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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Von der Kirche des Geistes

bewußtseins abhängt, oder ob neben Vererbung und Milieu noch andere Faktoren
in Betracht kommen werden, läßt sich heute nicht so weiteres entscheiden. Die
Gefahr des Erstarrens ist jedenfalls da, wie sie zu Anfang des neunzehnten
Jahrhunderts da war, als die klassische Form jede Persönlichkeit in ihre Fesseln
schlug. Sie kann beseitigt werden dadurch, daß die litterarische Autorität von
Paris gebrochen, das lokale Bewußtsein gestärkt wird. Dann werden sich Kräfte
frei entfalten können, die bisher ewig als Kinder am Gängelbande geführt
worden sind.




Von der Airche des Geistes
Von Latholicus

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l n einem viel beachteten Artikel der Grenzboten (Ur. 39, 1913,
S. 581/6 "Ein Nachwort zum Metzer Katholikentag") wurde auf
die ernste Krisis hingewiesen, in der die katholische Kirche sich
heute befindet infolge der sich immer steigernden Verengung des
Gesichtsfeldes und des immer allgemeineren Verzichts auf eigenes
Prüfen und Urteilen in religiösen Fragen gerade auf feiten der gebildeten
Katholiken. Der Verfasser jenes Artikels glaubte aus der Tatsache dieser merk¬
würdigen psychologischen Prozesse dem deutschen Katholizismus das schlimmste
Prognostikon stellen zu müssen, wenn er auch nicht übersah, daß eine "stille
Gemeinde von Geistlichen und Laien", der Zahl nach wesentlich stärker als
man nach den Angaben bestimmter Organe gewöhnlich glaubt, die UnHaltbarkeit
dieser Zustände längst erkannt hat und mit optimistischen Glauben an die
Idee an der Rettung und Neubelebung der im Katholizismus liegenden
religiösen Kräfte arbeitet.

Eine bedeutsame Kundgebung aus den Kreisen jener Gemeinde liegt vor
uns, an der keiner vorübergehen sollte, der ein Verständnis für die in geistes-
und kulturgeschichtlicher wie nationaler Hinsicht weittragende Bedeutung der
Vorgänge im deutschen Katholizismus hat oder gewinnen möchte. "Bon der
Kirche des Geistes. Religiöse Essays im Sinne eines modernen Katholizismus"
lautet der Titel. Der Versasser ist Dr. Philipp Funk, der Herausgeber der
bekannten Wochenschrift für religiöse Kultur "Das Neue Jahrhundert"*).

Der Titel läßt gleich das Problem in seiner ganzen Weite und Tiefe vor
uns aufstehen. Das "kirchliche Problem" ist letztlich nicht katholisch und nicht



*) München,1913, 170 Seilen; brosch. 1 Mark.
Von der Kirche des Geistes

bewußtseins abhängt, oder ob neben Vererbung und Milieu noch andere Faktoren
in Betracht kommen werden, läßt sich heute nicht so weiteres entscheiden. Die
Gefahr des Erstarrens ist jedenfalls da, wie sie zu Anfang des neunzehnten
Jahrhunderts da war, als die klassische Form jede Persönlichkeit in ihre Fesseln
schlug. Sie kann beseitigt werden dadurch, daß die litterarische Autorität von
Paris gebrochen, das lokale Bewußtsein gestärkt wird. Dann werden sich Kräfte
frei entfalten können, die bisher ewig als Kinder am Gängelbande geführt
worden sind.




Von der Airche des Geistes
Von Latholicus

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l n einem viel beachteten Artikel der Grenzboten (Ur. 39, 1913,
S. 581/6 „Ein Nachwort zum Metzer Katholikentag") wurde auf
die ernste Krisis hingewiesen, in der die katholische Kirche sich
heute befindet infolge der sich immer steigernden Verengung des
Gesichtsfeldes und des immer allgemeineren Verzichts auf eigenes
Prüfen und Urteilen in religiösen Fragen gerade auf feiten der gebildeten
Katholiken. Der Verfasser jenes Artikels glaubte aus der Tatsache dieser merk¬
würdigen psychologischen Prozesse dem deutschen Katholizismus das schlimmste
Prognostikon stellen zu müssen, wenn er auch nicht übersah, daß eine „stille
Gemeinde von Geistlichen und Laien", der Zahl nach wesentlich stärker als
man nach den Angaben bestimmter Organe gewöhnlich glaubt, die UnHaltbarkeit
dieser Zustände längst erkannt hat und mit optimistischen Glauben an die
Idee an der Rettung und Neubelebung der im Katholizismus liegenden
religiösen Kräfte arbeitet.

Eine bedeutsame Kundgebung aus den Kreisen jener Gemeinde liegt vor
uns, an der keiner vorübergehen sollte, der ein Verständnis für die in geistes-
und kulturgeschichtlicher wie nationaler Hinsicht weittragende Bedeutung der
Vorgänge im deutschen Katholizismus hat oder gewinnen möchte. „Bon der
Kirche des Geistes. Religiöse Essays im Sinne eines modernen Katholizismus"
lautet der Titel. Der Versasser ist Dr. Philipp Funk, der Herausgeber der
bekannten Wochenschrift für religiöse Kultur „Das Neue Jahrhundert"*).

Der Titel läßt gleich das Problem in seiner ganzen Weite und Tiefe vor
uns aufstehen. Das „kirchliche Problem" ist letztlich nicht katholisch und nicht



*) München,1913, 170 Seilen; brosch. 1 Mark.
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[0032] Von der Kirche des Geistes bewußtseins abhängt, oder ob neben Vererbung und Milieu noch andere Faktoren in Betracht kommen werden, läßt sich heute nicht so weiteres entscheiden. Die Gefahr des Erstarrens ist jedenfalls da, wie sie zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts da war, als die klassische Form jede Persönlichkeit in ihre Fesseln schlug. Sie kann beseitigt werden dadurch, daß die litterarische Autorität von Paris gebrochen, das lokale Bewußtsein gestärkt wird. Dann werden sich Kräfte frei entfalten können, die bisher ewig als Kinder am Gängelbande geführt worden sind. Von der Airche des Geistes Von Latholicus > l n einem viel beachteten Artikel der Grenzboten (Ur. 39, 1913, S. 581/6 „Ein Nachwort zum Metzer Katholikentag") wurde auf die ernste Krisis hingewiesen, in der die katholische Kirche sich heute befindet infolge der sich immer steigernden Verengung des Gesichtsfeldes und des immer allgemeineren Verzichts auf eigenes Prüfen und Urteilen in religiösen Fragen gerade auf feiten der gebildeten Katholiken. Der Verfasser jenes Artikels glaubte aus der Tatsache dieser merk¬ würdigen psychologischen Prozesse dem deutschen Katholizismus das schlimmste Prognostikon stellen zu müssen, wenn er auch nicht übersah, daß eine „stille Gemeinde von Geistlichen und Laien", der Zahl nach wesentlich stärker als man nach den Angaben bestimmter Organe gewöhnlich glaubt, die UnHaltbarkeit dieser Zustände längst erkannt hat und mit optimistischen Glauben an die Idee an der Rettung und Neubelebung der im Katholizismus liegenden religiösen Kräfte arbeitet. Eine bedeutsame Kundgebung aus den Kreisen jener Gemeinde liegt vor uns, an der keiner vorübergehen sollte, der ein Verständnis für die in geistes- und kulturgeschichtlicher wie nationaler Hinsicht weittragende Bedeutung der Vorgänge im deutschen Katholizismus hat oder gewinnen möchte. „Bon der Kirche des Geistes. Religiöse Essays im Sinne eines modernen Katholizismus" lautet der Titel. Der Versasser ist Dr. Philipp Funk, der Herausgeber der bekannten Wochenschrift für religiöse Kultur „Das Neue Jahrhundert"*). Der Titel läßt gleich das Problem in seiner ganzen Weite und Tiefe vor uns aufstehen. Das „kirchliche Problem" ist letztlich nicht katholisch und nicht *) München,1913, 170 Seilen; brosch. 1 Mark.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/32>, abgerufen am 13.11.2024.