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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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England und der Militarismus
von Wilhelm von Massow

ittwoch, den 23. September, hatte ich die soeben herausgegebene
Nummer 33 der Grenzboten in der Hand und las mit großem
Interesse den Aufsatz von M. Schwabhäuser: "England und die
elsaß-lothringische Frage", worin die Erinnerung an die Arbeiten
zweier Engländer aufgefrischt wird, die vor Jahren bemüht, waren,
ihren Landsleuten ein wirkliches Verständnis sür die Lage Deutschlands, für
deutsches Wesen und deutsche Zustände zu vermitteln. Der eine von diesen
beiden. William Harbutt Dawson, ist ja, wie schon mit Recht hervorgehoben
wurde, bei uns in Deutschland allen denen, die sich für diese Fragen und die
deutsch-englischen Beziehungen interessiert haben, keine unbekannte Persönlichkeit.

Ich hatte den Aufsatz soeben gelesen, als mir der Postbote die
Kölnische Zeitung brachte, darunter die Mittagsausgabe vom 22. September,
Nummer 10S2. Der erste Name, auf den mein Auge haften blieb, als ich das
Zeitungsblatt aufnahm, war der Name Dawson. Ein Zweifel war nicht
möglich: W. H. Dawson hatte, wie dort mitgeteilt wurde, vor kurzem in den
Spalten der Times einen Artikel über Deutschland losgelassen; ein anderer als
der wohlbekannte "Kenner" Deutschlands konnte das wohl nicht sein. Das
Original des Times-Artikels ist mir leider bisher nicht zugänglich gewesen,
indessen erheben sich wohl keine Bedenken, wenn ich in einer solchen Sache der
zuverlässigen Autorität der Kölnischen Zeitung folge. Was hat sie uns also
von der Leistung des Mr. Dawson mitzuteilen? Ich zitiere zunächst wörtlich:

"Der preußische Militarismus, so meint dieser Herr, habe das brave
deutsche Volk, besonders die guten Sachsen, Bayern und Württemberger ver¬
dorben. Er sei schuld an allem Unheil: er fessele den freien Gedanken, zersetze
die Freiheit der Universitäten und betrachte die Schule, Kunst und Wissenschaft
und das Drama, selbst die Religion nur als Mittel zur Stütze des politischen
Systems; er sei schuld, daß Byzantinismus und Heuchelei an Stelle des Münner-
stolzes vor Königsthronen getreten sei, von dem Schiller gesprochen, er zwinge
die Krone, Unterstützung bei Höflingen und Zwischenträgern zu suchen, und er
sei es, der Deutschland jetzt in einen Krieg gegen die Zivilisation hinein¬
getrieben habe,, in dem der deutsche Kriegsherr die weite Welt vergeblich nach
einem Freunde absuche. Mir brauchen uns nicht über den unmittelbaren




England und der Militarismus
von Wilhelm von Massow

ittwoch, den 23. September, hatte ich die soeben herausgegebene
Nummer 33 der Grenzboten in der Hand und las mit großem
Interesse den Aufsatz von M. Schwabhäuser: „England und die
elsaß-lothringische Frage", worin die Erinnerung an die Arbeiten
zweier Engländer aufgefrischt wird, die vor Jahren bemüht, waren,
ihren Landsleuten ein wirkliches Verständnis sür die Lage Deutschlands, für
deutsches Wesen und deutsche Zustände zu vermitteln. Der eine von diesen
beiden. William Harbutt Dawson, ist ja, wie schon mit Recht hervorgehoben
wurde, bei uns in Deutschland allen denen, die sich für diese Fragen und die
deutsch-englischen Beziehungen interessiert haben, keine unbekannte Persönlichkeit.

Ich hatte den Aufsatz soeben gelesen, als mir der Postbote die
Kölnische Zeitung brachte, darunter die Mittagsausgabe vom 22. September,
Nummer 10S2. Der erste Name, auf den mein Auge haften blieb, als ich das
Zeitungsblatt aufnahm, war der Name Dawson. Ein Zweifel war nicht
möglich: W. H. Dawson hatte, wie dort mitgeteilt wurde, vor kurzem in den
Spalten der Times einen Artikel über Deutschland losgelassen; ein anderer als
der wohlbekannte „Kenner" Deutschlands konnte das wohl nicht sein. Das
Original des Times-Artikels ist mir leider bisher nicht zugänglich gewesen,
indessen erheben sich wohl keine Bedenken, wenn ich in einer solchen Sache der
zuverlässigen Autorität der Kölnischen Zeitung folge. Was hat sie uns also
von der Leistung des Mr. Dawson mitzuteilen? Ich zitiere zunächst wörtlich:

„Der preußische Militarismus, so meint dieser Herr, habe das brave
deutsche Volk, besonders die guten Sachsen, Bayern und Württemberger ver¬
dorben. Er sei schuld an allem Unheil: er fessele den freien Gedanken, zersetze
die Freiheit der Universitäten und betrachte die Schule, Kunst und Wissenschaft
und das Drama, selbst die Religion nur als Mittel zur Stütze des politischen
Systems; er sei schuld, daß Byzantinismus und Heuchelei an Stelle des Münner-
stolzes vor Königsthronen getreten sei, von dem Schiller gesprochen, er zwinge
die Krone, Unterstützung bei Höflingen und Zwischenträgern zu suchen, und er
sei es, der Deutschland jetzt in einen Krieg gegen die Zivilisation hinein¬
getrieben habe,, in dem der deutsche Kriegsherr die weite Welt vergeblich nach
einem Freunde absuche. Mir brauchen uns nicht über den unmittelbaren


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[0482] [Abbildung] England und der Militarismus von Wilhelm von Massow ittwoch, den 23. September, hatte ich die soeben herausgegebene Nummer 33 der Grenzboten in der Hand und las mit großem Interesse den Aufsatz von M. Schwabhäuser: „England und die elsaß-lothringische Frage", worin die Erinnerung an die Arbeiten zweier Engländer aufgefrischt wird, die vor Jahren bemüht, waren, ihren Landsleuten ein wirkliches Verständnis sür die Lage Deutschlands, für deutsches Wesen und deutsche Zustände zu vermitteln. Der eine von diesen beiden. William Harbutt Dawson, ist ja, wie schon mit Recht hervorgehoben wurde, bei uns in Deutschland allen denen, die sich für diese Fragen und die deutsch-englischen Beziehungen interessiert haben, keine unbekannte Persönlichkeit. Ich hatte den Aufsatz soeben gelesen, als mir der Postbote die Kölnische Zeitung brachte, darunter die Mittagsausgabe vom 22. September, Nummer 10S2. Der erste Name, auf den mein Auge haften blieb, als ich das Zeitungsblatt aufnahm, war der Name Dawson. Ein Zweifel war nicht möglich: W. H. Dawson hatte, wie dort mitgeteilt wurde, vor kurzem in den Spalten der Times einen Artikel über Deutschland losgelassen; ein anderer als der wohlbekannte „Kenner" Deutschlands konnte das wohl nicht sein. Das Original des Times-Artikels ist mir leider bisher nicht zugänglich gewesen, indessen erheben sich wohl keine Bedenken, wenn ich in einer solchen Sache der zuverlässigen Autorität der Kölnischen Zeitung folge. Was hat sie uns also von der Leistung des Mr. Dawson mitzuteilen? Ich zitiere zunächst wörtlich: „Der preußische Militarismus, so meint dieser Herr, habe das brave deutsche Volk, besonders die guten Sachsen, Bayern und Württemberger ver¬ dorben. Er sei schuld an allem Unheil: er fessele den freien Gedanken, zersetze die Freiheit der Universitäten und betrachte die Schule, Kunst und Wissenschaft und das Drama, selbst die Religion nur als Mittel zur Stütze des politischen Systems; er sei schuld, daß Byzantinismus und Heuchelei an Stelle des Münner- stolzes vor Königsthronen getreten sei, von dem Schiller gesprochen, er zwinge die Krone, Unterstützung bei Höflingen und Zwischenträgern zu suchen, und er sei es, der Deutschland jetzt in einen Krieg gegen die Zivilisation hinein¬ getrieben habe,, in dem der deutsche Kriegsherr die weite Welt vergeblich nach einem Freunde absuche. Mir brauchen uns nicht über den unmittelbaren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/482>, abgerufen am 22.12.2024.