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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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ständigerweise doch nur dann, wenn der betreffende Mensch aus körperlichen
Gründen, oder wegen vollständigen Mangels an Beschäftigungsmöglichkeit, also
wegen Überflusses an Arbeitskräften überhaupt nicht nutzbringend arbeiten kann.
Aus Sittlichkeitsgründen wird die gesamte menschliche Arbeit fraglos nicht
bezahlt. Das Recht auf Existenz ist ein sehr fragliches Ding, jedenfalls aber
nicht der Grund, weshalb die Arbeit des Menschen entlohnt wird.

Nicht daraus fließt der Verdienst der Arbeit, weil der Mensch ihn zu
seiner Selbsterhaltung nötig hat, sondern weil die Arbeit erst die Mittel zur
Selbsterhaltung und Vervollkommnung verschafft. Der Trieb der Selbsterhaltung
ist nur der Grund dafür, warum der Mensch lohnende Arbeit verrichtet, aber
nicht warum die Arbeit Lohn einbringt.

Der Erwerbsgrund des Lohnes ist also weder der organische Charakter
der menschlichen Arbeit, noch die Notwendigkeit der Selbsterhaltung der Menschen,
sondern lediglich der Gebrauchswert seiner Arbeit.

Die menschliche Arbeit hat aber nur dann Gebrauchswert, wenn sie irgend¬
welchen Nutzen schafft. Erzeugt sie diesen Nutzen? In vielen Fällen sicher!
Der Erfinder oder Konstrukteur z. B. erzeugt allein aus sich das arbeitsparende
Moment in einer Maschine. Aber er erzeugt nicht den Preis der Produktions¬
verbilligung. Der wird ihr erst von außen gegeben. Denn es kommt vor,
daß eine Arbeit von höchstem Werte und von einer Beschränkung der Menge
bis zur Vereinzelung in einer einzigen Person keinen Lohn erhält, z. B. bei
einer Erfindung, Entdeckung oder einer neuen Idee. Viele Genies sind Hungers
gestorben trotz einer Leistung von enormem Werte. Dieser objektiv hohe Wert
ist von den Mitmenschen nicht erkannt, das Gut hatte also bei Lebzeiten des
Schöpfers noch keinen Gebrauchswert und deshalb auch keinen Preis. Es stieß
auf kein Bedürfnis oder verstand das Bedürfnis nicht im Rahmen der
Gebrauchsfähigreiten der Zeitgenossen zu befriedigen. Anderseits verschaffen
objektiv ganz wertlose Erzeugnisse, z. B. Sensationsromane, die dem Geschmack
der Zeit entsprechen, aber dem Urteil eines erlesenen, gebildeten Geschmacks
nicht standhalten und gar keinen Nutzen, weder ideellen, noch wirtschaftlichen,
unter Umständen sogar Schaden stiften, dem Verfasser einen höheren Verdienst,
als die gediegenste künstlerische Arbeit.

Aus diesen Beispielen ergibt sich zur Evidenz die Tatsache, daß die
menschliche Arbeit zwar Werte erzeugt oder wenigstens erzeugen kann, aber nur
objektive Werte und keinen Preiswerk. Der Preiswerk, auf den hier doch
alles ankommt, wird nicht als etwas "Inhärentes" aus der Produktion mit¬
gebracht, wie BöhM'Bawerk sagt, sondern jedem Gut und jeder Leistung erst
von außen, durch die Wertschätzung der Mitmenschen angetragen, verliehen.
Die menschliche Arbeit ist ebenso wie das Kapital zwar produktiv, aber nicht
wertproduktiv.

Dasselbe gilt auch für den Unternehmergewinn. Der Unternehmergewinn
ist der Ertrag einer Produktion, der übrig bleibt, wenn man die Kosten für


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ständigerweise doch nur dann, wenn der betreffende Mensch aus körperlichen
Gründen, oder wegen vollständigen Mangels an Beschäftigungsmöglichkeit, also
wegen Überflusses an Arbeitskräften überhaupt nicht nutzbringend arbeiten kann.
Aus Sittlichkeitsgründen wird die gesamte menschliche Arbeit fraglos nicht
bezahlt. Das Recht auf Existenz ist ein sehr fragliches Ding, jedenfalls aber
nicht der Grund, weshalb die Arbeit des Menschen entlohnt wird.

Nicht daraus fließt der Verdienst der Arbeit, weil der Mensch ihn zu
seiner Selbsterhaltung nötig hat, sondern weil die Arbeit erst die Mittel zur
Selbsterhaltung und Vervollkommnung verschafft. Der Trieb der Selbsterhaltung
ist nur der Grund dafür, warum der Mensch lohnende Arbeit verrichtet, aber
nicht warum die Arbeit Lohn einbringt.

Der Erwerbsgrund des Lohnes ist also weder der organische Charakter
der menschlichen Arbeit, noch die Notwendigkeit der Selbsterhaltung der Menschen,
sondern lediglich der Gebrauchswert seiner Arbeit.

Die menschliche Arbeit hat aber nur dann Gebrauchswert, wenn sie irgend¬
welchen Nutzen schafft. Erzeugt sie diesen Nutzen? In vielen Fällen sicher!
Der Erfinder oder Konstrukteur z. B. erzeugt allein aus sich das arbeitsparende
Moment in einer Maschine. Aber er erzeugt nicht den Preis der Produktions¬
verbilligung. Der wird ihr erst von außen gegeben. Denn es kommt vor,
daß eine Arbeit von höchstem Werte und von einer Beschränkung der Menge
bis zur Vereinzelung in einer einzigen Person keinen Lohn erhält, z. B. bei
einer Erfindung, Entdeckung oder einer neuen Idee. Viele Genies sind Hungers
gestorben trotz einer Leistung von enormem Werte. Dieser objektiv hohe Wert
ist von den Mitmenschen nicht erkannt, das Gut hatte also bei Lebzeiten des
Schöpfers noch keinen Gebrauchswert und deshalb auch keinen Preis. Es stieß
auf kein Bedürfnis oder verstand das Bedürfnis nicht im Rahmen der
Gebrauchsfähigreiten der Zeitgenossen zu befriedigen. Anderseits verschaffen
objektiv ganz wertlose Erzeugnisse, z. B. Sensationsromane, die dem Geschmack
der Zeit entsprechen, aber dem Urteil eines erlesenen, gebildeten Geschmacks
nicht standhalten und gar keinen Nutzen, weder ideellen, noch wirtschaftlichen,
unter Umständen sogar Schaden stiften, dem Verfasser einen höheren Verdienst,
als die gediegenste künstlerische Arbeit.

Aus diesen Beispielen ergibt sich zur Evidenz die Tatsache, daß die
menschliche Arbeit zwar Werte erzeugt oder wenigstens erzeugen kann, aber nur
objektive Werte und keinen Preiswerk. Der Preiswerk, auf den hier doch
alles ankommt, wird nicht als etwas „Inhärentes" aus der Produktion mit¬
gebracht, wie BöhM'Bawerk sagt, sondern jedem Gut und jeder Leistung erst
von außen, durch die Wertschätzung der Mitmenschen angetragen, verliehen.
Die menschliche Arbeit ist ebenso wie das Kapital zwar produktiv, aber nicht
wertproduktiv.

Dasselbe gilt auch für den Unternehmergewinn. Der Unternehmergewinn
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[0050] Aapitalzins ständigerweise doch nur dann, wenn der betreffende Mensch aus körperlichen Gründen, oder wegen vollständigen Mangels an Beschäftigungsmöglichkeit, also wegen Überflusses an Arbeitskräften überhaupt nicht nutzbringend arbeiten kann. Aus Sittlichkeitsgründen wird die gesamte menschliche Arbeit fraglos nicht bezahlt. Das Recht auf Existenz ist ein sehr fragliches Ding, jedenfalls aber nicht der Grund, weshalb die Arbeit des Menschen entlohnt wird. Nicht daraus fließt der Verdienst der Arbeit, weil der Mensch ihn zu seiner Selbsterhaltung nötig hat, sondern weil die Arbeit erst die Mittel zur Selbsterhaltung und Vervollkommnung verschafft. Der Trieb der Selbsterhaltung ist nur der Grund dafür, warum der Mensch lohnende Arbeit verrichtet, aber nicht warum die Arbeit Lohn einbringt. Der Erwerbsgrund des Lohnes ist also weder der organische Charakter der menschlichen Arbeit, noch die Notwendigkeit der Selbsterhaltung der Menschen, sondern lediglich der Gebrauchswert seiner Arbeit. Die menschliche Arbeit hat aber nur dann Gebrauchswert, wenn sie irgend¬ welchen Nutzen schafft. Erzeugt sie diesen Nutzen? In vielen Fällen sicher! Der Erfinder oder Konstrukteur z. B. erzeugt allein aus sich das arbeitsparende Moment in einer Maschine. Aber er erzeugt nicht den Preis der Produktions¬ verbilligung. Der wird ihr erst von außen gegeben. Denn es kommt vor, daß eine Arbeit von höchstem Werte und von einer Beschränkung der Menge bis zur Vereinzelung in einer einzigen Person keinen Lohn erhält, z. B. bei einer Erfindung, Entdeckung oder einer neuen Idee. Viele Genies sind Hungers gestorben trotz einer Leistung von enormem Werte. Dieser objektiv hohe Wert ist von den Mitmenschen nicht erkannt, das Gut hatte also bei Lebzeiten des Schöpfers noch keinen Gebrauchswert und deshalb auch keinen Preis. Es stieß auf kein Bedürfnis oder verstand das Bedürfnis nicht im Rahmen der Gebrauchsfähigreiten der Zeitgenossen zu befriedigen. Anderseits verschaffen objektiv ganz wertlose Erzeugnisse, z. B. Sensationsromane, die dem Geschmack der Zeit entsprechen, aber dem Urteil eines erlesenen, gebildeten Geschmacks nicht standhalten und gar keinen Nutzen, weder ideellen, noch wirtschaftlichen, unter Umständen sogar Schaden stiften, dem Verfasser einen höheren Verdienst, als die gediegenste künstlerische Arbeit. Aus diesen Beispielen ergibt sich zur Evidenz die Tatsache, daß die menschliche Arbeit zwar Werte erzeugt oder wenigstens erzeugen kann, aber nur objektive Werte und keinen Preiswerk. Der Preiswerk, auf den hier doch alles ankommt, wird nicht als etwas „Inhärentes" aus der Produktion mit¬ gebracht, wie BöhM'Bawerk sagt, sondern jedem Gut und jeder Leistung erst von außen, durch die Wertschätzung der Mitmenschen angetragen, verliehen. Die menschliche Arbeit ist ebenso wie das Kapital zwar produktiv, aber nicht wertproduktiv. Dasselbe gilt auch für den Unternehmergewinn. Der Unternehmergewinn ist der Ertrag einer Produktion, der übrig bleibt, wenn man die Kosten für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/50>, abgerufen am 27.07.2024.