Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Handel und Freiheit in den englischen Kolonien

Huldigungszeremonie vor den Londoner Allmächtigen, die obendrein die Vasallen
noch zu gar nichts verpflichtet. Mit Fug und Recht klagen denn auch altbritische
Politiker, daß "no conference can bird elf motner countr^ c>r g, 8inZIs
"Zollunion of ins croxvn". (?ölkar6, "vV Hi8lor^ ot lZn^kann!" Seite 222):
Aber das dem so ist, hat England nur der eigenen Ohnmacht zu ver¬
danken, die, aus Furcht vor etwaigen staatsrechtlichen Eingriffen der Kolo¬
nialen, dieser Konferenz nur eine beratende Stimme, aber kein Recht geben
wollte.

Ein anderer, vielleicht an sich nicht unwichtiger Schritt zur erstrebten
Zentralisation der britischen Weltmachtteile war die schon seit langen Jahren
begonnene Flottensammelpolitik. Schon seit 1857 trug Australien die Kosten
der britischen Besatzung seines Landes, seit 1895 zahlten Natal, Kapkolonie
und Australien -- übrigens nur recht geringe -- Beiträge zum Unterhalt der
britischen Flotte. 1909 lieferte Neuseeland außerdem einen eigenen Dreadnought,
Kanada und ein oder zwei andere Provinzen schlössen sich diesem Beispiele an,
indische und malaiische Fürsten erklärten sich nach Anfragen zu Beträgen in
ansehnlicher Höhe bereit. Aber trotz aller für diese "Reichsflotte" gemachten
Reklame, und trotz der deutlichen Mahnung, daß mit einer Niederlage des
Mutterlandes zur See der künftige Sieger -- gemeint war naturgemäß immer
das Deutsche Reich -- auch die solange wohlgehütete Freiheit der britischen
Kolonien antasten werde, um mit Feuer und Schwert seinen "abscheulichen
Militarismus" einzuführen, ist ein irgendwie nennenswertes oder gar dauerndes
Ergebnis aus der, nicht ohne einiges Geschick gemachten Reklame noch nicht
erwachsen und auch wohl nicht zu erwarten. Englands Flotte hat außer den
erwähnten Zusicherungen keine anderen Gaben erhalten als leere Versprechungen;
und von einer moralischen Festigung des imperialistischen Gedankens in den
Kolonien ist nicht viel zu spüren gewesen. Dieser Mißerfolg ist nicht etwa
bloß die Folge der politischen Undankbarkeit der Kolonialen gegen das Mutter¬
land, wie der britische Imperialist häufig mit Pathos und verärgert erklärt hat,
vielmehr ist das Mutterland selbst an seiner geheimen Niederlage mit Schuld.
Die Zurückziehung der britischen Flotte aus dem Pazifik, die ja nicht zuletzt
auch den klugen Nebenzweck verfolgte, aus der Angst der nun isolierten Kolonialen
Kapital für die Vermehrung der Flotte zu ziehen*), wurde in Übersee -- und
mit geschichtlichem Recht -- als Zeichen der inneren Schwäche des Mutterlandes
und damit auch des ganzen britischen Imperiums betrachtet; und man begann
flugs mit dürren Worten vor den entsetzten Ohren der Londoner Imperialisten die
alte Frage wieder zu erörtern, ob es dann nicht eigentlich besser sei, lieber gleich zu
den Vereinigten Staaten oder zu -- Deutschland überzugehen, deren Schutz und



, ") Das gestand auch Admiral Sir E. Freemantle in seiner Ansprache an die englische
Kolonialgesellschaft am 19. März 1913 freimütig. (Vgl. Roy. Colon. Imsen. Journ, 1913
Seite 473.)
Handel und Freiheit in den englischen Kolonien

Huldigungszeremonie vor den Londoner Allmächtigen, die obendrein die Vasallen
noch zu gar nichts verpflichtet. Mit Fug und Recht klagen denn auch altbritische
Politiker, daß „no conference can bird elf motner countr^ c>r g, 8inZIs
«Zollunion of ins croxvn". (?ölkar6, „vV Hi8lor^ ot lZn^kann!" Seite 222):
Aber das dem so ist, hat England nur der eigenen Ohnmacht zu ver¬
danken, die, aus Furcht vor etwaigen staatsrechtlichen Eingriffen der Kolo¬
nialen, dieser Konferenz nur eine beratende Stimme, aber kein Recht geben
wollte.

Ein anderer, vielleicht an sich nicht unwichtiger Schritt zur erstrebten
Zentralisation der britischen Weltmachtteile war die schon seit langen Jahren
begonnene Flottensammelpolitik. Schon seit 1857 trug Australien die Kosten
der britischen Besatzung seines Landes, seit 1895 zahlten Natal, Kapkolonie
und Australien — übrigens nur recht geringe — Beiträge zum Unterhalt der
britischen Flotte. 1909 lieferte Neuseeland außerdem einen eigenen Dreadnought,
Kanada und ein oder zwei andere Provinzen schlössen sich diesem Beispiele an,
indische und malaiische Fürsten erklärten sich nach Anfragen zu Beträgen in
ansehnlicher Höhe bereit. Aber trotz aller für diese „Reichsflotte" gemachten
Reklame, und trotz der deutlichen Mahnung, daß mit einer Niederlage des
Mutterlandes zur See der künftige Sieger — gemeint war naturgemäß immer
das Deutsche Reich — auch die solange wohlgehütete Freiheit der britischen
Kolonien antasten werde, um mit Feuer und Schwert seinen „abscheulichen
Militarismus" einzuführen, ist ein irgendwie nennenswertes oder gar dauerndes
Ergebnis aus der, nicht ohne einiges Geschick gemachten Reklame noch nicht
erwachsen und auch wohl nicht zu erwarten. Englands Flotte hat außer den
erwähnten Zusicherungen keine anderen Gaben erhalten als leere Versprechungen;
und von einer moralischen Festigung des imperialistischen Gedankens in den
Kolonien ist nicht viel zu spüren gewesen. Dieser Mißerfolg ist nicht etwa
bloß die Folge der politischen Undankbarkeit der Kolonialen gegen das Mutter¬
land, wie der britische Imperialist häufig mit Pathos und verärgert erklärt hat,
vielmehr ist das Mutterland selbst an seiner geheimen Niederlage mit Schuld.
Die Zurückziehung der britischen Flotte aus dem Pazifik, die ja nicht zuletzt
auch den klugen Nebenzweck verfolgte, aus der Angst der nun isolierten Kolonialen
Kapital für die Vermehrung der Flotte zu ziehen*), wurde in Übersee — und
mit geschichtlichem Recht — als Zeichen der inneren Schwäche des Mutterlandes
und damit auch des ganzen britischen Imperiums betrachtet; und man begann
flugs mit dürren Worten vor den entsetzten Ohren der Londoner Imperialisten die
alte Frage wieder zu erörtern, ob es dann nicht eigentlich besser sei, lieber gleich zu
den Vereinigten Staaten oder zu — Deutschland überzugehen, deren Schutz und



, ") Das gestand auch Admiral Sir E. Freemantle in seiner Ansprache an die englische
Kolonialgesellschaft am 19. März 1913 freimütig. (Vgl. Roy. Colon. Imsen. Journ, 1913
Seite 473.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0250" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329478"/>
          <fw type="header" place="top"> Handel und Freiheit in den englischen Kolonien</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_867" prev="#ID_866"> Huldigungszeremonie vor den Londoner Allmächtigen, die obendrein die Vasallen<lb/>
noch zu gar nichts verpflichtet. Mit Fug und Recht klagen denn auch altbritische<lb/>
Politiker, daß &#x201E;no conference can bird elf motner countr^ c&gt;r g, 8inZIs<lb/>
«Zollunion of ins croxvn". (?ölkar6, &#x201E;vV Hi8lor^ ot lZn^kann!" Seite 222):<lb/>
Aber das dem so ist, hat England nur der eigenen Ohnmacht zu ver¬<lb/>
danken, die, aus Furcht vor etwaigen staatsrechtlichen Eingriffen der Kolo¬<lb/>
nialen, dieser Konferenz nur eine beratende Stimme, aber kein Recht geben<lb/>
wollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_868" next="#ID_869"> Ein anderer, vielleicht an sich nicht unwichtiger Schritt zur erstrebten<lb/>
Zentralisation der britischen Weltmachtteile war die schon seit langen Jahren<lb/>
begonnene Flottensammelpolitik. Schon seit 1857 trug Australien die Kosten<lb/>
der britischen Besatzung seines Landes, seit 1895 zahlten Natal, Kapkolonie<lb/>
und Australien &#x2014; übrigens nur recht geringe &#x2014; Beiträge zum Unterhalt der<lb/>
britischen Flotte. 1909 lieferte Neuseeland außerdem einen eigenen Dreadnought,<lb/>
Kanada und ein oder zwei andere Provinzen schlössen sich diesem Beispiele an,<lb/>
indische und malaiische Fürsten erklärten sich nach Anfragen zu Beträgen in<lb/>
ansehnlicher Höhe bereit. Aber trotz aller für diese &#x201E;Reichsflotte" gemachten<lb/>
Reklame, und trotz der deutlichen Mahnung, daß mit einer Niederlage des<lb/>
Mutterlandes zur See der künftige Sieger &#x2014; gemeint war naturgemäß immer<lb/>
das Deutsche Reich &#x2014; auch die solange wohlgehütete Freiheit der britischen<lb/>
Kolonien antasten werde, um mit Feuer und Schwert seinen &#x201E;abscheulichen<lb/>
Militarismus" einzuführen, ist ein irgendwie nennenswertes oder gar dauerndes<lb/>
Ergebnis aus der, nicht ohne einiges Geschick gemachten Reklame noch nicht<lb/>
erwachsen und auch wohl nicht zu erwarten. Englands Flotte hat außer den<lb/>
erwähnten Zusicherungen keine anderen Gaben erhalten als leere Versprechungen;<lb/>
und von einer moralischen Festigung des imperialistischen Gedankens in den<lb/>
Kolonien ist nicht viel zu spüren gewesen. Dieser Mißerfolg ist nicht etwa<lb/>
bloß die Folge der politischen Undankbarkeit der Kolonialen gegen das Mutter¬<lb/>
land, wie der britische Imperialist häufig mit Pathos und verärgert erklärt hat,<lb/>
vielmehr ist das Mutterland selbst an seiner geheimen Niederlage mit Schuld.<lb/>
Die Zurückziehung der britischen Flotte aus dem Pazifik, die ja nicht zuletzt<lb/>
auch den klugen Nebenzweck verfolgte, aus der Angst der nun isolierten Kolonialen<lb/>
Kapital für die Vermehrung der Flotte zu ziehen*), wurde in Übersee &#x2014; und<lb/>
mit geschichtlichem Recht &#x2014; als Zeichen der inneren Schwäche des Mutterlandes<lb/>
und damit auch des ganzen britischen Imperiums betrachtet; und man begann<lb/>
flugs mit dürren Worten vor den entsetzten Ohren der Londoner Imperialisten die<lb/>
alte Frage wieder zu erörtern, ob es dann nicht eigentlich besser sei, lieber gleich zu<lb/>
den Vereinigten Staaten oder zu &#x2014; Deutschland überzugehen, deren Schutz und</p><lb/>
          <note xml:id="FID_21" place="foot"> , ") Das gestand auch Admiral Sir E. Freemantle in seiner Ansprache an die englische<lb/>
Kolonialgesellschaft am 19. März 1913 freimütig. (Vgl. Roy. Colon. Imsen. Journ, 1913<lb/>
Seite 473.)</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0250] Handel und Freiheit in den englischen Kolonien Huldigungszeremonie vor den Londoner Allmächtigen, die obendrein die Vasallen noch zu gar nichts verpflichtet. Mit Fug und Recht klagen denn auch altbritische Politiker, daß „no conference can bird elf motner countr^ c>r g, 8inZIs «Zollunion of ins croxvn". (?ölkar6, „vV Hi8lor^ ot lZn^kann!" Seite 222): Aber das dem so ist, hat England nur der eigenen Ohnmacht zu ver¬ danken, die, aus Furcht vor etwaigen staatsrechtlichen Eingriffen der Kolo¬ nialen, dieser Konferenz nur eine beratende Stimme, aber kein Recht geben wollte. Ein anderer, vielleicht an sich nicht unwichtiger Schritt zur erstrebten Zentralisation der britischen Weltmachtteile war die schon seit langen Jahren begonnene Flottensammelpolitik. Schon seit 1857 trug Australien die Kosten der britischen Besatzung seines Landes, seit 1895 zahlten Natal, Kapkolonie und Australien — übrigens nur recht geringe — Beiträge zum Unterhalt der britischen Flotte. 1909 lieferte Neuseeland außerdem einen eigenen Dreadnought, Kanada und ein oder zwei andere Provinzen schlössen sich diesem Beispiele an, indische und malaiische Fürsten erklärten sich nach Anfragen zu Beträgen in ansehnlicher Höhe bereit. Aber trotz aller für diese „Reichsflotte" gemachten Reklame, und trotz der deutlichen Mahnung, daß mit einer Niederlage des Mutterlandes zur See der künftige Sieger — gemeint war naturgemäß immer das Deutsche Reich — auch die solange wohlgehütete Freiheit der britischen Kolonien antasten werde, um mit Feuer und Schwert seinen „abscheulichen Militarismus" einzuführen, ist ein irgendwie nennenswertes oder gar dauerndes Ergebnis aus der, nicht ohne einiges Geschick gemachten Reklame noch nicht erwachsen und auch wohl nicht zu erwarten. Englands Flotte hat außer den erwähnten Zusicherungen keine anderen Gaben erhalten als leere Versprechungen; und von einer moralischen Festigung des imperialistischen Gedankens in den Kolonien ist nicht viel zu spüren gewesen. Dieser Mißerfolg ist nicht etwa bloß die Folge der politischen Undankbarkeit der Kolonialen gegen das Mutter¬ land, wie der britische Imperialist häufig mit Pathos und verärgert erklärt hat, vielmehr ist das Mutterland selbst an seiner geheimen Niederlage mit Schuld. Die Zurückziehung der britischen Flotte aus dem Pazifik, die ja nicht zuletzt auch den klugen Nebenzweck verfolgte, aus der Angst der nun isolierten Kolonialen Kapital für die Vermehrung der Flotte zu ziehen*), wurde in Übersee — und mit geschichtlichem Recht — als Zeichen der inneren Schwäche des Mutterlandes und damit auch des ganzen britischen Imperiums betrachtet; und man begann flugs mit dürren Worten vor den entsetzten Ohren der Londoner Imperialisten die alte Frage wieder zu erörtern, ob es dann nicht eigentlich besser sei, lieber gleich zu den Vereinigten Staaten oder zu — Deutschland überzugehen, deren Schutz und , ") Das gestand auch Admiral Sir E. Freemantle in seiner Ansprache an die englische Kolonialgesellschaft am 19. März 1913 freimütig. (Vgl. Roy. Colon. Imsen. Journ, 1913 Seite 473.)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/250
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/250>, abgerufen am 22.07.2024.