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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Die russische Armee als Gegner

folgende Charakteristik des russischen Durchschnittsgenerals: "Läßt man von ihnen
einen kommen und befiehlt ihm, den Himmel zu erklettern, so wird er ,Zu
Befehl' sagen, die Ausführung seinen Untergebenen überlassen, sich ins Bett
legen, und die Truppe wird nicht einmal einen Maulwurfshügel übersteigen.
Befragt man ihn hingegen, wie er einen Marsch von 15 Werst bei Regenwetter
zurückzulegen gedenkt, so wird er einem mit tausend Gründen kommen, um die
Unmöglichkeit einer so übermenschlichen Anstrengung darzutun."

Wenn auch die damalige russische Generalität dieses harte Urteil in ihrer
Allgemeinheit nicht verdient, so sind die Worte des Fürsten doch sehr bezeichnend
dafür, was die Friedensschule des Kaisers Nikolaus aus der Armee gemacht
hatte. Der Krimfeldzug offenbarte einen erschreckenden Mangel an Selbsttätigkeit
und zweckmäßigem Zusammenhandeln der Generale. Der französische Ober¬
kommandierende, Marschall Se. Arnaud, äußerte nach der Schlacht an der
Alma hinsichtlich seiner Gegner: "Ihre Taktik war um ein Jahrhundert zurück."
Daran hat es denn auch zum größten Teil gelegen, daß alle von den Außen¬
truppen unternommenen Versuche, die Einschließungslinie der Verbündeten im
Süden der Festung Sewastopol aufzurollen, gescheitert sind, wiewohl zeitweilig
die Russen in der Krim 100000 Mann zählten, gegen nur 70000 der Gegner.
An Opfermut haben es die russischen Truppen auch hier nicht fehlen lassen.
Der Verlust bei Jnkerman am 5. November 1854 betrug 12000 Mann, der
an der Tschernaja 8000 Mann, von je 57 000 und 74000 Mann Gefechtsstärke.

(Fortsetzung folgt)




Die russische Armee als Gegner

folgende Charakteristik des russischen Durchschnittsgenerals: „Läßt man von ihnen
einen kommen und befiehlt ihm, den Himmel zu erklettern, so wird er ,Zu
Befehl' sagen, die Ausführung seinen Untergebenen überlassen, sich ins Bett
legen, und die Truppe wird nicht einmal einen Maulwurfshügel übersteigen.
Befragt man ihn hingegen, wie er einen Marsch von 15 Werst bei Regenwetter
zurückzulegen gedenkt, so wird er einem mit tausend Gründen kommen, um die
Unmöglichkeit einer so übermenschlichen Anstrengung darzutun."

Wenn auch die damalige russische Generalität dieses harte Urteil in ihrer
Allgemeinheit nicht verdient, so sind die Worte des Fürsten doch sehr bezeichnend
dafür, was die Friedensschule des Kaisers Nikolaus aus der Armee gemacht
hatte. Der Krimfeldzug offenbarte einen erschreckenden Mangel an Selbsttätigkeit
und zweckmäßigem Zusammenhandeln der Generale. Der französische Ober¬
kommandierende, Marschall Se. Arnaud, äußerte nach der Schlacht an der
Alma hinsichtlich seiner Gegner: „Ihre Taktik war um ein Jahrhundert zurück."
Daran hat es denn auch zum größten Teil gelegen, daß alle von den Außen¬
truppen unternommenen Versuche, die Einschließungslinie der Verbündeten im
Süden der Festung Sewastopol aufzurollen, gescheitert sind, wiewohl zeitweilig
die Russen in der Krim 100000 Mann zählten, gegen nur 70000 der Gegner.
An Opfermut haben es die russischen Truppen auch hier nicht fehlen lassen.
Der Verlust bei Jnkerman am 5. November 1854 betrug 12000 Mann, der
an der Tschernaja 8000 Mann, von je 57 000 und 74000 Mann Gefechtsstärke.

(Fortsetzung folgt)




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[0270] Die russische Armee als Gegner folgende Charakteristik des russischen Durchschnittsgenerals: „Läßt man von ihnen einen kommen und befiehlt ihm, den Himmel zu erklettern, so wird er ,Zu Befehl' sagen, die Ausführung seinen Untergebenen überlassen, sich ins Bett legen, und die Truppe wird nicht einmal einen Maulwurfshügel übersteigen. Befragt man ihn hingegen, wie er einen Marsch von 15 Werst bei Regenwetter zurückzulegen gedenkt, so wird er einem mit tausend Gründen kommen, um die Unmöglichkeit einer so übermenschlichen Anstrengung darzutun." Wenn auch die damalige russische Generalität dieses harte Urteil in ihrer Allgemeinheit nicht verdient, so sind die Worte des Fürsten doch sehr bezeichnend dafür, was die Friedensschule des Kaisers Nikolaus aus der Armee gemacht hatte. Der Krimfeldzug offenbarte einen erschreckenden Mangel an Selbsttätigkeit und zweckmäßigem Zusammenhandeln der Generale. Der französische Ober¬ kommandierende, Marschall Se. Arnaud, äußerte nach der Schlacht an der Alma hinsichtlich seiner Gegner: „Ihre Taktik war um ein Jahrhundert zurück." Daran hat es denn auch zum größten Teil gelegen, daß alle von den Außen¬ truppen unternommenen Versuche, die Einschließungslinie der Verbündeten im Süden der Festung Sewastopol aufzurollen, gescheitert sind, wiewohl zeitweilig die Russen in der Krim 100000 Mann zählten, gegen nur 70000 der Gegner. An Opfermut haben es die russischen Truppen auch hier nicht fehlen lassen. Der Verlust bei Jnkerman am 5. November 1854 betrug 12000 Mann, der an der Tschernaja 8000 Mann, von je 57 000 und 74000 Mann Gefechtsstärke. (Fortsetzung folgt)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/270>, abgerufen am 01.09.2024.