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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Arieg und Sozialpolitik
von Rechtsamvalt Dr. Vonschott

eutschland starrt in Waffen. Militärisch und finanziell aufs
beste gerüstet zieht es seinen drei Feinden entgegen. Jeder andere
Staat würde mit seinen militärischen Rüstungen vollauf zu tun
haben. Aber Deutschland hat nach dem altrömischen Grundsatze
gearbeitet: "8i öl3 pacem, parg, bsllum;" "wenn du den
Frieden willst, rüste den Krieg." In den Zeiten des vierundvierzigjährigen
Friedens hat es niemals die Möglichkeit eines Krieges außer acht gelassen und
sich stets vor Augen gehalten, daß es im Falle eines Krieges nicht gegen einen
Feind, sondern gegen eine Welt von Feinden seine Waffen erheben muß, wie
es denn auch eingetreten ist.

Angesichts seiner in jeder Beziehung vorzüglichsten Kriegsvorbereitungen ist
es denn kein Wunder, daß Deuschland auch in Kriegszeiten noch Zeit findet,
in der Sozialpolitik heilsame gesetzliche Maßnahmen zu treffen, auf einem Ge¬
biete, dessen Bearbeitung doch eigentlich und vorzüglich nur in Friedenszeiten
möglich erscheint. Neben sehr einschneidenden Bestimmungen für das bürger¬
liche Recht, das Prozeß-, Wechsel- und Schankrecht, die sowohl die ins Feld
Ziehenden als auch die Zurückbleibenden vor wirtschaftlichen Nachteilen und
Sorgen nach Möglichkeit schützen sollen, sind am 4. August 1914 auch eine
Reihe sozialpolitischer Vorschriften erlassen. So hat das Gesetz vom
28. Februar 1888 betreffend die Unterstützung von Familien in den Dienst
eingetretener Mannschaften wichtige Erweiterungen erfahren. Die Unterstützungen
nach Maßgabe dieses Gesetzes sollen in Zukunft auch den Familien derjenigen
Mannschaften zukommen, welche zur Disposition der Truppen- bzw. Marineteile
beurlaubt sind, sowie den Mannschaften, die das wehrpflichtige Alter über¬
schritten haben und freiwillig in den Dienst eintreten, und dem Unterpersonal
der freiwilligen Krankenpflege. Auch uneheliche Kinder sollen der Unterstützung
des Gesetzes teilhaftig werden, falls die Verpflichtung des Kriegsteilnehmers
als Vater zur Gewährung des Unterhalts festgestellt ist. Das Gesetz hat ferner
Mindestunterstützungen festgestellt, die also beim Vorliegen besonderer Gründe
noch erhöht werden können: für die Ehefrau sollen die Unterstützungen von Mai
bis Oktober mindestens monatlich neun Mark und für die übrigen Monate
zwölf Mark und für jedes Kind unter fünfzehn Jahren und jede der sonstigen
unterstützungsberechtigten Personen monatlich sechs Mark betragen.




Arieg und Sozialpolitik
von Rechtsamvalt Dr. Vonschott

eutschland starrt in Waffen. Militärisch und finanziell aufs
beste gerüstet zieht es seinen drei Feinden entgegen. Jeder andere
Staat würde mit seinen militärischen Rüstungen vollauf zu tun
haben. Aber Deutschland hat nach dem altrömischen Grundsatze
gearbeitet: „8i öl3 pacem, parg, bsllum;" „wenn du den
Frieden willst, rüste den Krieg." In den Zeiten des vierundvierzigjährigen
Friedens hat es niemals die Möglichkeit eines Krieges außer acht gelassen und
sich stets vor Augen gehalten, daß es im Falle eines Krieges nicht gegen einen
Feind, sondern gegen eine Welt von Feinden seine Waffen erheben muß, wie
es denn auch eingetreten ist.

Angesichts seiner in jeder Beziehung vorzüglichsten Kriegsvorbereitungen ist
es denn kein Wunder, daß Deuschland auch in Kriegszeiten noch Zeit findet,
in der Sozialpolitik heilsame gesetzliche Maßnahmen zu treffen, auf einem Ge¬
biete, dessen Bearbeitung doch eigentlich und vorzüglich nur in Friedenszeiten
möglich erscheint. Neben sehr einschneidenden Bestimmungen für das bürger¬
liche Recht, das Prozeß-, Wechsel- und Schankrecht, die sowohl die ins Feld
Ziehenden als auch die Zurückbleibenden vor wirtschaftlichen Nachteilen und
Sorgen nach Möglichkeit schützen sollen, sind am 4. August 1914 auch eine
Reihe sozialpolitischer Vorschriften erlassen. So hat das Gesetz vom
28. Februar 1888 betreffend die Unterstützung von Familien in den Dienst
eingetretener Mannschaften wichtige Erweiterungen erfahren. Die Unterstützungen
nach Maßgabe dieses Gesetzes sollen in Zukunft auch den Familien derjenigen
Mannschaften zukommen, welche zur Disposition der Truppen- bzw. Marineteile
beurlaubt sind, sowie den Mannschaften, die das wehrpflichtige Alter über¬
schritten haben und freiwillig in den Dienst eintreten, und dem Unterpersonal
der freiwilligen Krankenpflege. Auch uneheliche Kinder sollen der Unterstützung
des Gesetzes teilhaftig werden, falls die Verpflichtung des Kriegsteilnehmers
als Vater zur Gewährung des Unterhalts festgestellt ist. Das Gesetz hat ferner
Mindestunterstützungen festgestellt, die also beim Vorliegen besonderer Gründe
noch erhöht werden können: für die Ehefrau sollen die Unterstützungen von Mai
bis Oktober mindestens monatlich neun Mark und für die übrigen Monate
zwölf Mark und für jedes Kind unter fünfzehn Jahren und jede der sonstigen
unterstützungsberechtigten Personen monatlich sechs Mark betragen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/282>, abgerufen am 13.11.2024.