Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.Briefe eines Leipzigers aus England während des Krieges ^S70/7I> Strömen vergossen haben und ihr Leben nur des Kampfes wert achteten. An Briefe eines Leipzigers aus England während des Krieges ^S70/7I> Strömen vergossen haben und ihr Leben nur des Kampfes wert achteten. An <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0298" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329032"/> <fw type="header" place="top"> Briefe eines Leipzigers aus England während des Krieges ^S70/7I></fw><lb/> <p xml:id="ID_1030" prev="#ID_1029" next="#ID_1031"> Strömen vergossen haben und ihr Leben nur des Kampfes wert achteten. An<lb/> dieser Halbinsel trat der entscheidende Wendepunkt ein in der Belagerung von<lb/> Paris. Wären diese 25000 Männer nicht standhaft gewesen, 100000 Franzosen<lb/> würden außerhalb der belagernden Armee gewesen sein! Möge Deutschland<lb/> nie vergessen, welchen Dank es für diese zwei furchtbaren Tage den Sachsen<lb/> und Württenbergern schüttelt Nur dadurch wird es möglich, daß Kaiser<lb/> Wilhelm heute eine so friedliche Revue über diese Truppen halten kann." Nach<lb/> einer ausführlichen Beschreibung der Revue schließt der Korrespondent: „Der<lb/> letzte unserer Freunde schritt vorüber. Der Kaiser Wilhelm und der Kronprinz<lb/> von Sachsen ritten nun zusammen weg nach Ferrieres zum Diner. Bald wird<lb/> die Umgebung von Paris keinen Mann der Maasarmee mehr sehen. Über¬<lb/> morgen wird das Hauptquartier entweder nach Chantillu oder Compiöge ver¬<lb/> legt, und alle wenden sich heimwärts. Ihre Heimat liegt in einer andern<lb/> Windrichtung wie die meine, und darum nehme ich Abschied von den Kameraden<lb/> der letzten drei Monate, Kameraden, von denen ich so viele Freundlichkeiten erfahren<lb/> habe, daß ich sie nimmer vergessen kann. Vom Prinzen bis zum Gemeinen herab<lb/> habe ich die herzlichste Kameradschaft erfahren. Die Verpflichtungen, die ich<lb/> Sr. Kgl. Hoheit dem Kronprinzen, dem General Schlottheim und anderen Mit¬<lb/> gliedern des Stabes schulde, sind größer als ich beschreiben kann, und die Leser<lb/> der „Daily News" mögen sich als Teilhaber dieser Gunst betrachten, da sie mir<lb/> die leichtesten Mittel zu meiner Verfügung stellte, zeitige und zuverläßige Berichte<lb/> zu geben. Jedoch nochmals muß ich bemerken, das freundliche Gefühl des<lb/> Stabes zeigte sich in demselben Maße in jeder Stufe abwärts. Ich glaube,<lb/> da ist nicht ein Mann in der Maasarmee, der mich nicht von Gesicht kennt und<lb/> meinen Beruf weiß. Wir sind fröhlich in gutem und schlechtem Wetter zu¬<lb/> sammen gewesen. Ich habe dabei gestanden und habe sie kämpfen sehen; meine<lb/> Hände sind von den Sterbenden gedrückt worden. Ich habe ehrerbietig meinen<lb/> Hut gezogen, als ich auf eine große Anzahl von ihnen hinabsah in die Grab¬<lb/> senkung, die ihnen als Grab dient. So will ich denn meinen Hut nochmals<lb/> ziehen vor der Maasarmce mit freundlichem und brüderlichem Abschied und<lb/> dem Wunsch herzlichen Wohlergehens für jeden Mann in ihren Reihen".</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0298]
Briefe eines Leipzigers aus England während des Krieges ^S70/7I>
Strömen vergossen haben und ihr Leben nur des Kampfes wert achteten. An
dieser Halbinsel trat der entscheidende Wendepunkt ein in der Belagerung von
Paris. Wären diese 25000 Männer nicht standhaft gewesen, 100000 Franzosen
würden außerhalb der belagernden Armee gewesen sein! Möge Deutschland
nie vergessen, welchen Dank es für diese zwei furchtbaren Tage den Sachsen
und Württenbergern schüttelt Nur dadurch wird es möglich, daß Kaiser
Wilhelm heute eine so friedliche Revue über diese Truppen halten kann." Nach
einer ausführlichen Beschreibung der Revue schließt der Korrespondent: „Der
letzte unserer Freunde schritt vorüber. Der Kaiser Wilhelm und der Kronprinz
von Sachsen ritten nun zusammen weg nach Ferrieres zum Diner. Bald wird
die Umgebung von Paris keinen Mann der Maasarmee mehr sehen. Über¬
morgen wird das Hauptquartier entweder nach Chantillu oder Compiöge ver¬
legt, und alle wenden sich heimwärts. Ihre Heimat liegt in einer andern
Windrichtung wie die meine, und darum nehme ich Abschied von den Kameraden
der letzten drei Monate, Kameraden, von denen ich so viele Freundlichkeiten erfahren
habe, daß ich sie nimmer vergessen kann. Vom Prinzen bis zum Gemeinen herab
habe ich die herzlichste Kameradschaft erfahren. Die Verpflichtungen, die ich
Sr. Kgl. Hoheit dem Kronprinzen, dem General Schlottheim und anderen Mit¬
gliedern des Stabes schulde, sind größer als ich beschreiben kann, und die Leser
der „Daily News" mögen sich als Teilhaber dieser Gunst betrachten, da sie mir
die leichtesten Mittel zu meiner Verfügung stellte, zeitige und zuverläßige Berichte
zu geben. Jedoch nochmals muß ich bemerken, das freundliche Gefühl des
Stabes zeigte sich in demselben Maße in jeder Stufe abwärts. Ich glaube,
da ist nicht ein Mann in der Maasarmee, der mich nicht von Gesicht kennt und
meinen Beruf weiß. Wir sind fröhlich in gutem und schlechtem Wetter zu¬
sammen gewesen. Ich habe dabei gestanden und habe sie kämpfen sehen; meine
Hände sind von den Sterbenden gedrückt worden. Ich habe ehrerbietig meinen
Hut gezogen, als ich auf eine große Anzahl von ihnen hinabsah in die Grab¬
senkung, die ihnen als Grab dient. So will ich denn meinen Hut nochmals
ziehen vor der Maasarmce mit freundlichem und brüderlichem Abschied und
dem Wunsch herzlichen Wohlergehens für jeden Mann in ihren Reihen".
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