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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Arieg und Wirtschaft
von Rechtsanwalt Dr. zur. Karl Vonschott

!le gesetzgebenden Körperschaften und auch Privatkörperschaften,
wie z. B. die Berliner Handelskammer, sind in Erwägung aller
der Schädigungen, welche ein allgemeines Moratorium zur Folge
haben würde, mit Recht zu der Überzeugung gekommen, daß
l dieses aus wirtschaftlichen Gründen eine vollständig verfehlte
Maßnahme sein würde. Die Gesetzgebung hat sich aber keineswegs auf den
Standpunkt gestellt, daß es ihres Eingreifens zur möglichsten Abwendung
wirtschaftlicher Schäden in der jetzigen Kriegszeit nicht bedürfe. Sie hat
vielmehr durch eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen die schädlichen
Folgen, die der Krieg für das Leben des einzelnen sowohl wie auch der
Gesamtheit, insbesondere für das wirtschaftliche Leben mit sich bringt, herab¬
gemindert. So ist zunächst zum Schutze der infolge des Krieges in der Wahr¬
nehmung ihrer Rechte behinderten Personen für den gegenwärtigen Kriegszustand
durch Gesetz vom 4. August 1914 angeordnet, daß sämtliche bürgerliche Rechts¬
streitigkeiten, die gegen sie anhängig sind oder anhängig werden, von Amtswegen
unterbrochen sind; es sei denn, daß die betreffende kriegspflichtige Partei durch
einen Bevollmächtigten oder sonst eine andere zur Wahrnehmung ihrer Rechte
berufene Person, wie z. B. durch ihren Vater oder Vormund vertreten ist. Aber
auch im letzteren Falle muß Aussetzung des Verfahrens eintreten, wenn die
betreffende Partei dies beantragt. Ferner darf gegen die kriegspflichtige Person
keine Zwangsvollstreckung durchgeführt werden, ja sogar ihre Ehefrauen und
Kinder müssen während des Krieges von Zwangsvollstreckungsmaßregeln ver¬
schont bleiben, wenn der zum Kriege eingezogene Ehemann beziehungsweise
Vater an dem Vermögen seiner Ehefrau beziehungsweise seiner Kinder auf Grund
des ehelichen Güterrechts beziehungsweise auf Grund der elterlichen Gewalt
Rechte hat. Konkurs gegen eine Partei, die infolge des Krieges militärisch
eingezogen ist, darf nicht eröffnet und auch nicht weiter fortgesetzt werden; es
sei denn, daß der Kriegspflichtige dieses beantragt. Schließlich ruhen gegen
solche Personen auch alle Verjährung s- und Ausschlußfristen, insbesondere Rechts-
titelfristen.




Arieg und Wirtschaft
von Rechtsanwalt Dr. zur. Karl Vonschott

!le gesetzgebenden Körperschaften und auch Privatkörperschaften,
wie z. B. die Berliner Handelskammer, sind in Erwägung aller
der Schädigungen, welche ein allgemeines Moratorium zur Folge
haben würde, mit Recht zu der Überzeugung gekommen, daß
l dieses aus wirtschaftlichen Gründen eine vollständig verfehlte
Maßnahme sein würde. Die Gesetzgebung hat sich aber keineswegs auf den
Standpunkt gestellt, daß es ihres Eingreifens zur möglichsten Abwendung
wirtschaftlicher Schäden in der jetzigen Kriegszeit nicht bedürfe. Sie hat
vielmehr durch eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen die schädlichen
Folgen, die der Krieg für das Leben des einzelnen sowohl wie auch der
Gesamtheit, insbesondere für das wirtschaftliche Leben mit sich bringt, herab¬
gemindert. So ist zunächst zum Schutze der infolge des Krieges in der Wahr¬
nehmung ihrer Rechte behinderten Personen für den gegenwärtigen Kriegszustand
durch Gesetz vom 4. August 1914 angeordnet, daß sämtliche bürgerliche Rechts¬
streitigkeiten, die gegen sie anhängig sind oder anhängig werden, von Amtswegen
unterbrochen sind; es sei denn, daß die betreffende kriegspflichtige Partei durch
einen Bevollmächtigten oder sonst eine andere zur Wahrnehmung ihrer Rechte
berufene Person, wie z. B. durch ihren Vater oder Vormund vertreten ist. Aber
auch im letzteren Falle muß Aussetzung des Verfahrens eintreten, wenn die
betreffende Partei dies beantragt. Ferner darf gegen die kriegspflichtige Person
keine Zwangsvollstreckung durchgeführt werden, ja sogar ihre Ehefrauen und
Kinder müssen während des Krieges von Zwangsvollstreckungsmaßregeln ver¬
schont bleiben, wenn der zum Kriege eingezogene Ehemann beziehungsweise
Vater an dem Vermögen seiner Ehefrau beziehungsweise seiner Kinder auf Grund
des ehelichen Güterrechts beziehungsweise auf Grund der elterlichen Gewalt
Rechte hat. Konkurs gegen eine Partei, die infolge des Krieges militärisch
eingezogen ist, darf nicht eröffnet und auch nicht weiter fortgesetzt werden; es
sei denn, daß der Kriegspflichtige dieses beantragt. Schließlich ruhen gegen
solche Personen auch alle Verjährung s- und Ausschlußfristen, insbesondere Rechts-
titelfristen.


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[0442] [Abbildung] Arieg und Wirtschaft von Rechtsanwalt Dr. zur. Karl Vonschott !le gesetzgebenden Körperschaften und auch Privatkörperschaften, wie z. B. die Berliner Handelskammer, sind in Erwägung aller der Schädigungen, welche ein allgemeines Moratorium zur Folge haben würde, mit Recht zu der Überzeugung gekommen, daß l dieses aus wirtschaftlichen Gründen eine vollständig verfehlte Maßnahme sein würde. Die Gesetzgebung hat sich aber keineswegs auf den Standpunkt gestellt, daß es ihres Eingreifens zur möglichsten Abwendung wirtschaftlicher Schäden in der jetzigen Kriegszeit nicht bedürfe. Sie hat vielmehr durch eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen die schädlichen Folgen, die der Krieg für das Leben des einzelnen sowohl wie auch der Gesamtheit, insbesondere für das wirtschaftliche Leben mit sich bringt, herab¬ gemindert. So ist zunächst zum Schutze der infolge des Krieges in der Wahr¬ nehmung ihrer Rechte behinderten Personen für den gegenwärtigen Kriegszustand durch Gesetz vom 4. August 1914 angeordnet, daß sämtliche bürgerliche Rechts¬ streitigkeiten, die gegen sie anhängig sind oder anhängig werden, von Amtswegen unterbrochen sind; es sei denn, daß die betreffende kriegspflichtige Partei durch einen Bevollmächtigten oder sonst eine andere zur Wahrnehmung ihrer Rechte berufene Person, wie z. B. durch ihren Vater oder Vormund vertreten ist. Aber auch im letzteren Falle muß Aussetzung des Verfahrens eintreten, wenn die betreffende Partei dies beantragt. Ferner darf gegen die kriegspflichtige Person keine Zwangsvollstreckung durchgeführt werden, ja sogar ihre Ehefrauen und Kinder müssen während des Krieges von Zwangsvollstreckungsmaßregeln ver¬ schont bleiben, wenn der zum Kriege eingezogene Ehemann beziehungsweise Vater an dem Vermögen seiner Ehefrau beziehungsweise seiner Kinder auf Grund des ehelichen Güterrechts beziehungsweise auf Grund der elterlichen Gewalt Rechte hat. Konkurs gegen eine Partei, die infolge des Krieges militärisch eingezogen ist, darf nicht eröffnet und auch nicht weiter fortgesetzt werden; es sei denn, daß der Kriegspflichtige dieses beantragt. Schließlich ruhen gegen solche Personen auch alle Verjährung s- und Ausschlußfristen, insbesondere Rechts- titelfristen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/442>, abgerufen am 28.07.2024.