Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Gläubiger ohne solche Zahlung sein Geld nicht leiht, macht stillschweigend zur
Voraussetzung, was bewiesen werden soll, nämlich, daß der Schuldner Gründe
habe, die Zurückhaltung des Kapitalisten, der ohne Zins nicht leihen will, zu
überwinden" (also den Zins wirklich zu bezahlen).

"Daß für einen Dienst ein.Gegendienst' verlangt wird, ist auf dem Markte
selbstverständlich. Das minder selbstverständliche und näher darzulegende ist der
-Dienst'. Welcher Art ist dieser?"

Die Abstinenztheorie gibt hierauf gar keine Antwort, wohl aber die auch
von Julius Wolf verfochtene Theorie der Wertproduktivität des Kapitals.
Diese Theorie spricht dem Kapital eine selbständige Werterzeugungsfunktion zu.
Der Schwerpunkt dieser Theorie liegt nicht in der unbestrittenen Tatsache einer
Produktionsfähigkeit des Kapitals, sondern in der Behauptung, daß das Kapital
eine einen eigenen Wert erzeugende Kraft besitzt. Nicht der Anteil des Kapital¬
zinses an dem Wert der mit Hilfe des Kapitals erzeugten Produkte ist gemeint,
sondern eine eigene Werte schaffende Fähigkeit des Kapitals im Verlaufe des
Gütererzeugungsprozesses.

Auf diese Begriffsbestimmung der Wertproduktivität kommt hier alles an.
Die Werte, die das Kapital nach dieser Theorie erzeugt, sind Arbeits- und
Kostenersparung. Die Herstellung derselben Menge Güter erfordert unter Bei¬
hilfe des Kapitals weniger Arbeit oder Kosten, als ohne Kapital. Das Kapital
verbilligt die Produktion.

Ist dies wirklich eine dem Kapital selbständig innewohnende Kraft?
Sicherlich nicht!

Wie Kapital wirkt, hängt immer von dem Willen und der Fähigkeit des
Kapitalbenutzers ab. Wenn ein Unternehmer eine für den Zweck ihrer An-
schaffung ganz ungeeignete Maschine kauft, so wird sie -- und wenn sie noch
so teuer war. also eine noch so große Menge Kapital verkörpert -- kemen
Nutzen über die Leistung kapitalloser Produktion hinaus abwerfen. Das Kapital
hat keine arbeitsparende Funktion, es läßt sich nur bei zweckentsprechender
Verwendung zur Produktionsverbilligung gebrauchen. Diese Eigenschaft ist eine
seiner vielen Verwendungsmöglichkeiten. Die arbeitsparende Wirkung beruht
auf der Intelligenz von Erfindern und Unternehmern, die arbeitsparende
Maschinen. Einrichtungen usw. konstruiert und richtig ausnutzt. Das unpersönliche,
charakterlose Kapital spielt beim Gütererzeugungsvorgang eine ähnliche Rolle, wie
die in der Chemie bekannten katalytischen Substanzen, die in noch unaufgeklärter
Weise durch ihr bloßes Dasein die Bildung chemischer Verbindungen veran¬
lassen, ohne sich selbst an dem Prozeß zu beteiligen, z. B. der Platinschwamm
bei den M viel in Gebrauch befindlichen Taschenfeuerzeugen.

Das Kapital besitzt einen Produktivwert. aber keine Wertproduktivität, es
hat einen Wert, aber erzeugt keinen Wert. "Der Wert wird überhaupt nicht
produziert, kann nicht produziert werden. Was produziert rmrd. sind immer
nur Formen. Stoffgehalte. Stoffkombinationen, also Sachen. Güter. Diese


Grenzboten III 1914

Gläubiger ohne solche Zahlung sein Geld nicht leiht, macht stillschweigend zur
Voraussetzung, was bewiesen werden soll, nämlich, daß der Schuldner Gründe
habe, die Zurückhaltung des Kapitalisten, der ohne Zins nicht leihen will, zu
überwinden" (also den Zins wirklich zu bezahlen).

„Daß für einen Dienst ein.Gegendienst' verlangt wird, ist auf dem Markte
selbstverständlich. Das minder selbstverständliche und näher darzulegende ist der
-Dienst'. Welcher Art ist dieser?"

Die Abstinenztheorie gibt hierauf gar keine Antwort, wohl aber die auch
von Julius Wolf verfochtene Theorie der Wertproduktivität des Kapitals.
Diese Theorie spricht dem Kapital eine selbständige Werterzeugungsfunktion zu.
Der Schwerpunkt dieser Theorie liegt nicht in der unbestrittenen Tatsache einer
Produktionsfähigkeit des Kapitals, sondern in der Behauptung, daß das Kapital
eine einen eigenen Wert erzeugende Kraft besitzt. Nicht der Anteil des Kapital¬
zinses an dem Wert der mit Hilfe des Kapitals erzeugten Produkte ist gemeint,
sondern eine eigene Werte schaffende Fähigkeit des Kapitals im Verlaufe des
Gütererzeugungsprozesses.

Auf diese Begriffsbestimmung der Wertproduktivität kommt hier alles an.
Die Werte, die das Kapital nach dieser Theorie erzeugt, sind Arbeits- und
Kostenersparung. Die Herstellung derselben Menge Güter erfordert unter Bei¬
hilfe des Kapitals weniger Arbeit oder Kosten, als ohne Kapital. Das Kapital
verbilligt die Produktion.

Ist dies wirklich eine dem Kapital selbständig innewohnende Kraft?
Sicherlich nicht!

Wie Kapital wirkt, hängt immer von dem Willen und der Fähigkeit des
Kapitalbenutzers ab. Wenn ein Unternehmer eine für den Zweck ihrer An-
schaffung ganz ungeeignete Maschine kauft, so wird sie — und wenn sie noch
so teuer war. also eine noch so große Menge Kapital verkörpert — kemen
Nutzen über die Leistung kapitalloser Produktion hinaus abwerfen. Das Kapital
hat keine arbeitsparende Funktion, es läßt sich nur bei zweckentsprechender
Verwendung zur Produktionsverbilligung gebrauchen. Diese Eigenschaft ist eine
seiner vielen Verwendungsmöglichkeiten. Die arbeitsparende Wirkung beruht
auf der Intelligenz von Erfindern und Unternehmern, die arbeitsparende
Maschinen. Einrichtungen usw. konstruiert und richtig ausnutzt. Das unpersönliche,
charakterlose Kapital spielt beim Gütererzeugungsvorgang eine ähnliche Rolle, wie
die in der Chemie bekannten katalytischen Substanzen, die in noch unaufgeklärter
Weise durch ihr bloßes Dasein die Bildung chemischer Verbindungen veran¬
lassen, ohne sich selbst an dem Prozeß zu beteiligen, z. B. der Platinschwamm
bei den M viel in Gebrauch befindlichen Taschenfeuerzeugen.

Das Kapital besitzt einen Produktivwert. aber keine Wertproduktivität, es
hat einen Wert, aber erzeugt keinen Wert. „Der Wert wird überhaupt nicht
produziert, kann nicht produziert werden. Was produziert rmrd. sind immer
nur Formen. Stoffgehalte. Stoffkombinationen, also Sachen. Güter. Diese


Grenzboten III 1914
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0045" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328779"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_108" prev="#ID_107"> Gläubiger ohne solche Zahlung sein Geld nicht leiht, macht stillschweigend zur<lb/>
Voraussetzung, was bewiesen werden soll, nämlich, daß der Schuldner Gründe<lb/>
habe, die Zurückhaltung des Kapitalisten, der ohne Zins nicht leihen will, zu<lb/>
überwinden" (also den Zins wirklich zu bezahlen).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_109"> &#x201E;Daß für einen Dienst ein.Gegendienst' verlangt wird, ist auf dem Markte<lb/>
selbstverständlich. Das minder selbstverständliche und näher darzulegende ist der<lb/>
-Dienst'.  Welcher Art ist dieser?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_110"> Die Abstinenztheorie gibt hierauf gar keine Antwort, wohl aber die auch<lb/>
von Julius Wolf verfochtene Theorie der Wertproduktivität des Kapitals.<lb/>
Diese Theorie spricht dem Kapital eine selbständige Werterzeugungsfunktion zu.<lb/>
Der Schwerpunkt dieser Theorie liegt nicht in der unbestrittenen Tatsache einer<lb/>
Produktionsfähigkeit des Kapitals, sondern in der Behauptung, daß das Kapital<lb/>
eine einen eigenen Wert erzeugende Kraft besitzt. Nicht der Anteil des Kapital¬<lb/>
zinses an dem Wert der mit Hilfe des Kapitals erzeugten Produkte ist gemeint,<lb/>
sondern eine eigene Werte schaffende Fähigkeit des Kapitals im Verlaufe des<lb/>
Gütererzeugungsprozesses.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_111"> Auf diese Begriffsbestimmung der Wertproduktivität kommt hier alles an.<lb/>
Die Werte, die das Kapital nach dieser Theorie erzeugt, sind Arbeits- und<lb/>
Kostenersparung. Die Herstellung derselben Menge Güter erfordert unter Bei¬<lb/>
hilfe des Kapitals weniger Arbeit oder Kosten, als ohne Kapital. Das Kapital<lb/>
verbilligt die Produktion.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_112"> Ist dies wirklich eine dem Kapital selbständig innewohnende Kraft?<lb/>
Sicherlich nicht!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_113"> Wie Kapital wirkt, hängt immer von dem Willen und der Fähigkeit des<lb/>
Kapitalbenutzers ab. Wenn ein Unternehmer eine für den Zweck ihrer An-<lb/>
schaffung ganz ungeeignete Maschine kauft, so wird sie &#x2014; und wenn sie noch<lb/>
so teuer war. also eine noch so große Menge Kapital verkörpert &#x2014; kemen<lb/>
Nutzen über die Leistung kapitalloser Produktion hinaus abwerfen. Das Kapital<lb/>
hat keine arbeitsparende Funktion, es läßt sich nur bei zweckentsprechender<lb/>
Verwendung zur Produktionsverbilligung gebrauchen. Diese Eigenschaft ist eine<lb/>
seiner vielen Verwendungsmöglichkeiten. Die arbeitsparende Wirkung beruht<lb/>
auf der Intelligenz von Erfindern und Unternehmern, die arbeitsparende<lb/>
Maschinen. Einrichtungen usw. konstruiert und richtig ausnutzt. Das unpersönliche,<lb/>
charakterlose Kapital spielt beim Gütererzeugungsvorgang eine ähnliche Rolle, wie<lb/>
die in der Chemie bekannten katalytischen Substanzen, die in noch unaufgeklärter<lb/>
Weise durch ihr bloßes Dasein die Bildung chemischer Verbindungen veran¬<lb/>
lassen, ohne sich selbst an dem Prozeß zu beteiligen, z. B. der Platinschwamm<lb/>
bei den M viel in Gebrauch befindlichen Taschenfeuerzeugen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_114" next="#ID_115"> Das Kapital besitzt einen Produktivwert. aber keine Wertproduktivität, es<lb/>
hat einen Wert, aber erzeugt keinen Wert.  &#x201E;Der Wert wird überhaupt nicht<lb/>
produziert, kann nicht produziert werden.  Was produziert rmrd. sind immer<lb/>
nur Formen. Stoffgehalte. Stoffkombinationen, also Sachen. Güter. Diese</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1914</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0045] Gläubiger ohne solche Zahlung sein Geld nicht leiht, macht stillschweigend zur Voraussetzung, was bewiesen werden soll, nämlich, daß der Schuldner Gründe habe, die Zurückhaltung des Kapitalisten, der ohne Zins nicht leihen will, zu überwinden" (also den Zins wirklich zu bezahlen). „Daß für einen Dienst ein.Gegendienst' verlangt wird, ist auf dem Markte selbstverständlich. Das minder selbstverständliche und näher darzulegende ist der -Dienst'. Welcher Art ist dieser?" Die Abstinenztheorie gibt hierauf gar keine Antwort, wohl aber die auch von Julius Wolf verfochtene Theorie der Wertproduktivität des Kapitals. Diese Theorie spricht dem Kapital eine selbständige Werterzeugungsfunktion zu. Der Schwerpunkt dieser Theorie liegt nicht in der unbestrittenen Tatsache einer Produktionsfähigkeit des Kapitals, sondern in der Behauptung, daß das Kapital eine einen eigenen Wert erzeugende Kraft besitzt. Nicht der Anteil des Kapital¬ zinses an dem Wert der mit Hilfe des Kapitals erzeugten Produkte ist gemeint, sondern eine eigene Werte schaffende Fähigkeit des Kapitals im Verlaufe des Gütererzeugungsprozesses. Auf diese Begriffsbestimmung der Wertproduktivität kommt hier alles an. Die Werte, die das Kapital nach dieser Theorie erzeugt, sind Arbeits- und Kostenersparung. Die Herstellung derselben Menge Güter erfordert unter Bei¬ hilfe des Kapitals weniger Arbeit oder Kosten, als ohne Kapital. Das Kapital verbilligt die Produktion. Ist dies wirklich eine dem Kapital selbständig innewohnende Kraft? Sicherlich nicht! Wie Kapital wirkt, hängt immer von dem Willen und der Fähigkeit des Kapitalbenutzers ab. Wenn ein Unternehmer eine für den Zweck ihrer An- schaffung ganz ungeeignete Maschine kauft, so wird sie — und wenn sie noch so teuer war. also eine noch so große Menge Kapital verkörpert — kemen Nutzen über die Leistung kapitalloser Produktion hinaus abwerfen. Das Kapital hat keine arbeitsparende Funktion, es läßt sich nur bei zweckentsprechender Verwendung zur Produktionsverbilligung gebrauchen. Diese Eigenschaft ist eine seiner vielen Verwendungsmöglichkeiten. Die arbeitsparende Wirkung beruht auf der Intelligenz von Erfindern und Unternehmern, die arbeitsparende Maschinen. Einrichtungen usw. konstruiert und richtig ausnutzt. Das unpersönliche, charakterlose Kapital spielt beim Gütererzeugungsvorgang eine ähnliche Rolle, wie die in der Chemie bekannten katalytischen Substanzen, die in noch unaufgeklärter Weise durch ihr bloßes Dasein die Bildung chemischer Verbindungen veran¬ lassen, ohne sich selbst an dem Prozeß zu beteiligen, z. B. der Platinschwamm bei den M viel in Gebrauch befindlichen Taschenfeuerzeugen. Das Kapital besitzt einen Produktivwert. aber keine Wertproduktivität, es hat einen Wert, aber erzeugt keinen Wert. „Der Wert wird überhaupt nicht produziert, kann nicht produziert werden. Was produziert rmrd. sind immer nur Formen. Stoffgehalte. Stoffkombinationen, also Sachen. Güter. Diese Grenzboten III 1914

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/45
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/45>, abgerufen am 22.12.2024.