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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Den Quertreibern

er brausende Akkord der Einigkeit, mit dem unser Volk aufgestanden
ist, die Feinde von allen Seiten des Landes zu vertreiben, hat
durch einen Artikel über den "innern Feind" einen schrillen Mißton
erfahren. Es gehört die ganze politische Befangenheit dazu, die
eine gewisse Redaktion schon seit Jahren auszeichnet, um in dieser
heiligen Stunde, wo kein Gedanke sein sollte, als der eine, das Land vom
Feinde zu befreien, von einem inneren Feinde zu sprechen. Es gibt keinen
inneren Feind zur gegenwärtigen Stunde auf deutschem Boden. Die Partei¬
unterschiede haben aufgehört, die Parteiinteressen sind zusammengeschrumpft
zu jenem wesenlosen Körnchen in der Postredaktion, alle sind wir zu der einen großen
Partei verschmolzen, die sich das deutsche Volk nennt. Niemand hat ein Recht, heute
an die Kämpfe zu erinnern, die uns noch vor einigen Wochen im Landtag und
Reichstag beunruhigt haben. Die Sozialdemokraten haben durch ihr durchaus
patriotisches Eintreten für die Sicherheit des Vaterlandes gezeigt, daß das Volk,
dessen Teile sie organisiert haben, sich eine große Selbständigkeit bewahrt hat
und in seinen vaterländischen Gefühlen unberührt geblieben ist. Aus dem Lager
der preußischen Polen ist keine Stimme laut geworden, die darauf schließen ließe,
daß die Polen nicht ihre volle Pflicht als deutsche Reichsangehörige zu tun gedenken.
Auch aus den anderen Grenzmarken kommen die erhebenden Nachrichten,
wie auch da aller Hader zurücktritt vor der einen, allen gemeinsamen Ausgabe.
Der Post ist es vorbehalten geblieben, diese Harmonie zu stören und Ansprüche
anzumelden, für deren Erörterung wirklich augenblicklich keine Zeit vorhanden
ist. Nun, sie hat ihren Freunden einen Bärendienst geleistet, denn es handelt
sich hier nicht um die Harmonie des gegenwärtigen Lebens. Es handelt sich
um wichtige politische Wirkungen, die dieses Auftreten der Post verursachen kann
und wohl auch schon verursacht hat. Die Post beunruhigt alle die Kreise,
die das eine oder andere an unserem Staatsbäu auszusetzen haben, indem
sie ihnen das Schreckbild vorzaubert, daß der Erfolg eines siegreichen Krieges
eine böse Reaktion auf allen möglichen Gebieten sein könne. Soviel Weit¬
sicht sollte der politische Leiter der Post doch wohl haben, daß er sich klar darüber
bleibt, wie der von ihm so lange herbeigesehnte Krieg, der annähernd 20 Millionen
Menschen ins Feld rücken läßt, nicht spurlos an den politischen Auffassungen der
Völker Europas vorübergehen kann.


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Den Quertreibern

er brausende Akkord der Einigkeit, mit dem unser Volk aufgestanden
ist, die Feinde von allen Seiten des Landes zu vertreiben, hat
durch einen Artikel über den „innern Feind" einen schrillen Mißton
erfahren. Es gehört die ganze politische Befangenheit dazu, die
eine gewisse Redaktion schon seit Jahren auszeichnet, um in dieser
heiligen Stunde, wo kein Gedanke sein sollte, als der eine, das Land vom
Feinde zu befreien, von einem inneren Feinde zu sprechen. Es gibt keinen
inneren Feind zur gegenwärtigen Stunde auf deutschem Boden. Die Partei¬
unterschiede haben aufgehört, die Parteiinteressen sind zusammengeschrumpft
zu jenem wesenlosen Körnchen in der Postredaktion, alle sind wir zu der einen großen
Partei verschmolzen, die sich das deutsche Volk nennt. Niemand hat ein Recht, heute
an die Kämpfe zu erinnern, die uns noch vor einigen Wochen im Landtag und
Reichstag beunruhigt haben. Die Sozialdemokraten haben durch ihr durchaus
patriotisches Eintreten für die Sicherheit des Vaterlandes gezeigt, daß das Volk,
dessen Teile sie organisiert haben, sich eine große Selbständigkeit bewahrt hat
und in seinen vaterländischen Gefühlen unberührt geblieben ist. Aus dem Lager
der preußischen Polen ist keine Stimme laut geworden, die darauf schließen ließe,
daß die Polen nicht ihre volle Pflicht als deutsche Reichsangehörige zu tun gedenken.
Auch aus den anderen Grenzmarken kommen die erhebenden Nachrichten,
wie auch da aller Hader zurücktritt vor der einen, allen gemeinsamen Ausgabe.
Der Post ist es vorbehalten geblieben, diese Harmonie zu stören und Ansprüche
anzumelden, für deren Erörterung wirklich augenblicklich keine Zeit vorhanden
ist. Nun, sie hat ihren Freunden einen Bärendienst geleistet, denn es handelt
sich hier nicht um die Harmonie des gegenwärtigen Lebens. Es handelt sich
um wichtige politische Wirkungen, die dieses Auftreten der Post verursachen kann
und wohl auch schon verursacht hat. Die Post beunruhigt alle die Kreise,
die das eine oder andere an unserem Staatsbäu auszusetzen haben, indem
sie ihnen das Schreckbild vorzaubert, daß der Erfolg eines siegreichen Krieges
eine böse Reaktion auf allen möglichen Gebieten sein könne. Soviel Weit¬
sicht sollte der politische Leiter der Post doch wohl haben, daß er sich klar darüber
bleibt, wie der von ihm so lange herbeigesehnte Krieg, der annähernd 20 Millionen
Menschen ins Feld rücken läßt, nicht spurlos an den politischen Auffassungen der
Völker Europas vorübergehen kann.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/279>, abgerufen am 13.11.2024.