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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Englische Politik

Weiter sind China und Japan aufs neue grimmige Gegner geworden. Und
möglicherweise hat man durch diese Ablenkung Japans auf China Australien
wie den Vereinigten Staaten den Alpdruck der japanischen Invasion, für längere
Zeit wenigstens, genommen. In welcher Form sich Nordamerika, trifft die
vorgetragene Auffassung der Rolle'Japans zu, erkenntlich erzeigen wird, werden
wir noch sehen. Wie sehr England die gekennzeichnete Methode den Gegner zu ver¬
leumden, und zwar systematisch schon in Friedenszei'.en, gemäß den modernen Hilfs¬
mitteln vervollkommnet hat, ist uns nur zu bekannt und nur zu fühlbar geworden.
Es hat eben schon stets seine Weltstellung in großartiger Weise dazu benützt, in
seinen Händen den Nachrichtendienst zu monopolisieren. Der Nutzen, den es
davon zog, ist nicht abzuschätzen und auch in diesem Kriege wird der Vorteil kein
geringer sein. So erscheint England in jeder Richtung gerüstet und ein furcht¬
barer Gegner. Und doch ist es das alternde England, das gegen uns das
Schwert gezogen hat. Jeder deutsche Soldat, jeder deutsche Matrose kämpft
nicht nur für sich, sondern auch für die Seinigen, für Haus und Hof und damit
auch wieder für die Gesamtheit des Deutschtums, seiner Kultur und seiner
Existenz. Das weiß jeder, das gibt ihm den gewaltigen idealen Schwung, den
wir alle Tage jetzt erleben dürfen. Wie vor hundert Jahren kämpfen für Englands
Ehre und Macht Söldner, die man im Grunde des Herzens verachtet. Vergebens
hat Kitchener sich für die Einführung der allgemeinen Dienstpflicht eingesetzt,
da er die furchtbare Gefahr in der England durch sein System von gewordenen
Armeen schwebt, wohl übersah. Seine Forderung wurde, so oft er sie erhob,
von der öffentlichen Meinung Englands abgelehnt. Und mit Recht. Ein
England der allgemeinen Dienstpflicht wäre nicht mehr das alte freie England
fast uneingeschränkter Bewegungsfreiheit des einzelnen, worauf der Geist, der in
seinem Staatsgebilde lebt, im wesentlichen ruht. Dieser müßte eine vollkommene
Umbildung erfahren, ehe eine solche Forderung Erfüllung finden könnte. Der
Engländer ist noch heute an einem Krieg wie an einem Geschäft mit seinem
Geld beteiligt. "Für ihn ist," wie es in einer preisgekrönten Arbeit eines
englischen Seeoffiziers heißt, "ein Krieg das Ergebnis von Handelsstreitigkeiten,
seine Ziele, den Gegner diejenigen Handelsbedingungen durch unser Schwert auf-
zuzwingen, welche wir als notwendig erachten zum Vorteil unseres Handels."
Daher auch die gekennzeichnete Skrupellosigkeit in den Kampfmitteln. Aber
gerade deswegen fehlt England heute das wichtigste: die Möglichkeit, den Gegner
moralisch zu überwinden. Mit Recht durfte der Reichskanzler von Bethmann
Hollweg von Deutschland sagen: "Es sind tiefe, sittliche Kräfte, die alles vor¬
wärts treiben. Ein Volk aber, das sich im Vollbesitze seiner moralischen Kraft
wie ein Mann erhoben hat, und so Bewundernswertes zu leisten vermag, das
kann nicht unter die Räder kommen und das kommt nicht unter die Räder!"




Englische Politik

Weiter sind China und Japan aufs neue grimmige Gegner geworden. Und
möglicherweise hat man durch diese Ablenkung Japans auf China Australien
wie den Vereinigten Staaten den Alpdruck der japanischen Invasion, für längere
Zeit wenigstens, genommen. In welcher Form sich Nordamerika, trifft die
vorgetragene Auffassung der Rolle'Japans zu, erkenntlich erzeigen wird, werden
wir noch sehen. Wie sehr England die gekennzeichnete Methode den Gegner zu ver¬
leumden, und zwar systematisch schon in Friedenszei'.en, gemäß den modernen Hilfs¬
mitteln vervollkommnet hat, ist uns nur zu bekannt und nur zu fühlbar geworden.
Es hat eben schon stets seine Weltstellung in großartiger Weise dazu benützt, in
seinen Händen den Nachrichtendienst zu monopolisieren. Der Nutzen, den es
davon zog, ist nicht abzuschätzen und auch in diesem Kriege wird der Vorteil kein
geringer sein. So erscheint England in jeder Richtung gerüstet und ein furcht¬
barer Gegner. Und doch ist es das alternde England, das gegen uns das
Schwert gezogen hat. Jeder deutsche Soldat, jeder deutsche Matrose kämpft
nicht nur für sich, sondern auch für die Seinigen, für Haus und Hof und damit
auch wieder für die Gesamtheit des Deutschtums, seiner Kultur und seiner
Existenz. Das weiß jeder, das gibt ihm den gewaltigen idealen Schwung, den
wir alle Tage jetzt erleben dürfen. Wie vor hundert Jahren kämpfen für Englands
Ehre und Macht Söldner, die man im Grunde des Herzens verachtet. Vergebens
hat Kitchener sich für die Einführung der allgemeinen Dienstpflicht eingesetzt,
da er die furchtbare Gefahr in der England durch sein System von gewordenen
Armeen schwebt, wohl übersah. Seine Forderung wurde, so oft er sie erhob,
von der öffentlichen Meinung Englands abgelehnt. Und mit Recht. Ein
England der allgemeinen Dienstpflicht wäre nicht mehr das alte freie England
fast uneingeschränkter Bewegungsfreiheit des einzelnen, worauf der Geist, der in
seinem Staatsgebilde lebt, im wesentlichen ruht. Dieser müßte eine vollkommene
Umbildung erfahren, ehe eine solche Forderung Erfüllung finden könnte. Der
Engländer ist noch heute an einem Krieg wie an einem Geschäft mit seinem
Geld beteiligt. „Für ihn ist," wie es in einer preisgekrönten Arbeit eines
englischen Seeoffiziers heißt, „ein Krieg das Ergebnis von Handelsstreitigkeiten,
seine Ziele, den Gegner diejenigen Handelsbedingungen durch unser Schwert auf-
zuzwingen, welche wir als notwendig erachten zum Vorteil unseres Handels."
Daher auch die gekennzeichnete Skrupellosigkeit in den Kampfmitteln. Aber
gerade deswegen fehlt England heute das wichtigste: die Möglichkeit, den Gegner
moralisch zu überwinden. Mit Recht durfte der Reichskanzler von Bethmann
Hollweg von Deutschland sagen: „Es sind tiefe, sittliche Kräfte, die alles vor¬
wärts treiben. Ein Volk aber, das sich im Vollbesitze seiner moralischen Kraft
wie ein Mann erhoben hat, und so Bewundernswertes zu leisten vermag, das
kann nicht unter die Räder kommen und das kommt nicht unter die Räder!"




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[0365] Englische Politik Weiter sind China und Japan aufs neue grimmige Gegner geworden. Und möglicherweise hat man durch diese Ablenkung Japans auf China Australien wie den Vereinigten Staaten den Alpdruck der japanischen Invasion, für längere Zeit wenigstens, genommen. In welcher Form sich Nordamerika, trifft die vorgetragene Auffassung der Rolle'Japans zu, erkenntlich erzeigen wird, werden wir noch sehen. Wie sehr England die gekennzeichnete Methode den Gegner zu ver¬ leumden, und zwar systematisch schon in Friedenszei'.en, gemäß den modernen Hilfs¬ mitteln vervollkommnet hat, ist uns nur zu bekannt und nur zu fühlbar geworden. Es hat eben schon stets seine Weltstellung in großartiger Weise dazu benützt, in seinen Händen den Nachrichtendienst zu monopolisieren. Der Nutzen, den es davon zog, ist nicht abzuschätzen und auch in diesem Kriege wird der Vorteil kein geringer sein. So erscheint England in jeder Richtung gerüstet und ein furcht¬ barer Gegner. Und doch ist es das alternde England, das gegen uns das Schwert gezogen hat. Jeder deutsche Soldat, jeder deutsche Matrose kämpft nicht nur für sich, sondern auch für die Seinigen, für Haus und Hof und damit auch wieder für die Gesamtheit des Deutschtums, seiner Kultur und seiner Existenz. Das weiß jeder, das gibt ihm den gewaltigen idealen Schwung, den wir alle Tage jetzt erleben dürfen. Wie vor hundert Jahren kämpfen für Englands Ehre und Macht Söldner, die man im Grunde des Herzens verachtet. Vergebens hat Kitchener sich für die Einführung der allgemeinen Dienstpflicht eingesetzt, da er die furchtbare Gefahr in der England durch sein System von gewordenen Armeen schwebt, wohl übersah. Seine Forderung wurde, so oft er sie erhob, von der öffentlichen Meinung Englands abgelehnt. Und mit Recht. Ein England der allgemeinen Dienstpflicht wäre nicht mehr das alte freie England fast uneingeschränkter Bewegungsfreiheit des einzelnen, worauf der Geist, der in seinem Staatsgebilde lebt, im wesentlichen ruht. Dieser müßte eine vollkommene Umbildung erfahren, ehe eine solche Forderung Erfüllung finden könnte. Der Engländer ist noch heute an einem Krieg wie an einem Geschäft mit seinem Geld beteiligt. „Für ihn ist," wie es in einer preisgekrönten Arbeit eines englischen Seeoffiziers heißt, „ein Krieg das Ergebnis von Handelsstreitigkeiten, seine Ziele, den Gegner diejenigen Handelsbedingungen durch unser Schwert auf- zuzwingen, welche wir als notwendig erachten zum Vorteil unseres Handels." Daher auch die gekennzeichnete Skrupellosigkeit in den Kampfmitteln. Aber gerade deswegen fehlt England heute das wichtigste: die Möglichkeit, den Gegner moralisch zu überwinden. Mit Recht durfte der Reichskanzler von Bethmann Hollweg von Deutschland sagen: „Es sind tiefe, sittliche Kräfte, die alles vor¬ wärts treiben. Ein Volk aber, das sich im Vollbesitze seiner moralischen Kraft wie ein Mann erhoben hat, und so Bewundernswertes zu leisten vermag, das kann nicht unter die Räder kommen und das kommt nicht unter die Räder!"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/365>, abgerufen am 01.09.2024.