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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Gsterroich-Ungarn -- Runiünie" Rußland

Rumänen sollen auf Gott vertrauen und gegenüber unkontrollierbaren Gerüchten
allein auf ihr patriotisches Gewissen hören und alle üblen Versuchungen von
sich weisen. Der greise Herrscher und das Vaterland sollen sich überzeugen von
der Treue und Opferwilligkeit der unter dein Szepter der habsbilrgischen Monarchie
lebenden Rumänen. Die rumänischen Jünglinge rücken von überall her mit
Begeisterung unter die Fahnen unserer Wehrmacht, um ihr Blut auf dem
Schlachtfeld für das Vaterland zu vergießen, und die zu Hause Gebliebenen
begleiten sie in Gedanken mit dem Wunsch in den Kampf, daß sie sieggekrönt
zurückkehren mögen." Ein anderer rumänischer Abgeordneter des ungarischen
Reichstags, l)r. von Baida-Voevod, aber hat in dem Bukarester radikal-rumänischen
Adeverul auch das Verhältnis des gesamten Rumänentums zu Rußland mit
großem Freimut besprochen; seine Worte gewinnen durch die Stelle, an der
sie veröffentlicht wurden -- das Blatt war noch bis vor kurzem in Ungarn
verboten -- hervorragende Bedeutung. Er sagt: "Die siebenbürger Rumänen
haben gegen die Übergriffe der Magyaren gekämpft, aber ihre Liebe zur Dynastie
und zum Vaterland kann dadurch nicht beeinflußt werden; sie waren immer
dafür, daß das Königreich Rumänien auf der Seite des Dreibundes stehen und
kämpfen muß. Die Siebeuvürger Rumänen wissen sehr gut, welche Gefahr das
ganze Rumänentum und die gesamte Kultur bedroht, wenn Rußland aus den:
Krieg siegreich hervorgeht. Wir wollen keine Vasallen Rußlands sein, Angesichts
der von Rußland drohenden Gefahr sind die Streitigkeiten der Rumänen mit
den Magyaren nichts weiter als ein Familienzwist. Wir hoffen, daß Rumänien
bald aus seiner jetzigen Zurückhaltung heraustreten und sich an die Seite der
Monarchie stellen oder daß es wenigstens eine freundliche Neutralität einnehmen
wird. Denn es wäre sehr tragisch, wenn die siebenbürger Rumänen und das
Königreich Rumänien im entscheidenden Augenblick in verschiedenen Lagern
stehen würden. Wenn die Hälfte aller Rumänen für die Monarchie kämpfen
würde, wäre es nicht zulässig, daß das rumänische Königreich gleichgültig bleiben
oder an der Seite Rußlands gegen die Monarchie und folglich auch gegen uns
kämpfte. Ich will Rumänien keine Ratschläge geben, will auch keine Prophe¬
zeiungen machen, aber ich glaube, daß es im Interesse des Rumänentums liegt,
die Rumänen Bessarabiens zu retten, die sonst verloren sind. Die siebenbürger
Rumänen sind stark genug, um ihre Eigenart auch innerhalb der österreichisch¬
ungarischen Monarchie aufrecht zu erhalten. Die in Rumänien verbreitete
Ansicht, daß ein Sieg Frankreichs ein Sieg der Demokratie sein wird, ist falsch;
denn wenn Frankreich und Nußland siegen, werden die Moskowiter die französische
und die ganze europäische Demokratie ersticken. Auf Grund dieser Ansichten
und im Hinweis auf das Beispiel des Jahres 1878 (im russisch-türkischen
Krieg, wo Rußland die Hilfe Rumäniens gar schlecht bezahlte!) habe ich
die Hoffnung, daß in Rumänien das gesunde Urteil zum Durchbruch kommen
und daß Rumänien für die Interessen des gesamten Rumänentums ein¬
treten wird."


Gsterroich-Ungarn — Runiünie» Rußland

Rumänen sollen auf Gott vertrauen und gegenüber unkontrollierbaren Gerüchten
allein auf ihr patriotisches Gewissen hören und alle üblen Versuchungen von
sich weisen. Der greise Herrscher und das Vaterland sollen sich überzeugen von
der Treue und Opferwilligkeit der unter dein Szepter der habsbilrgischen Monarchie
lebenden Rumänen. Die rumänischen Jünglinge rücken von überall her mit
Begeisterung unter die Fahnen unserer Wehrmacht, um ihr Blut auf dem
Schlachtfeld für das Vaterland zu vergießen, und die zu Hause Gebliebenen
begleiten sie in Gedanken mit dem Wunsch in den Kampf, daß sie sieggekrönt
zurückkehren mögen." Ein anderer rumänischer Abgeordneter des ungarischen
Reichstags, l)r. von Baida-Voevod, aber hat in dem Bukarester radikal-rumänischen
Adeverul auch das Verhältnis des gesamten Rumänentums zu Rußland mit
großem Freimut besprochen; seine Worte gewinnen durch die Stelle, an der
sie veröffentlicht wurden — das Blatt war noch bis vor kurzem in Ungarn
verboten — hervorragende Bedeutung. Er sagt: „Die siebenbürger Rumänen
haben gegen die Übergriffe der Magyaren gekämpft, aber ihre Liebe zur Dynastie
und zum Vaterland kann dadurch nicht beeinflußt werden; sie waren immer
dafür, daß das Königreich Rumänien auf der Seite des Dreibundes stehen und
kämpfen muß. Die Siebeuvürger Rumänen wissen sehr gut, welche Gefahr das
ganze Rumänentum und die gesamte Kultur bedroht, wenn Rußland aus den:
Krieg siegreich hervorgeht. Wir wollen keine Vasallen Rußlands sein, Angesichts
der von Rußland drohenden Gefahr sind die Streitigkeiten der Rumänen mit
den Magyaren nichts weiter als ein Familienzwist. Wir hoffen, daß Rumänien
bald aus seiner jetzigen Zurückhaltung heraustreten und sich an die Seite der
Monarchie stellen oder daß es wenigstens eine freundliche Neutralität einnehmen
wird. Denn es wäre sehr tragisch, wenn die siebenbürger Rumänen und das
Königreich Rumänien im entscheidenden Augenblick in verschiedenen Lagern
stehen würden. Wenn die Hälfte aller Rumänen für die Monarchie kämpfen
würde, wäre es nicht zulässig, daß das rumänische Königreich gleichgültig bleiben
oder an der Seite Rußlands gegen die Monarchie und folglich auch gegen uns
kämpfte. Ich will Rumänien keine Ratschläge geben, will auch keine Prophe¬
zeiungen machen, aber ich glaube, daß es im Interesse des Rumänentums liegt,
die Rumänen Bessarabiens zu retten, die sonst verloren sind. Die siebenbürger
Rumänen sind stark genug, um ihre Eigenart auch innerhalb der österreichisch¬
ungarischen Monarchie aufrecht zu erhalten. Die in Rumänien verbreitete
Ansicht, daß ein Sieg Frankreichs ein Sieg der Demokratie sein wird, ist falsch;
denn wenn Frankreich und Nußland siegen, werden die Moskowiter die französische
und die ganze europäische Demokratie ersticken. Auf Grund dieser Ansichten
und im Hinweis auf das Beispiel des Jahres 1878 (im russisch-türkischen
Krieg, wo Rußland die Hilfe Rumäniens gar schlecht bezahlte!) habe ich
die Hoffnung, daß in Rumänien das gesunde Urteil zum Durchbruch kommen
und daß Rumänien für die Interessen des gesamten Rumänentums ein¬
treten wird."


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[0333] Gsterroich-Ungarn — Runiünie» Rußland Rumänen sollen auf Gott vertrauen und gegenüber unkontrollierbaren Gerüchten allein auf ihr patriotisches Gewissen hören und alle üblen Versuchungen von sich weisen. Der greise Herrscher und das Vaterland sollen sich überzeugen von der Treue und Opferwilligkeit der unter dein Szepter der habsbilrgischen Monarchie lebenden Rumänen. Die rumänischen Jünglinge rücken von überall her mit Begeisterung unter die Fahnen unserer Wehrmacht, um ihr Blut auf dem Schlachtfeld für das Vaterland zu vergießen, und die zu Hause Gebliebenen begleiten sie in Gedanken mit dem Wunsch in den Kampf, daß sie sieggekrönt zurückkehren mögen." Ein anderer rumänischer Abgeordneter des ungarischen Reichstags, l)r. von Baida-Voevod, aber hat in dem Bukarester radikal-rumänischen Adeverul auch das Verhältnis des gesamten Rumänentums zu Rußland mit großem Freimut besprochen; seine Worte gewinnen durch die Stelle, an der sie veröffentlicht wurden — das Blatt war noch bis vor kurzem in Ungarn verboten — hervorragende Bedeutung. Er sagt: „Die siebenbürger Rumänen haben gegen die Übergriffe der Magyaren gekämpft, aber ihre Liebe zur Dynastie und zum Vaterland kann dadurch nicht beeinflußt werden; sie waren immer dafür, daß das Königreich Rumänien auf der Seite des Dreibundes stehen und kämpfen muß. Die Siebeuvürger Rumänen wissen sehr gut, welche Gefahr das ganze Rumänentum und die gesamte Kultur bedroht, wenn Rußland aus den: Krieg siegreich hervorgeht. Wir wollen keine Vasallen Rußlands sein, Angesichts der von Rußland drohenden Gefahr sind die Streitigkeiten der Rumänen mit den Magyaren nichts weiter als ein Familienzwist. Wir hoffen, daß Rumänien bald aus seiner jetzigen Zurückhaltung heraustreten und sich an die Seite der Monarchie stellen oder daß es wenigstens eine freundliche Neutralität einnehmen wird. Denn es wäre sehr tragisch, wenn die siebenbürger Rumänen und das Königreich Rumänien im entscheidenden Augenblick in verschiedenen Lagern stehen würden. Wenn die Hälfte aller Rumänen für die Monarchie kämpfen würde, wäre es nicht zulässig, daß das rumänische Königreich gleichgültig bleiben oder an der Seite Rußlands gegen die Monarchie und folglich auch gegen uns kämpfte. Ich will Rumänien keine Ratschläge geben, will auch keine Prophe¬ zeiungen machen, aber ich glaube, daß es im Interesse des Rumänentums liegt, die Rumänen Bessarabiens zu retten, die sonst verloren sind. Die siebenbürger Rumänen sind stark genug, um ihre Eigenart auch innerhalb der österreichisch¬ ungarischen Monarchie aufrecht zu erhalten. Die in Rumänien verbreitete Ansicht, daß ein Sieg Frankreichs ein Sieg der Demokratie sein wird, ist falsch; denn wenn Frankreich und Nußland siegen, werden die Moskowiter die französische und die ganze europäische Demokratie ersticken. Auf Grund dieser Ansichten und im Hinweis auf das Beispiel des Jahres 1878 (im russisch-türkischen Krieg, wo Rußland die Hilfe Rumäniens gar schlecht bezahlte!) habe ich die Hoffnung, daß in Rumänien das gesunde Urteil zum Durchbruch kommen und daß Rumänien für die Interessen des gesamten Rumänentums ein¬ treten wird."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/333>, abgerufen am 01.09.2024.