Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Staatenbund von Nordeuroxa

seine bisherige Unabhängigkeit, die durch den Verlauf des Krieges doch sehr in
Frage gestellt ist. und es gewinnt den Schutz der stärksten Militärmacht Europas,
die sich eben jetzt gegen eine Welt von Feinden, selbst nach feindlichem Zeugnis,
ruhmvoll behauptet. So führte der bittere Streit, den keines von beiden Ländern
gewollt, den eine unglückliche Verkettung von Umständen herbeigeführt hat. zu
einem versöhnenden Abschluß. Der Sieger läßt Milde walten gegen den Besiegten
Belgien seinerseits kann Deutschland so viel nicht bieten. Immerhin ist es wirtschaftlich,
wie militärisch leistungsfähig genug. Das reiche, dicht bevölkerteLand umfaßt30000
Quadratkilometer mit 7^ Millionen Einwohnern und es verfügt über einen
Kolonialbesitz, der achtzigmal so groß wie das Mutterland, und beinahe dreimal so
stark bevölkert ist. Das Heer wird für den Kriegsfall auf 200000 Mann berechnet,
die durch 160000 Mann Bürgergarde verstärkt werden. Belgiens Staats¬
einnahmen mit 600 Millionen jährlich sind so groß, wie die von Dänemark
und Schweden zusammengenommen. Selbstverständlich ist, daß Deutschland
angesichts der Erfahrungen, die es mit der belgischen Neutralität gemacht hat,
und der schweren Opfer, die es an Gut und Blut bringen mußte, sich nicht
darauf verlassen kann, daß ein Bevollmächtigter seinen Namen auf ein Stück
Papier setzt. Ein deutsch-belgischer Bündnisvertrag müßte vielmehr durch eine
Militär-Konvention mit greifbaren Unterlagen gesichert werden. Wird die
Verbindung solchergestalt zum Schutze beider Teile mit festen Klammern um¬
schlossen, so stellt sie den ersten, bedeutungsvollen Schritt zur Bildung eines
machtvollen Staatenbundes dar. der sämtliche dem Deutschen Reich benachbarten
kleineren Staaten mit diesem vereinigt. Unter dem Gesichtspunkt gewinnt ein
deutsch-belgisches Bündnis eine über seine nächsten Ziele weit hinausgehende
Bedeutung. Dann erfüllt sich der Wunsch eines großen Toten. Denn es war
Major Heiland von Moltke, der schon im Jahre 1841 für ein deutsch-belgisches
und ein deutsch-dänisches Bündnis nachdrücklich eingetreten ist.*) -- Schwierig¬
keiten wird die Verwirklichung des Gedankens eines nordeuropäischen Staaten¬
bundes sicherlich bieten. Doch muß eine unbestreitbare Wahrheit dem Plane
zustatten kommen. Deutschland hat den Beweis geliefert, daß es dem Bundes¬
genossen Treue hält und daß es nicht nur den Willen, sondern auch die Kraft
besitzt, ihn zu schützen. Soll der Staatenbundsgedanke verwirklicht werden, so
erfordert die Aufgabe in allen beteiligten Ländern die Arbeit vieler einsichtiger
Männer, die zum Besten ihres Landes und der Menschheit dafür eintreten. --
am letzten Ende aber verlangt sie einen Mann, der mit starker Hand, mit
klarem Kopf und warmem Herzen über jeden Widerstand hinweg das Werk
zum Ziele führt.





*) In der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 1. November 1841. Vgl. Grenzboten
vom 23. September 1914.
20*
Staatenbund von Nordeuroxa

seine bisherige Unabhängigkeit, die durch den Verlauf des Krieges doch sehr in
Frage gestellt ist. und es gewinnt den Schutz der stärksten Militärmacht Europas,
die sich eben jetzt gegen eine Welt von Feinden, selbst nach feindlichem Zeugnis,
ruhmvoll behauptet. So führte der bittere Streit, den keines von beiden Ländern
gewollt, den eine unglückliche Verkettung von Umständen herbeigeführt hat. zu
einem versöhnenden Abschluß. Der Sieger läßt Milde walten gegen den Besiegten
Belgien seinerseits kann Deutschland so viel nicht bieten. Immerhin ist es wirtschaftlich,
wie militärisch leistungsfähig genug. Das reiche, dicht bevölkerteLand umfaßt30000
Quadratkilometer mit 7^ Millionen Einwohnern und es verfügt über einen
Kolonialbesitz, der achtzigmal so groß wie das Mutterland, und beinahe dreimal so
stark bevölkert ist. Das Heer wird für den Kriegsfall auf 200000 Mann berechnet,
die durch 160000 Mann Bürgergarde verstärkt werden. Belgiens Staats¬
einnahmen mit 600 Millionen jährlich sind so groß, wie die von Dänemark
und Schweden zusammengenommen. Selbstverständlich ist, daß Deutschland
angesichts der Erfahrungen, die es mit der belgischen Neutralität gemacht hat,
und der schweren Opfer, die es an Gut und Blut bringen mußte, sich nicht
darauf verlassen kann, daß ein Bevollmächtigter seinen Namen auf ein Stück
Papier setzt. Ein deutsch-belgischer Bündnisvertrag müßte vielmehr durch eine
Militär-Konvention mit greifbaren Unterlagen gesichert werden. Wird die
Verbindung solchergestalt zum Schutze beider Teile mit festen Klammern um¬
schlossen, so stellt sie den ersten, bedeutungsvollen Schritt zur Bildung eines
machtvollen Staatenbundes dar. der sämtliche dem Deutschen Reich benachbarten
kleineren Staaten mit diesem vereinigt. Unter dem Gesichtspunkt gewinnt ein
deutsch-belgisches Bündnis eine über seine nächsten Ziele weit hinausgehende
Bedeutung. Dann erfüllt sich der Wunsch eines großen Toten. Denn es war
Major Heiland von Moltke, der schon im Jahre 1841 für ein deutsch-belgisches
und ein deutsch-dänisches Bündnis nachdrücklich eingetreten ist.*) — Schwierig¬
keiten wird die Verwirklichung des Gedankens eines nordeuropäischen Staaten¬
bundes sicherlich bieten. Doch muß eine unbestreitbare Wahrheit dem Plane
zustatten kommen. Deutschland hat den Beweis geliefert, daß es dem Bundes¬
genossen Treue hält und daß es nicht nur den Willen, sondern auch die Kraft
besitzt, ihn zu schützen. Soll der Staatenbundsgedanke verwirklicht werden, so
erfordert die Aufgabe in allen beteiligten Ländern die Arbeit vieler einsichtiger
Männer, die zum Besten ihres Landes und der Menschheit dafür eintreten. —
am letzten Ende aber verlangt sie einen Mann, der mit starker Hand, mit
klarem Kopf und warmem Herzen über jeden Widerstand hinweg das Werk
zum Ziele führt.





*) In der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 1. November 1841. Vgl. Grenzboten
vom 23. September 1914.
20*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329547"/>
          <fw type="header" place="top"> Staatenbund von Nordeuroxa</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1146" prev="#ID_1145"> seine bisherige Unabhängigkeit, die durch den Verlauf des Krieges doch sehr in<lb/>
Frage gestellt ist. und es gewinnt den Schutz der stärksten Militärmacht Europas,<lb/>
die sich eben jetzt gegen eine Welt von Feinden, selbst nach feindlichem Zeugnis,<lb/>
ruhmvoll behauptet. So führte der bittere Streit, den keines von beiden Ländern<lb/>
gewollt, den eine unglückliche Verkettung von Umständen herbeigeführt hat. zu<lb/>
einem versöhnenden Abschluß. Der Sieger läßt Milde walten gegen den Besiegten<lb/>
Belgien seinerseits kann Deutschland so viel nicht bieten. Immerhin ist es wirtschaftlich,<lb/>
wie militärisch leistungsfähig genug. Das reiche, dicht bevölkerteLand umfaßt30000<lb/>
Quadratkilometer mit 7^ Millionen Einwohnern und es verfügt über einen<lb/>
Kolonialbesitz, der achtzigmal so groß wie das Mutterland, und beinahe dreimal so<lb/>
stark bevölkert ist. Das Heer wird für den Kriegsfall auf 200000 Mann berechnet,<lb/>
die durch 160000 Mann Bürgergarde verstärkt werden.  Belgiens Staats¬<lb/>
einnahmen mit 600 Millionen jährlich sind so groß, wie die von Dänemark<lb/>
und Schweden zusammengenommen.  Selbstverständlich ist, daß Deutschland<lb/>
angesichts der Erfahrungen, die es mit der belgischen Neutralität gemacht hat,<lb/>
und der schweren Opfer, die es an Gut und Blut bringen mußte, sich nicht<lb/>
darauf verlassen kann, daß ein Bevollmächtigter seinen Namen auf ein Stück<lb/>
Papier setzt.  Ein deutsch-belgischer Bündnisvertrag müßte vielmehr durch eine<lb/>
Militär-Konvention mit greifbaren Unterlagen gesichert werden.  Wird die<lb/>
Verbindung solchergestalt zum Schutze beider Teile mit festen Klammern um¬<lb/>
schlossen, so stellt sie den ersten, bedeutungsvollen Schritt zur Bildung eines<lb/>
machtvollen Staatenbundes dar. der sämtliche dem Deutschen Reich benachbarten<lb/>
kleineren Staaten mit diesem vereinigt.  Unter dem Gesichtspunkt gewinnt ein<lb/>
deutsch-belgisches Bündnis eine über seine nächsten Ziele weit hinausgehende<lb/>
Bedeutung. Dann erfüllt sich der Wunsch eines großen Toten. Denn es war<lb/>
Major Heiland von Moltke, der schon im Jahre 1841 für ein deutsch-belgisches<lb/>
und ein deutsch-dänisches Bündnis nachdrücklich eingetreten ist.*) &#x2014; Schwierig¬<lb/>
keiten wird die Verwirklichung des Gedankens eines nordeuropäischen Staaten¬<lb/>
bundes sicherlich bieten.  Doch muß eine unbestreitbare Wahrheit dem Plane<lb/>
zustatten kommen. Deutschland hat den Beweis geliefert, daß es dem Bundes¬<lb/>
genossen Treue hält und daß es nicht nur den Willen, sondern auch die Kraft<lb/>
besitzt, ihn zu schützen.  Soll der Staatenbundsgedanke verwirklicht werden, so<lb/>
erfordert die Aufgabe in allen beteiligten Ländern die Arbeit vieler einsichtiger<lb/>
Männer, die zum Besten ihres Landes und der Menschheit dafür eintreten. &#x2014;<lb/>
am letzten Ende aber verlangt sie einen Mann, der mit starker Hand, mit<lb/>
klarem Kopf und warmem Herzen über jeden Widerstand hinweg das Werk<lb/>
zum Ziele führt.</p><lb/>
          <note xml:id="FID_40" place="foot"> *) In der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 1. November 1841. Vgl. Grenzboten<lb/>
vom 23. September 1914.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 20*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0319] Staatenbund von Nordeuroxa seine bisherige Unabhängigkeit, die durch den Verlauf des Krieges doch sehr in Frage gestellt ist. und es gewinnt den Schutz der stärksten Militärmacht Europas, die sich eben jetzt gegen eine Welt von Feinden, selbst nach feindlichem Zeugnis, ruhmvoll behauptet. So führte der bittere Streit, den keines von beiden Ländern gewollt, den eine unglückliche Verkettung von Umständen herbeigeführt hat. zu einem versöhnenden Abschluß. Der Sieger läßt Milde walten gegen den Besiegten Belgien seinerseits kann Deutschland so viel nicht bieten. Immerhin ist es wirtschaftlich, wie militärisch leistungsfähig genug. Das reiche, dicht bevölkerteLand umfaßt30000 Quadratkilometer mit 7^ Millionen Einwohnern und es verfügt über einen Kolonialbesitz, der achtzigmal so groß wie das Mutterland, und beinahe dreimal so stark bevölkert ist. Das Heer wird für den Kriegsfall auf 200000 Mann berechnet, die durch 160000 Mann Bürgergarde verstärkt werden. Belgiens Staats¬ einnahmen mit 600 Millionen jährlich sind so groß, wie die von Dänemark und Schweden zusammengenommen. Selbstverständlich ist, daß Deutschland angesichts der Erfahrungen, die es mit der belgischen Neutralität gemacht hat, und der schweren Opfer, die es an Gut und Blut bringen mußte, sich nicht darauf verlassen kann, daß ein Bevollmächtigter seinen Namen auf ein Stück Papier setzt. Ein deutsch-belgischer Bündnisvertrag müßte vielmehr durch eine Militär-Konvention mit greifbaren Unterlagen gesichert werden. Wird die Verbindung solchergestalt zum Schutze beider Teile mit festen Klammern um¬ schlossen, so stellt sie den ersten, bedeutungsvollen Schritt zur Bildung eines machtvollen Staatenbundes dar. der sämtliche dem Deutschen Reich benachbarten kleineren Staaten mit diesem vereinigt. Unter dem Gesichtspunkt gewinnt ein deutsch-belgisches Bündnis eine über seine nächsten Ziele weit hinausgehende Bedeutung. Dann erfüllt sich der Wunsch eines großen Toten. Denn es war Major Heiland von Moltke, der schon im Jahre 1841 für ein deutsch-belgisches und ein deutsch-dänisches Bündnis nachdrücklich eingetreten ist.*) — Schwierig¬ keiten wird die Verwirklichung des Gedankens eines nordeuropäischen Staaten¬ bundes sicherlich bieten. Doch muß eine unbestreitbare Wahrheit dem Plane zustatten kommen. Deutschland hat den Beweis geliefert, daß es dem Bundes¬ genossen Treue hält und daß es nicht nur den Willen, sondern auch die Kraft besitzt, ihn zu schützen. Soll der Staatenbundsgedanke verwirklicht werden, so erfordert die Aufgabe in allen beteiligten Ländern die Arbeit vieler einsichtiger Männer, die zum Besten ihres Landes und der Menschheit dafür eintreten. — am letzten Ende aber verlangt sie einen Mann, der mit starker Hand, mit klarem Kopf und warmem Herzen über jeden Widerstand hinweg das Werk zum Ziele führt. *) In der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 1. November 1841. Vgl. Grenzboten vom 23. September 1914. 20*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/319
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/319>, abgerufen am 04.07.2024.