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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Deutschland und Neu-Griechenland

Mazedonien ungefähr 48000 Quadratkilometer mit 1300000 Einwohnernj
hierzu kommen noch die Inseln mit etwa 8000 Quadratkilometer Fläche und
einer erheblichen Einwohnerzahl; die Fläche Neugriechenlands wird mit
115975 Quadratkilometer, die Einwohnerzahl mit 4256000 angegeben -- aber
viel wichtiger als diese Vergrößerung des Landes ist die Änderung seiner Verkehrs¬
verhältnisse in bezug auf das übrige Europa. Griechenland war bisher völlig ab¬
geschnitten von dem übrigen europäischen Eisenbahnverkehr. Die es von Süden
nach Norden durchziehende normalspurige Hauptbahn, betrieben von der französischen
Gesellschaft Lociete 6e8 alienus cis 5er t^sIISniques, Tochtergesellschaft der
Locietö als8 lZatiZnoIIss zu Paris, vom Piräus über Athen, Theben, Livadia,
Lamia, Larissa bis zur türkischen Grenze endete bisher stumpf an der Grenze.
Alle Bemühungen Griechenlands, von dort aus eine Verbindung mit Saloniki,
dem Endpunkte des europäischen Eisenbahnnetzes, zu erreichen, scheiterten an
dem Widerstande der Türkei. Die Linie durchs Gebirge, welche die Türkei
vielleicht mit großen Opfern Griechenlands zuzugestehen bereit war, erforderte
unerschwingliche Baukosten. Gegen die ausführbaren Linien in der Nähe des
Meeres wurden seitens der Türkei strategische Bedenken geltend gemacht. Athen
war daher bisher praktisch nur mittels einer längeren Seereise zu erreichen,
wobei als Ausgangspunkt für Deutschland hauptsächlich Brindist, Trieft und
Genua in Frage kamen.

Die schnellste Reise Berlin--Athen über Brindist--Patras erforderte gegen
neunzig Stunden (Eisenbahnfahrt Berlin--Brindist etwa fünfzig Stunden,
Dampferfahrt Brindist--Patras etwa dreißig Stunden, Eisenbahnfahrt Patras--
Athen etwa zehn Stunden mit den erforderlichen Übergangszeiten). Die häufig
gewählten Wege von Trieft rin dem Dampfer bis Patras mit etwa sechzigstündiger
Seereise oder auch uach Piräus, mit etwa neunzigstündiger Seereise, erforderten
einen der längeren Seereise entsprechenden Zeitaufwand von etwa einhundert
bzw. einhundertundzwanzig Stunden. Dabei fuhr der von Trieft bzw. Brindist
mit Vorliebe von Deutschen benutzte Eildampfer des Österreichischen Lloyd nur
einmal wöchentlich. Daß diese Verhältnisse den Verkehr sehr erschwerten und
trennend wirken mußten, liegt auf der Hand. Eine Reise nach Griechenland
war immer schon ein größeres, mit sehr erheblichen Kosten verbundenes Unter¬
nehmen. Das wird jetzt sehr bald anders werden. Vorarbeiten für die Ver¬
bindung von der früheren türkisch-griechischen Grenze bis Saloniki sind seitens
der LdLlLtö as8 LatiZnoIIs8 im Auftrage der griechischen Regierung aus¬
geführt. Der Bau ist von dieser Gesellschaft für die Regierung begonnen worden,
und bei der Tatkraft der jetzigen griechischen Regierung unter der zielbewußter
Leitung des einsichtsvollen, energischen Venizelos ist anzunehmen, daß man alles
aufbieten wird, ihn, da er erhebliche Schwierigkeiten nicht bieten kann, in


Deutschland und Neu-Griechenland

Mazedonien ungefähr 48000 Quadratkilometer mit 1300000 Einwohnernj
hierzu kommen noch die Inseln mit etwa 8000 Quadratkilometer Fläche und
einer erheblichen Einwohnerzahl; die Fläche Neugriechenlands wird mit
115975 Quadratkilometer, die Einwohnerzahl mit 4256000 angegeben — aber
viel wichtiger als diese Vergrößerung des Landes ist die Änderung seiner Verkehrs¬
verhältnisse in bezug auf das übrige Europa. Griechenland war bisher völlig ab¬
geschnitten von dem übrigen europäischen Eisenbahnverkehr. Die es von Süden
nach Norden durchziehende normalspurige Hauptbahn, betrieben von der französischen
Gesellschaft Lociete 6e8 alienus cis 5er t^sIISniques, Tochtergesellschaft der
Locietö als8 lZatiZnoIIss zu Paris, vom Piräus über Athen, Theben, Livadia,
Lamia, Larissa bis zur türkischen Grenze endete bisher stumpf an der Grenze.
Alle Bemühungen Griechenlands, von dort aus eine Verbindung mit Saloniki,
dem Endpunkte des europäischen Eisenbahnnetzes, zu erreichen, scheiterten an
dem Widerstande der Türkei. Die Linie durchs Gebirge, welche die Türkei
vielleicht mit großen Opfern Griechenlands zuzugestehen bereit war, erforderte
unerschwingliche Baukosten. Gegen die ausführbaren Linien in der Nähe des
Meeres wurden seitens der Türkei strategische Bedenken geltend gemacht. Athen
war daher bisher praktisch nur mittels einer längeren Seereise zu erreichen,
wobei als Ausgangspunkt für Deutschland hauptsächlich Brindist, Trieft und
Genua in Frage kamen.

Die schnellste Reise Berlin—Athen über Brindist—Patras erforderte gegen
neunzig Stunden (Eisenbahnfahrt Berlin—Brindist etwa fünfzig Stunden,
Dampferfahrt Brindist—Patras etwa dreißig Stunden, Eisenbahnfahrt Patras—
Athen etwa zehn Stunden mit den erforderlichen Übergangszeiten). Die häufig
gewählten Wege von Trieft rin dem Dampfer bis Patras mit etwa sechzigstündiger
Seereise oder auch uach Piräus, mit etwa neunzigstündiger Seereise, erforderten
einen der längeren Seereise entsprechenden Zeitaufwand von etwa einhundert
bzw. einhundertundzwanzig Stunden. Dabei fuhr der von Trieft bzw. Brindist
mit Vorliebe von Deutschen benutzte Eildampfer des Österreichischen Lloyd nur
einmal wöchentlich. Daß diese Verhältnisse den Verkehr sehr erschwerten und
trennend wirken mußten, liegt auf der Hand. Eine Reise nach Griechenland
war immer schon ein größeres, mit sehr erheblichen Kosten verbundenes Unter¬
nehmen. Das wird jetzt sehr bald anders werden. Vorarbeiten für die Ver¬
bindung von der früheren türkisch-griechischen Grenze bis Saloniki sind seitens
der LdLlLtö as8 LatiZnoIIs8 im Auftrage der griechischen Regierung aus¬
geführt. Der Bau ist von dieser Gesellschaft für die Regierung begonnen worden,
und bei der Tatkraft der jetzigen griechischen Regierung unter der zielbewußter
Leitung des einsichtsvollen, energischen Venizelos ist anzunehmen, daß man alles
aufbieten wird, ihn, da er erhebliche Schwierigkeiten nicht bieten kann, in


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[0072] Deutschland und Neu-Griechenland Mazedonien ungefähr 48000 Quadratkilometer mit 1300000 Einwohnernj hierzu kommen noch die Inseln mit etwa 8000 Quadratkilometer Fläche und einer erheblichen Einwohnerzahl; die Fläche Neugriechenlands wird mit 115975 Quadratkilometer, die Einwohnerzahl mit 4256000 angegeben — aber viel wichtiger als diese Vergrößerung des Landes ist die Änderung seiner Verkehrs¬ verhältnisse in bezug auf das übrige Europa. Griechenland war bisher völlig ab¬ geschnitten von dem übrigen europäischen Eisenbahnverkehr. Die es von Süden nach Norden durchziehende normalspurige Hauptbahn, betrieben von der französischen Gesellschaft Lociete 6e8 alienus cis 5er t^sIISniques, Tochtergesellschaft der Locietö als8 lZatiZnoIIss zu Paris, vom Piräus über Athen, Theben, Livadia, Lamia, Larissa bis zur türkischen Grenze endete bisher stumpf an der Grenze. Alle Bemühungen Griechenlands, von dort aus eine Verbindung mit Saloniki, dem Endpunkte des europäischen Eisenbahnnetzes, zu erreichen, scheiterten an dem Widerstande der Türkei. Die Linie durchs Gebirge, welche die Türkei vielleicht mit großen Opfern Griechenlands zuzugestehen bereit war, erforderte unerschwingliche Baukosten. Gegen die ausführbaren Linien in der Nähe des Meeres wurden seitens der Türkei strategische Bedenken geltend gemacht. Athen war daher bisher praktisch nur mittels einer längeren Seereise zu erreichen, wobei als Ausgangspunkt für Deutschland hauptsächlich Brindist, Trieft und Genua in Frage kamen. Die schnellste Reise Berlin—Athen über Brindist—Patras erforderte gegen neunzig Stunden (Eisenbahnfahrt Berlin—Brindist etwa fünfzig Stunden, Dampferfahrt Brindist—Patras etwa dreißig Stunden, Eisenbahnfahrt Patras— Athen etwa zehn Stunden mit den erforderlichen Übergangszeiten). Die häufig gewählten Wege von Trieft rin dem Dampfer bis Patras mit etwa sechzigstündiger Seereise oder auch uach Piräus, mit etwa neunzigstündiger Seereise, erforderten einen der längeren Seereise entsprechenden Zeitaufwand von etwa einhundert bzw. einhundertundzwanzig Stunden. Dabei fuhr der von Trieft bzw. Brindist mit Vorliebe von Deutschen benutzte Eildampfer des Österreichischen Lloyd nur einmal wöchentlich. Daß diese Verhältnisse den Verkehr sehr erschwerten und trennend wirken mußten, liegt auf der Hand. Eine Reise nach Griechenland war immer schon ein größeres, mit sehr erheblichen Kosten verbundenes Unter¬ nehmen. Das wird jetzt sehr bald anders werden. Vorarbeiten für die Ver¬ bindung von der früheren türkisch-griechischen Grenze bis Saloniki sind seitens der LdLlLtö as8 LatiZnoIIs8 im Auftrage der griechischen Regierung aus¬ geführt. Der Bau ist von dieser Gesellschaft für die Regierung begonnen worden, und bei der Tatkraft der jetzigen griechischen Regierung unter der zielbewußter Leitung des einsichtsvollen, energischen Venizelos ist anzunehmen, daß man alles aufbieten wird, ihn, da er erhebliche Schwierigkeiten nicht bieten kann, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/72>, abgerufen am 01.09.2024.