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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Der Krieg und soziale Religion

Das Recht der Überlegenheit ist ein natürliches, dem Ganzen und damit
auch den Schwächeren vorwiegend nützliches Recht. Nicht ob es, sondern wie
es ausgeübt wird, entscheidet. Man muß sich die Ausübung nur zutrauen.
Das hat noch immer Eindruck gemacht. Und muß sich "in vernünftigen und
ehrlichen Grenzen" (Bismarck) bewegen. Dann geht's.

Aus Verstocktheit und Verranntheit haben wir uns zusammengefunden.
Freiwillig folgten alle. Im Handumdrehen können wir heut den Grundstock
von Ehrenbürgern haben, der den persönlichen Werten ihr Recht gibt und dann
erst ihren politischen Anstrich in Rechnung zieht.




Mit 70 Jahren muß überhaupt jedem, der in solcher Zeit seinen Mann
gestellt hat, der Ehrenbürgerbrief werden. Andrerseits aber soll irgendeine
Altersbeschränkung fortfallen, die Auszeichnung beliebig früh erfolgen dürfen,
wenn es sich um hervorragendes Verdienst handelt. Der Spielraum ist weit,
aber von einem Senat wird er nicht vergeudet werden. Man wird im Grund¬
satz gesund konservativ und doch auch liberal in der Gebahrung sein. Wird
den Geist in der Gemeinde nicht ohne Gemeingeist pflegen.

Die Verschiedenheit in der Wirkung kommt zum Vorschein, sie ist die
Kraft, die sich immer wieder durchsetzt. Die Gemeinde wird größer, wo sie
dies am leichtesten tut.




"Der Deutsche, wenn man ihn gewähren läßt, besitzt großes Geschick und
Opferwilligkeit für die Selbstverwaltung; alle Versuche in dieser Richtung haben
sich bei uns regelmäßig bewährt." (Treitschke, Politik II, 517.)




Das Ansehen unsrer Parlamente wird ebenfalls gehoben; die Abgeordneten
fühlen sich wieder mehr als solche. Und dann erst als Parteiangehörige. Das
Maß der Dinge zu Haus, nicht der Radikalismus, hat das Wort. Die
Regierung wird die Sammlung sein.




Der Wettbewerb unter den Kreisen und Gemeinden sorgt gleichzeitig für
gute Behandlung des Besitzes, den man lokal zu würdigen weiß.




Der Krieg und soziale Religion

Das Recht der Überlegenheit ist ein natürliches, dem Ganzen und damit
auch den Schwächeren vorwiegend nützliches Recht. Nicht ob es, sondern wie
es ausgeübt wird, entscheidet. Man muß sich die Ausübung nur zutrauen.
Das hat noch immer Eindruck gemacht. Und muß sich „in vernünftigen und
ehrlichen Grenzen" (Bismarck) bewegen. Dann geht's.

Aus Verstocktheit und Verranntheit haben wir uns zusammengefunden.
Freiwillig folgten alle. Im Handumdrehen können wir heut den Grundstock
von Ehrenbürgern haben, der den persönlichen Werten ihr Recht gibt und dann
erst ihren politischen Anstrich in Rechnung zieht.




Mit 70 Jahren muß überhaupt jedem, der in solcher Zeit seinen Mann
gestellt hat, der Ehrenbürgerbrief werden. Andrerseits aber soll irgendeine
Altersbeschränkung fortfallen, die Auszeichnung beliebig früh erfolgen dürfen,
wenn es sich um hervorragendes Verdienst handelt. Der Spielraum ist weit,
aber von einem Senat wird er nicht vergeudet werden. Man wird im Grund¬
satz gesund konservativ und doch auch liberal in der Gebahrung sein. Wird
den Geist in der Gemeinde nicht ohne Gemeingeist pflegen.

Die Verschiedenheit in der Wirkung kommt zum Vorschein, sie ist die
Kraft, die sich immer wieder durchsetzt. Die Gemeinde wird größer, wo sie
dies am leichtesten tut.




„Der Deutsche, wenn man ihn gewähren läßt, besitzt großes Geschick und
Opferwilligkeit für die Selbstverwaltung; alle Versuche in dieser Richtung haben
sich bei uns regelmäßig bewährt." (Treitschke, Politik II, 517.)




Das Ansehen unsrer Parlamente wird ebenfalls gehoben; die Abgeordneten
fühlen sich wieder mehr als solche. Und dann erst als Parteiangehörige. Das
Maß der Dinge zu Haus, nicht der Radikalismus, hat das Wort. Die
Regierung wird die Sammlung sein.




Der Wettbewerb unter den Kreisen und Gemeinden sorgt gleichzeitig für
gute Behandlung des Besitzes, den man lokal zu würdigen weiß.




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[0393] Der Krieg und soziale Religion Das Recht der Überlegenheit ist ein natürliches, dem Ganzen und damit auch den Schwächeren vorwiegend nützliches Recht. Nicht ob es, sondern wie es ausgeübt wird, entscheidet. Man muß sich die Ausübung nur zutrauen. Das hat noch immer Eindruck gemacht. Und muß sich „in vernünftigen und ehrlichen Grenzen" (Bismarck) bewegen. Dann geht's. Aus Verstocktheit und Verranntheit haben wir uns zusammengefunden. Freiwillig folgten alle. Im Handumdrehen können wir heut den Grundstock von Ehrenbürgern haben, der den persönlichen Werten ihr Recht gibt und dann erst ihren politischen Anstrich in Rechnung zieht. Mit 70 Jahren muß überhaupt jedem, der in solcher Zeit seinen Mann gestellt hat, der Ehrenbürgerbrief werden. Andrerseits aber soll irgendeine Altersbeschränkung fortfallen, die Auszeichnung beliebig früh erfolgen dürfen, wenn es sich um hervorragendes Verdienst handelt. Der Spielraum ist weit, aber von einem Senat wird er nicht vergeudet werden. Man wird im Grund¬ satz gesund konservativ und doch auch liberal in der Gebahrung sein. Wird den Geist in der Gemeinde nicht ohne Gemeingeist pflegen. Die Verschiedenheit in der Wirkung kommt zum Vorschein, sie ist die Kraft, die sich immer wieder durchsetzt. Die Gemeinde wird größer, wo sie dies am leichtesten tut. „Der Deutsche, wenn man ihn gewähren läßt, besitzt großes Geschick und Opferwilligkeit für die Selbstverwaltung; alle Versuche in dieser Richtung haben sich bei uns regelmäßig bewährt." (Treitschke, Politik II, 517.) Das Ansehen unsrer Parlamente wird ebenfalls gehoben; die Abgeordneten fühlen sich wieder mehr als solche. Und dann erst als Parteiangehörige. Das Maß der Dinge zu Haus, nicht der Radikalismus, hat das Wort. Die Regierung wird die Sammlung sein. Der Wettbewerb unter den Kreisen und Gemeinden sorgt gleichzeitig für gute Behandlung des Besitzes, den man lokal zu würdigen weiß.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/393>, abgerufen am 01.09.2024.