbliebenen- und Jnvalidenfürsorge, und durch Neubeschaffung verbrauchten Materials. Endlich ist noch der enorme Verlust an deutschem im Auslande investierten Vermögen in Betracht zu ziehen. Alles dies wird unsere Lebenshaltung herunter¬ drücken; die Vorbedingung der Volksvermehrung, die Prosperität, wird fehlen. Zudem dezimiert dieser Krieg das kräftige Männermaterial, wie nie einer zuvor; die rein physischen Zuchtbedingungen unseres Volkes werden auf das schwerste gelitten haben, ganz abgesehen davon, daß die Zeit des Feldzuges für Zeugungen fast ganz ausfällt. Auch die Zurückgebliebenen, wohl schon an sich schwächlicher, werden zum Teil noch durch Unterernährung zu leiden haben. Aus allem diesen folgere ich also, daß England durch sein planmäßiges Vorgehen gegen deutsches Blut und deutsches Vermögen bereits jetzt die Be¬ dingungen eines erst später erfolgenden Entscheidungskampfes auf das günstigste für sich selbst beeinflußt hat, und daß eine rein zahlenmäßige Betrachtung uns schon dazu zwingen muß, nicht eher mit England Frieden zu schließen, als bis wir zum mindesten die Vorbedingungen zum Sturz seiner Hegemonie herbei¬ geführt haben. Die Ausdehnung des Kampfes zwischen England und Deutschland bis zum endgültigen Zusammenbruch eines der beiden Völker ist unabwendbar. Es liegt im Wesen der maritimen Macht, andere Völker für sich arbeiten und schaffen zu lassen; selbst wurzellos in gewissem Sinne, wenigstens außerstande, die nötige Lebenskraft aus seinem eigenen Boden zu ziehen, muß eine rein maritime Macht zur Schmarotzerpflanze werden an anderen Völkern, zum auf¬ saugenden Polypen, der den Arbeitspreis der anderen als Gold, lediglich durch Handel und mühelosem Bankiergewinn, bei sich anhäuft, und darauf seine Herrschaft aufbaut. Auf solcher Grundlage war das Staatswesen Karthagos gegründet — auf diesen Verhältnissen beruht die heutige Macht Großbritanniens. Es ist daher eine Lebensbedingung Englands, alles niederzuhalten, was dieser seiner Aussaugetätigkeit entgegenstehen könnte. So mußten Spanien und Holland aus der Reihe der Großmächte verschwinden, so wurden handelspolitische Auf¬ wärtsbewegungen Frankreichs oft hart unterdrückt, so soll jetzt Deutschland aus der Reihe der Konkurrenten Englands verschwinden. Und auf dieses Ziel kann die englische Politik nicht verzichten — dies Ziel muß auch nach Beendigung des jetzigen Ringens die englische Politik stets von neuem beherrschen, solange (Zrsat Lritain eben existiert, und nicht nur die kleine Insel England. Diese klare Erkenntnis muß auch unsere Kriegführung beherrschen, und ihr die Ziele zeigen. Das Ziel muß heißen: „Deutschlands Bestehen, also Englands Untergang!" Daher vor allem kein fauler Friede — würde hier die Diplomatie versagen, so würde in absehbarer Zeit von neuem das Schwert zu arbeiten haben. Zunächst muß den vielerlei kolonialen Abbröckelungsversuchen Zeit und Möglichkeit zum wirklichen Abfall gegeben werden. Dann aber ist beim Frieden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 74, 1915, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341901_323097/114>, abgerufen am 27.09.2024.