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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Aus den Anfängen de" Großhsrzogtums Baden

von dem Ausschuß für Bundesangelegenheiten mit geringfügigen Änderungen
angenommen und am 22. August 1818 von Karl unterschrieben. Die Ver¬
fassungsurkunde, deren Vorbild die Charte Ludwig des Achtzehnter war, betonte
im einleitenden Abschnitt den monarchischen Grundsatz, das; alle Staatsgewalt
sich in der Person des Großherzogs vereinige, der sie unter den in der Ver¬
fassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen ausübe, erklärte das Großherzogtum
für unteilbar und unveräußerlich und verleibte das Hausgesetz von 1817 der
Verfassung ein. Die weiteren Abschnitte regelten in klarer und knapper Fassung
die staatsbürgerlichen und politischen Rechte der Badener, die Zusammensetzung
der Ständeversammlung und die Rechte und Pflichten der Ständeglieder, die
Wirksamkeit der Stände sowie die Eröffnung der ständischen Sitzungen und die
Formen der Beratungen. Am 1. Februar 1819 sollte der Landtag erstmals
zusammentreten. Karl erlebte dies nicht mehr, am 8. Dezember 1818 starb er
im Alter von zweiunddreißig Jahren. Sein Lebensabend wurde vergoldet
durch den Jubel, mit dem das badische Volk die Verfassung wie ein Allheil¬
mittel für die Leiden der Vergangenheit und Gegenwart begrüßte. Fand so
das Hausgesetz als Bestandteil der Verfassung den nötigen Rückhalt in der
Volksstimmung, so wurde der Bestand des Großherzogtums weiter dadurch ge¬
festigt, daß die Großmächte auf dem Aachener Kongreß das Thronfolgerecht
der Hochbergischen Linie anerkannten.

Politisch reif für die Verfassung war freilich die große Masse der Be¬
völkerung noch lange nicht, wie die Folgezeit hinreichend bewies. Oft genug
sollte die Landstube zum Tummelplatz eines ungeschichtlichen, sich an schönen
Schlagworten berauschenden Radikalismus werden. Gleichwohl war die Ver¬
fassung notwendig, um das künstliche Gebilde des neubadischen Staates mit
seinem geringen inneren Zusammenhalt fester zusammenzufügen. Neben der
Persönlichkeit Großherzogs Friedrich des Ersten hat auch nichts soviel zur Er¬
weckung eiues eigentlichen badischen Staatsgefühles beigetragen wie die gemein¬
same Arbeit der Vertreter der einzelnen Landesteile in der Ständeversammlung.

Die Verfassung war die letzte staatsschöpferische Tat des unumschränkten
Fürstentums und seiner Beamtenschaft. Die Weiterentwickelung des badischen
Staates in den folgenden Menschenaltern wurde vorwiegend bestimmt durch
den gemäßigten Liberalismus, der von den Ständekammern auch auf die
Staatsleitung übergriff und den Ausbau des Verfassungsstaates zum Rechts¬
staat vollendete.




Aus den Anfängen de» Großhsrzogtums Baden

von dem Ausschuß für Bundesangelegenheiten mit geringfügigen Änderungen
angenommen und am 22. August 1818 von Karl unterschrieben. Die Ver¬
fassungsurkunde, deren Vorbild die Charte Ludwig des Achtzehnter war, betonte
im einleitenden Abschnitt den monarchischen Grundsatz, das; alle Staatsgewalt
sich in der Person des Großherzogs vereinige, der sie unter den in der Ver¬
fassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen ausübe, erklärte das Großherzogtum
für unteilbar und unveräußerlich und verleibte das Hausgesetz von 1817 der
Verfassung ein. Die weiteren Abschnitte regelten in klarer und knapper Fassung
die staatsbürgerlichen und politischen Rechte der Badener, die Zusammensetzung
der Ständeversammlung und die Rechte und Pflichten der Ständeglieder, die
Wirksamkeit der Stände sowie die Eröffnung der ständischen Sitzungen und die
Formen der Beratungen. Am 1. Februar 1819 sollte der Landtag erstmals
zusammentreten. Karl erlebte dies nicht mehr, am 8. Dezember 1818 starb er
im Alter von zweiunddreißig Jahren. Sein Lebensabend wurde vergoldet
durch den Jubel, mit dem das badische Volk die Verfassung wie ein Allheil¬
mittel für die Leiden der Vergangenheit und Gegenwart begrüßte. Fand so
das Hausgesetz als Bestandteil der Verfassung den nötigen Rückhalt in der
Volksstimmung, so wurde der Bestand des Großherzogtums weiter dadurch ge¬
festigt, daß die Großmächte auf dem Aachener Kongreß das Thronfolgerecht
der Hochbergischen Linie anerkannten.

Politisch reif für die Verfassung war freilich die große Masse der Be¬
völkerung noch lange nicht, wie die Folgezeit hinreichend bewies. Oft genug
sollte die Landstube zum Tummelplatz eines ungeschichtlichen, sich an schönen
Schlagworten berauschenden Radikalismus werden. Gleichwohl war die Ver¬
fassung notwendig, um das künstliche Gebilde des neubadischen Staates mit
seinem geringen inneren Zusammenhalt fester zusammenzufügen. Neben der
Persönlichkeit Großherzogs Friedrich des Ersten hat auch nichts soviel zur Er¬
weckung eiues eigentlichen badischen Staatsgefühles beigetragen wie die gemein¬
same Arbeit der Vertreter der einzelnen Landesteile in der Ständeversammlung.

Die Verfassung war die letzte staatsschöpferische Tat des unumschränkten
Fürstentums und seiner Beamtenschaft. Die Weiterentwickelung des badischen
Staates in den folgenden Menschenaltern wurde vorwiegend bestimmt durch
den gemäßigten Liberalismus, der von den Ständekammern auch auf die
Staatsleitung übergriff und den Ausbau des Verfassungsstaates zum Rechts¬
staat vollendete.




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[0380] Aus den Anfängen de» Großhsrzogtums Baden von dem Ausschuß für Bundesangelegenheiten mit geringfügigen Änderungen angenommen und am 22. August 1818 von Karl unterschrieben. Die Ver¬ fassungsurkunde, deren Vorbild die Charte Ludwig des Achtzehnter war, betonte im einleitenden Abschnitt den monarchischen Grundsatz, das; alle Staatsgewalt sich in der Person des Großherzogs vereinige, der sie unter den in der Ver¬ fassungsurkunde festgesetzten Bestimmungen ausübe, erklärte das Großherzogtum für unteilbar und unveräußerlich und verleibte das Hausgesetz von 1817 der Verfassung ein. Die weiteren Abschnitte regelten in klarer und knapper Fassung die staatsbürgerlichen und politischen Rechte der Badener, die Zusammensetzung der Ständeversammlung und die Rechte und Pflichten der Ständeglieder, die Wirksamkeit der Stände sowie die Eröffnung der ständischen Sitzungen und die Formen der Beratungen. Am 1. Februar 1819 sollte der Landtag erstmals zusammentreten. Karl erlebte dies nicht mehr, am 8. Dezember 1818 starb er im Alter von zweiunddreißig Jahren. Sein Lebensabend wurde vergoldet durch den Jubel, mit dem das badische Volk die Verfassung wie ein Allheil¬ mittel für die Leiden der Vergangenheit und Gegenwart begrüßte. Fand so das Hausgesetz als Bestandteil der Verfassung den nötigen Rückhalt in der Volksstimmung, so wurde der Bestand des Großherzogtums weiter dadurch ge¬ festigt, daß die Großmächte auf dem Aachener Kongreß das Thronfolgerecht der Hochbergischen Linie anerkannten. Politisch reif für die Verfassung war freilich die große Masse der Be¬ völkerung noch lange nicht, wie die Folgezeit hinreichend bewies. Oft genug sollte die Landstube zum Tummelplatz eines ungeschichtlichen, sich an schönen Schlagworten berauschenden Radikalismus werden. Gleichwohl war die Ver¬ fassung notwendig, um das künstliche Gebilde des neubadischen Staates mit seinem geringen inneren Zusammenhalt fester zusammenzufügen. Neben der Persönlichkeit Großherzogs Friedrich des Ersten hat auch nichts soviel zur Er¬ weckung eiues eigentlichen badischen Staatsgefühles beigetragen wie die gemein¬ same Arbeit der Vertreter der einzelnen Landesteile in der Ständeversammlung. Die Verfassung war die letzte staatsschöpferische Tat des unumschränkten Fürstentums und seiner Beamtenschaft. Die Weiterentwickelung des badischen Staates in den folgenden Menschenaltern wurde vorwiegend bestimmt durch den gemäßigten Liberalismus, der von den Ständekammern auch auf die Staatsleitung übergriff und den Ausbau des Verfassungsstaates zum Rechts¬ staat vollendete.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/380>, abgerufen am 27.07.2024.