Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.Russisch-Polen als Kriegsschauplatz Frieden wenig Verkehr aufweist), 5. Kiew--Kowel--Brest, 6. Kiew--Kasatin-- Außerhalb des Festungsbereiches sind die Bahnen viel weitmaschiger. Die Die Festungen, besonders die Werke von Nowogeorgiewsk und Brest-Litowsk Es fehlte in der Militärliteratur allerdings auch nicht an Stimmen, die Russisch-Polen als Kriegsschauplatz Frieden wenig Verkehr aufweist), 5. Kiew—Kowel—Brest, 6. Kiew—Kasatin— Außerhalb des Festungsbereiches sind die Bahnen viel weitmaschiger. Die Die Festungen, besonders die Werke von Nowogeorgiewsk und Brest-Litowsk Es fehlte in der Militärliteratur allerdings auch nicht an Stimmen, die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0408" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329142"/> <fw type="header" place="top"> Russisch-Polen als Kriegsschauplatz</fw><lb/> <p xml:id="ID_1374" prev="#ID_1373"> Frieden wenig Verkehr aufweist), 5. Kiew—Kowel—Brest, 6. Kiew—Kasatin—<lb/> Kowel—Ljublin—Jwangorod (teilweise außerhalb des Festungsgürtels). Mehrere<lb/> Querbahnen setzen einzelne Stationen dieser Hauptlinien miteinander in Ver¬<lb/> bindung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1375"> Außerhalb des Festungsbereiches sind die Bahnen viel weitmaschiger. Die<lb/> Nordwestfront hat, wie oben erwähnt, nur drei Linien an die Grenze mit<lb/> Fortsetzung auf deutschem Boden. Von Warschau aus führt auf dem linken<lb/> Weichselufer die Bahn über Kutno nach Thorn, eine zweite über Lodz nach<lb/> Kalisch und über Petrokow—Tschenstochow nach Lublinitz. Die Bahn von<lb/> Jwangorod über Kjelzy nach Oberschlesien wurde schon gestreift. Zweifellos<lb/> können diese Bahnen einer russischen Offensive sehr zu statten kommen. Daß die<lb/> russische Regierung diese Möglichkeit im Auge hatte, zeigt, daß die Bahnen<lb/> westlich der Weichsel 1912 verstaatlicht wurden. 1913 sollten alle die größere<lb/> russische Spurweite erhalten. Eine neue Linie auf dem rechten Weichselufer von<lb/> Nowogeorgiewsk über Plozk war vorgesehen und war zweifellos auf Thorn<lb/> gerichtet. Nach Galizien führn? auch nur wenige Bahnen, von denen die nach<lb/> Krakau und die Strecke Rowno—Brody—Lemberg die wichtigsten sind. Die<lb/> neue Bahn Chota—Tomaschow—Beizen mit Richtung auf Lemberg scheinen die<lb/> Russen, wenn sie bereits vollendet war, bei ihrem Vormarsch gegen Galizien<lb/> schon benutzt zu haben, bevor sie bei Samostje zurückgeworfen wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1376"> Die Festungen, besonders die Werke von Nowogeorgiewsk und Brest-Litowsk<lb/> scheinen in den letzten Jahren sehr verbessert worden zu sein. Allerdings sind<lb/> Nachrichten darüber nur spärlich in der neuesten Literatur zu finden; denn bei<lb/> Ausbruch des Balkankrieges im Herbst 1912 hatte die russische Regierung die<lb/> Verbreitung aller Nachrichten über militärische Angelegenheiten untersagt und<lb/> seit dem 1. Januar 1914 sogar Veröffentlichungen in russischen Zeitungen über<lb/> Bahnbauten, Befestigungen usw. bei strengen Strafen verboten. Demnach ist<lb/> kein Zweifel, daß die Russen die militärische Rüstung Polens in letzter Zeit<lb/> intensiv gefördert haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1377" next="#ID_1378"> Es fehlte in der Militärliteratur allerdings auch nicht an Stimmen, die<lb/> sozusagen einer Abrüstung in Polen das Wort redeten aus der Vermutung heraus,<lb/> daß der altnationale Gegensatz zwischen Polen- und Russentum sich im Laufe der<lb/> Zeit allmählich abgeschwächt habe und die Russen deshalb nicht mehr wie früher starke<lb/> Truppenverbände in den Weichselprovinzen benötigten. Während des zum Teil recht<lb/> schwankenden Krieges mit den Osmanen 1877/78, während der militärischen<lb/> Notlage Rußlands im Kampfe gegen die Japaner 1904/05 und während großer<lb/> innerer Unruhen 1905/06 blieb das Polentum abgesehen von örtlichen Gärungen<lb/> ruhig. Dazu kamen strategische Vorschläge, die große unbewegliche Truppen-<lb/> anhäufungen in Polen für unsinnig erklärten, da sie vom Gegner leicht eingekreist<lb/> werden könnten, Vorschläge, die Weichselfestungen nicht weiter auszubauen, sondern<lb/> das Geld lieber zu Befestigungen an der Ostseeküste zu verwenden, wo eher eine<lb/> Offensive zu erwarten sei. Bei einer Defensive sollten die natürlichen Hilfsmittel</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0408]
Russisch-Polen als Kriegsschauplatz
Frieden wenig Verkehr aufweist), 5. Kiew—Kowel—Brest, 6. Kiew—Kasatin—
Kowel—Ljublin—Jwangorod (teilweise außerhalb des Festungsgürtels). Mehrere
Querbahnen setzen einzelne Stationen dieser Hauptlinien miteinander in Ver¬
bindung.
Außerhalb des Festungsbereiches sind die Bahnen viel weitmaschiger. Die
Nordwestfront hat, wie oben erwähnt, nur drei Linien an die Grenze mit
Fortsetzung auf deutschem Boden. Von Warschau aus führt auf dem linken
Weichselufer die Bahn über Kutno nach Thorn, eine zweite über Lodz nach
Kalisch und über Petrokow—Tschenstochow nach Lublinitz. Die Bahn von
Jwangorod über Kjelzy nach Oberschlesien wurde schon gestreift. Zweifellos
können diese Bahnen einer russischen Offensive sehr zu statten kommen. Daß die
russische Regierung diese Möglichkeit im Auge hatte, zeigt, daß die Bahnen
westlich der Weichsel 1912 verstaatlicht wurden. 1913 sollten alle die größere
russische Spurweite erhalten. Eine neue Linie auf dem rechten Weichselufer von
Nowogeorgiewsk über Plozk war vorgesehen und war zweifellos auf Thorn
gerichtet. Nach Galizien führn? auch nur wenige Bahnen, von denen die nach
Krakau und die Strecke Rowno—Brody—Lemberg die wichtigsten sind. Die
neue Bahn Chota—Tomaschow—Beizen mit Richtung auf Lemberg scheinen die
Russen, wenn sie bereits vollendet war, bei ihrem Vormarsch gegen Galizien
schon benutzt zu haben, bevor sie bei Samostje zurückgeworfen wurden.
Die Festungen, besonders die Werke von Nowogeorgiewsk und Brest-Litowsk
scheinen in den letzten Jahren sehr verbessert worden zu sein. Allerdings sind
Nachrichten darüber nur spärlich in der neuesten Literatur zu finden; denn bei
Ausbruch des Balkankrieges im Herbst 1912 hatte die russische Regierung die
Verbreitung aller Nachrichten über militärische Angelegenheiten untersagt und
seit dem 1. Januar 1914 sogar Veröffentlichungen in russischen Zeitungen über
Bahnbauten, Befestigungen usw. bei strengen Strafen verboten. Demnach ist
kein Zweifel, daß die Russen die militärische Rüstung Polens in letzter Zeit
intensiv gefördert haben.
Es fehlte in der Militärliteratur allerdings auch nicht an Stimmen, die
sozusagen einer Abrüstung in Polen das Wort redeten aus der Vermutung heraus,
daß der altnationale Gegensatz zwischen Polen- und Russentum sich im Laufe der
Zeit allmählich abgeschwächt habe und die Russen deshalb nicht mehr wie früher starke
Truppenverbände in den Weichselprovinzen benötigten. Während des zum Teil recht
schwankenden Krieges mit den Osmanen 1877/78, während der militärischen
Notlage Rußlands im Kampfe gegen die Japaner 1904/05 und während großer
innerer Unruhen 1905/06 blieb das Polentum abgesehen von örtlichen Gärungen
ruhig. Dazu kamen strategische Vorschläge, die große unbewegliche Truppen-
anhäufungen in Polen für unsinnig erklärten, da sie vom Gegner leicht eingekreist
werden könnten, Vorschläge, die Weichselfestungen nicht weiter auszubauen, sondern
das Geld lieber zu Befestigungen an der Ostseeküste zu verwenden, wo eher eine
Offensive zu erwarten sei. Bei einer Defensive sollten die natürlichen Hilfsmittel
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |