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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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I^a Zranäe Nation

bestätigt wurden. Ein solches Buch veröffentlichte damals Adam Pfaff in Kassel,
ein trefflicher Patriot, der Freund Friedrich Otters, mit welchem er die Hessische
Morgenzeitung redigierte. Geradezu herzerfrischend wirkte das Buch, dessen erste
Lieferung unmittelbar nach der Einbringung des kriegsgefangenen französischen
Kaisers erschien. Den Titel des Buches gibt die Überschrift dieser Zeilen wieder*).
Es ist vortrefflich geeignet, eine Parallele zu ziehen zwischen der französischen
Presse von heute und von 1870, zugleich aber auch darüber aufzuklären, was
bislang in jener Presse geschah und in nächster Zukunft von ihr zu erwarten
ist. Der moralische Tiefstand des Volkes kommt darin zum Ausdruck.

Nur an ein paar Einzelheiten, die das Buch enthält, sei hier erinnert.

Um die verlangten Kredite für den Krieg gegen Preußen durchzusetzen
erklärte bekanntlich die vom Minister Olimer in der Sitzung des gesetzgebenden
Körpers vom 15. Juli 1870 laut amtlichen Protokolls verlesene Begründung
des Ministerrath, der König von Preußen habe sich geweigert, den französischen
Gesandten zu empfangen, und die preußische Regierung habe dies amt¬
lich mitgeteilt. Die hier unterstrichenen Worte enthielten eine Unwahrheit.
Oliviers Kollege, der Herzog von Gramont, verschärfte die Unwahrheit in
derselben Sitzung, der die Kriegserklärung Frankreichs bereits vorangegangen
war, durch die weitere Erklärung: "Hätten wir länger gewartet, so hätten wir
damit Preußen Zeit gewährt, seine Rüstungen zu vervollständigen, überdies
genügt das eine Faktum: die preußische Regierung hat alle Kabinette davon
benachrichtigt, daß sie unseren Gesandten zu empfangen ablehnte, als man noch
unterhandelte. Wenn die Kammer diese Beleidigung ertragen könnte, würde
ich nicht fünf Minuten lang Minister bleiben." Als die nun bald gefolgten
deutschen Siege zum Sturz dieser Minister führten, ließen die neuen Minister
am 9. August im offiziellen Wochenbulletin des soir weise verkünden:

"Es treten im Leben der Völker entscheidende feierliche Stunden ein,
wo Gott ihnen Gelegenheit gibt zu zeigen, was sie sind und was sie ver¬
mögen."

Was sie sind, die Franzosen? Minderwertig gegenüber deutschen Kriegern
und ihren Leitern!

Was sie vermögen? Nichts als Niederlage auf Niederlage einzuernten,
aber abzuleugnen, bis sie zu Hunderttausenden in deutscher Kriegsgefangenschaft
sitzen, um nun in niedrigster Gesinnung den eigenen Heerführern Verrat vor¬
zuwerfen !



*) Beim Verlage der I^a Zrsncte nation sind Exemplare nicht mehr vorrätig. Ein
billiger Neudruck, namentlich der ersten Lieferung, würde sich gewiß lohnen, damit eine Anzahl
Exemplare unsern tapfern Truppen dargebracht werden könnte. Die Freude, die sie daran
haben müßten, würde jetzt doppelt so groß sein, als die der Leser von 1871. Wer von
damaliger Zeit her Besitzer des Buches ist, nimmt vielleicht Anlaß, sein Exemplar einer der
Sammelstellen von Lesestoff für die Krieger zu stiften; er kann sicher sein, daß er damit
manchem eine freudige Stunde bereitet.
I^a Zranäe Nation

bestätigt wurden. Ein solches Buch veröffentlichte damals Adam Pfaff in Kassel,
ein trefflicher Patriot, der Freund Friedrich Otters, mit welchem er die Hessische
Morgenzeitung redigierte. Geradezu herzerfrischend wirkte das Buch, dessen erste
Lieferung unmittelbar nach der Einbringung des kriegsgefangenen französischen
Kaisers erschien. Den Titel des Buches gibt die Überschrift dieser Zeilen wieder*).
Es ist vortrefflich geeignet, eine Parallele zu ziehen zwischen der französischen
Presse von heute und von 1870, zugleich aber auch darüber aufzuklären, was
bislang in jener Presse geschah und in nächster Zukunft von ihr zu erwarten
ist. Der moralische Tiefstand des Volkes kommt darin zum Ausdruck.

Nur an ein paar Einzelheiten, die das Buch enthält, sei hier erinnert.

Um die verlangten Kredite für den Krieg gegen Preußen durchzusetzen
erklärte bekanntlich die vom Minister Olimer in der Sitzung des gesetzgebenden
Körpers vom 15. Juli 1870 laut amtlichen Protokolls verlesene Begründung
des Ministerrath, der König von Preußen habe sich geweigert, den französischen
Gesandten zu empfangen, und die preußische Regierung habe dies amt¬
lich mitgeteilt. Die hier unterstrichenen Worte enthielten eine Unwahrheit.
Oliviers Kollege, der Herzog von Gramont, verschärfte die Unwahrheit in
derselben Sitzung, der die Kriegserklärung Frankreichs bereits vorangegangen
war, durch die weitere Erklärung: „Hätten wir länger gewartet, so hätten wir
damit Preußen Zeit gewährt, seine Rüstungen zu vervollständigen, überdies
genügt das eine Faktum: die preußische Regierung hat alle Kabinette davon
benachrichtigt, daß sie unseren Gesandten zu empfangen ablehnte, als man noch
unterhandelte. Wenn die Kammer diese Beleidigung ertragen könnte, würde
ich nicht fünf Minuten lang Minister bleiben." Als die nun bald gefolgten
deutschen Siege zum Sturz dieser Minister führten, ließen die neuen Minister
am 9. August im offiziellen Wochenbulletin des soir weise verkünden:

„Es treten im Leben der Völker entscheidende feierliche Stunden ein,
wo Gott ihnen Gelegenheit gibt zu zeigen, was sie sind und was sie ver¬
mögen."

Was sie sind, die Franzosen? Minderwertig gegenüber deutschen Kriegern
und ihren Leitern!

Was sie vermögen? Nichts als Niederlage auf Niederlage einzuernten,
aber abzuleugnen, bis sie zu Hunderttausenden in deutscher Kriegsgefangenschaft
sitzen, um nun in niedrigster Gesinnung den eigenen Heerführern Verrat vor¬
zuwerfen !



*) Beim Verlage der I^a Zrsncte nation sind Exemplare nicht mehr vorrätig. Ein
billiger Neudruck, namentlich der ersten Lieferung, würde sich gewiß lohnen, damit eine Anzahl
Exemplare unsern tapfern Truppen dargebracht werden könnte. Die Freude, die sie daran
haben müßten, würde jetzt doppelt so groß sein, als die der Leser von 1871. Wer von
damaliger Zeit her Besitzer des Buches ist, nimmt vielleicht Anlaß, sein Exemplar einer der
Sammelstellen von Lesestoff für die Krieger zu stiften; er kann sicher sein, daß er damit
manchem eine freudige Stunde bereitet.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/367>, abgerufen am 01.09.2024.