Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Schlacht bei Zorndorf
"Exzellenz, ich soll Allerhöchstdemselben -- ?"
"Jawohl, das soll'n Sie dem König melden."
Er sagt es scharf, grüßt leicht mit der Hand
Und bläst von den stülpen die Körnchen Sand.
Ob drüben die besten Truppen schwanken,
Und der König in Verzweiflungsgedanken
Die Fliehenden sammelt und vorwärts sührt,
Des Seydlitz Sinn wird durch nichts berührt.
Er späht wie der Habicht von seinem Sitz;
Er wahrt wie ein Gott in den Händen den Blitz
Und hält nur mit seinem Feldherrngenie
Kurze Zwiesprach über das Wann und Wie.
Und wieder naht Oppen auf gestreckten Vieren:
"Im Namen des Königs! Attackieren!" --
"Ich sagte schon: noch ist es nicht Zeit --"
Im Zorn des Königs Günstling schreit:
"Gehorsam befiehlt Seine Majestät,
Andernfalls, Exzellenz. Ihr Kopf drauf steht." --
"Noch sitzt er fest, und ich will ihn gebrauchen;
Nachher, wenn's sein muß, kann er sonstwo rauchen."
Das Gesicht noch fahler um einen Schein,
starrt er unbewegt in die Hölle hinein.
Er sieht, wie die letzte Kraft sich wehrt,
Übers Mordfeld ein neuer Reitersturm fährt,
Und harrt, bis der erste Ansturm gebrochen;
Dann schießt ihm ein Glutstrom durch Brust und Knochen:
"Fanfaro! Trompeter: Marsch, marsch, geschmettert!"
Sein Pallasch blinkt, und die Erde wettert.
Die Erde bebt wie beim jüngsten Gericht,
Wenn die Flut durch Dünen und Dämme bricht.
Von sechstausend Reitern der Wogenschwall
Verschlingt wie Wimmern der Trompeten Schall.
Zur Mauer gedrängt, eng Knie an Knie,
Bei Gott! so ritten die Hüner noch nie,
So raste der Stahl gleich Zornesbränden
Noch nie in ihren Cyklopenhänden.
Ein Schlachten nur war's noch und keine Schlacht.
Das Würgen währte bis tief in die Nacht,
Bis im krampfmüden Arm die Klinge versagte
Und kein Feind auf dem Plan zu trotzen wagte.

Die Schlacht bei Zorndorf
„Exzellenz, ich soll Allerhöchstdemselben — ?"
„Jawohl, das soll'n Sie dem König melden."
Er sagt es scharf, grüßt leicht mit der Hand
Und bläst von den stülpen die Körnchen Sand.
Ob drüben die besten Truppen schwanken,
Und der König in Verzweiflungsgedanken
Die Fliehenden sammelt und vorwärts sührt,
Des Seydlitz Sinn wird durch nichts berührt.
Er späht wie der Habicht von seinem Sitz;
Er wahrt wie ein Gott in den Händen den Blitz
Und hält nur mit seinem Feldherrngenie
Kurze Zwiesprach über das Wann und Wie.
Und wieder naht Oppen auf gestreckten Vieren:
„Im Namen des Königs! Attackieren!" —
„Ich sagte schon: noch ist es nicht Zeit —"
Im Zorn des Königs Günstling schreit:
„Gehorsam befiehlt Seine Majestät,
Andernfalls, Exzellenz. Ihr Kopf drauf steht." —
„Noch sitzt er fest, und ich will ihn gebrauchen;
Nachher, wenn's sein muß, kann er sonstwo rauchen."
Das Gesicht noch fahler um einen Schein,
starrt er unbewegt in die Hölle hinein.
Er sieht, wie die letzte Kraft sich wehrt,
Übers Mordfeld ein neuer Reitersturm fährt,
Und harrt, bis der erste Ansturm gebrochen;
Dann schießt ihm ein Glutstrom durch Brust und Knochen:
„Fanfaro! Trompeter: Marsch, marsch, geschmettert!"
Sein Pallasch blinkt, und die Erde wettert.
Die Erde bebt wie beim jüngsten Gericht,
Wenn die Flut durch Dünen und Dämme bricht.
Von sechstausend Reitern der Wogenschwall
Verschlingt wie Wimmern der Trompeten Schall.
Zur Mauer gedrängt, eng Knie an Knie,
Bei Gott! so ritten die Hüner noch nie,
So raste der Stahl gleich Zornesbränden
Noch nie in ihren Cyklopenhänden.
Ein Schlachten nur war's noch und keine Schlacht.
Das Würgen währte bis tief in die Nacht,
Bis im krampfmüden Arm die Klinge versagte
Und kein Feind auf dem Plan zu trotzen wagte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329056"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Schlacht bei Zorndorf</fw><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_13" type="poem">
            <l> &#x201E;Exzellenz, ich soll Allerhöchstdemselben &#x2014; ?"<lb/>
&#x201E;Jawohl, das soll'n Sie dem König melden."<lb/>
Er sagt es scharf, grüßt leicht mit der Hand<lb/>
Und bläst von den stülpen die Körnchen Sand.</l>
            <l> Ob drüben die besten Truppen schwanken,<lb/>
Und der König in Verzweiflungsgedanken<lb/>
Die Fliehenden sammelt und vorwärts sührt,<lb/>
Des Seydlitz Sinn wird durch nichts berührt.<lb/>
Er späht wie der Habicht von seinem Sitz;<lb/>
Er wahrt wie ein Gott in den Händen den Blitz<lb/>
Und hält nur mit seinem Feldherrngenie<lb/>
Kurze Zwiesprach über das Wann und Wie.</l>
            <l> Und wieder naht Oppen auf gestreckten Vieren:<lb/>
&#x201E;Im Namen des Königs! Attackieren!" &#x2014;<lb/>
&#x201E;Ich sagte schon: noch ist es nicht Zeit &#x2014;"<lb/>
Im Zorn des Königs Günstling schreit:<lb/>
&#x201E;Gehorsam befiehlt Seine Majestät,<lb/>
Andernfalls, Exzellenz. Ihr Kopf drauf steht." &#x2014;<lb/>
&#x201E;Noch sitzt er fest, und ich will ihn gebrauchen;<lb/>
Nachher, wenn's sein muß, kann er sonstwo rauchen."</l>
            <l> Das Gesicht noch fahler um einen Schein,<lb/>
starrt er unbewegt in die Hölle hinein.<lb/>
Er sieht, wie die letzte Kraft sich wehrt,<lb/>
Übers Mordfeld ein neuer Reitersturm fährt,<lb/>
Und harrt, bis der erste Ansturm gebrochen;<lb/>
Dann schießt ihm ein Glutstrom durch Brust und Knochen:<lb/>
&#x201E;Fanfaro! Trompeter: Marsch, marsch, geschmettert!"<lb/>
Sein Pallasch blinkt, und die Erde wettert.</l>
            <l> Die Erde bebt wie beim jüngsten Gericht,<lb/>
Wenn die Flut durch Dünen und Dämme bricht.<lb/>
Von sechstausend Reitern der Wogenschwall<lb/>
Verschlingt wie Wimmern der Trompeten Schall.<lb/>
Zur Mauer gedrängt, eng Knie an Knie,<lb/>
Bei Gott! so ritten die Hüner noch nie,<lb/>
So raste der Stahl gleich Zornesbränden<lb/>
Noch nie in ihren Cyklopenhänden.</l>
            <l> Ein Schlachten nur war's noch und keine Schlacht.<lb/>
Das Würgen währte bis tief in die Nacht,<lb/>
Bis im krampfmüden Arm die Klinge versagte<lb/>
Und kein Feind auf dem Plan zu trotzen wagte.</l>
          </lg><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0322] Die Schlacht bei Zorndorf „Exzellenz, ich soll Allerhöchstdemselben — ?" „Jawohl, das soll'n Sie dem König melden." Er sagt es scharf, grüßt leicht mit der Hand Und bläst von den stülpen die Körnchen Sand. Ob drüben die besten Truppen schwanken, Und der König in Verzweiflungsgedanken Die Fliehenden sammelt und vorwärts sührt, Des Seydlitz Sinn wird durch nichts berührt. Er späht wie der Habicht von seinem Sitz; Er wahrt wie ein Gott in den Händen den Blitz Und hält nur mit seinem Feldherrngenie Kurze Zwiesprach über das Wann und Wie. Und wieder naht Oppen auf gestreckten Vieren: „Im Namen des Königs! Attackieren!" — „Ich sagte schon: noch ist es nicht Zeit —" Im Zorn des Königs Günstling schreit: „Gehorsam befiehlt Seine Majestät, Andernfalls, Exzellenz. Ihr Kopf drauf steht." — „Noch sitzt er fest, und ich will ihn gebrauchen; Nachher, wenn's sein muß, kann er sonstwo rauchen." Das Gesicht noch fahler um einen Schein, starrt er unbewegt in die Hölle hinein. Er sieht, wie die letzte Kraft sich wehrt, Übers Mordfeld ein neuer Reitersturm fährt, Und harrt, bis der erste Ansturm gebrochen; Dann schießt ihm ein Glutstrom durch Brust und Knochen: „Fanfaro! Trompeter: Marsch, marsch, geschmettert!" Sein Pallasch blinkt, und die Erde wettert. Die Erde bebt wie beim jüngsten Gericht, Wenn die Flut durch Dünen und Dämme bricht. Von sechstausend Reitern der Wogenschwall Verschlingt wie Wimmern der Trompeten Schall. Zur Mauer gedrängt, eng Knie an Knie, Bei Gott! so ritten die Hüner noch nie, So raste der Stahl gleich Zornesbränden Noch nie in ihren Cyklopenhänden. Ein Schlachten nur war's noch und keine Schlacht. Das Würgen währte bis tief in die Nacht, Bis im krampfmüden Arm die Klinge versagte Und kein Feind auf dem Plan zu trotzen wagte.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/322
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/322>, abgerufen am 22.12.2024.