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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Wörter zur Zeit noch durch besonderen Druck
oder durch Anführungszeichen als wesens¬
fremde Bestandteile der französischen Sprache
gekennzeichnet, zum Teil aber sind sie auch
schon so sehr Allgemeingut der Sprache ge¬
worden, daß es nicht mehr nötig ist, sie für
das Auge hervorzuheben. Den Franzosen
beginnt allmählich selbst ein Verständnis da¬
für aufzugehen, eine wie fragwürdige Be¬
reicherung ihrer Sprache doch die Aufnahme
so vieler Fremdwörter bedeutet, und einer
ihrer Schriftsteller kann sich die bissige Be¬
merkung nicht versagen, daß ganz entschieden
das Beste an der schönen französischen Mutter¬
sprache das Englische sei.

Dr. Julius volge
Lyrik

Ernst Ludwist Schcllenverg: Neue Ge¬
dichte (Verlag von Gustav Kiepcnheuer,
Weimar 1914,' Preis br. 2,80 M,),

Wer ein Bändchen Lyrik ein verständiges
Wort sagen ist schwer, bietet sie doch so wenig
Angriffsflächen, Ihrem Wesen nach höchste

[Spaltenumbruch]

Konzentration eines Gefühls in gebundener
Rede ist das vornehmste Kriterium ihres
Wertes die Wahrheit des Erlebens. sprudelt
hier nicht ureigenste Kraft, so verlohnt es
nicht, Reime und Rhythmen zu kritisieren.
Die Erkenntnis innerer Wahrhaftigkeit ver¬
mittelt uns aber das Bild, das uns der
Dichter vor die Seele zaubert. Greift es
uns ans Herz, so hat auch des Dichters Herz
gebebt, als er es innerlich schaute und um
Ausdruck rang. Ein leichtes Fehlgreifen auf
seinem Instrument verschlägt nicht viel, wenn
die Seele redet, aber wo es rein und edel
klingt, neigen wir uns vor der Meisterschaft
hoher Kunst. Wer Schellenbergs neue Ge¬
dichte liest, wird nicht zögern zu bekennen,
daß Wahrheit in diesen Versen strahlt und
daß hier ein Dichter die reine Melodie seines
Erlebens fand. Dieses Erleben wurzelt meist
in der Natur. Immer neue Tiefen tut sie
ihm auf. Im flüchtigen Geschehen den Puls-
schlag des Ewigen vernehmen und sich vor
diesem Ewigen staunend neigen -- dos ist
der Stimmungsgehalt von Schellenbergs

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Wörter zur Zeit noch durch besonderen Druck
oder durch Anführungszeichen als wesens¬
fremde Bestandteile der französischen Sprache
gekennzeichnet, zum Teil aber sind sie auch
schon so sehr Allgemeingut der Sprache ge¬
worden, daß es nicht mehr nötig ist, sie für
das Auge hervorzuheben. Den Franzosen
beginnt allmählich selbst ein Verständnis da¬
für aufzugehen, eine wie fragwürdige Be¬
reicherung ihrer Sprache doch die Aufnahme
so vieler Fremdwörter bedeutet, und einer
ihrer Schriftsteller kann sich die bissige Be¬
merkung nicht versagen, daß ganz entschieden
das Beste an der schönen französischen Mutter¬
sprache das Englische sei.

Dr. Julius volge
Lyrik

Ernst Ludwist Schcllenverg: Neue Ge¬
dichte (Verlag von Gustav Kiepcnheuer,
Weimar 1914,' Preis br. 2,80 M,),

Wer ein Bändchen Lyrik ein verständiges
Wort sagen ist schwer, bietet sie doch so wenig
Angriffsflächen, Ihrem Wesen nach höchste

[Spaltenumbruch]

Konzentration eines Gefühls in gebundener
Rede ist das vornehmste Kriterium ihres
Wertes die Wahrheit des Erlebens. sprudelt
hier nicht ureigenste Kraft, so verlohnt es
nicht, Reime und Rhythmen zu kritisieren.
Die Erkenntnis innerer Wahrhaftigkeit ver¬
mittelt uns aber das Bild, das uns der
Dichter vor die Seele zaubert. Greift es
uns ans Herz, so hat auch des Dichters Herz
gebebt, als er es innerlich schaute und um
Ausdruck rang. Ein leichtes Fehlgreifen auf
seinem Instrument verschlägt nicht viel, wenn
die Seele redet, aber wo es rein und edel
klingt, neigen wir uns vor der Meisterschaft
hoher Kunst. Wer Schellenbergs neue Ge¬
dichte liest, wird nicht zögern zu bekennen,
daß Wahrheit in diesen Versen strahlt und
daß hier ein Dichter die reine Melodie seines
Erlebens fand. Dieses Erleben wurzelt meist
in der Natur. Immer neue Tiefen tut sie
ihm auf. Im flüchtigen Geschehen den Puls-
schlag des Ewigen vernehmen und sich vor
diesem Ewigen staunend neigen — dos ist
der Stimmungsgehalt von Schellenbergs

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[0251] Maßgebliches und Unmaßgebliches Wörter zur Zeit noch durch besonderen Druck oder durch Anführungszeichen als wesens¬ fremde Bestandteile der französischen Sprache gekennzeichnet, zum Teil aber sind sie auch schon so sehr Allgemeingut der Sprache ge¬ worden, daß es nicht mehr nötig ist, sie für das Auge hervorzuheben. Den Franzosen beginnt allmählich selbst ein Verständnis da¬ für aufzugehen, eine wie fragwürdige Be¬ reicherung ihrer Sprache doch die Aufnahme so vieler Fremdwörter bedeutet, und einer ihrer Schriftsteller kann sich die bissige Be¬ merkung nicht versagen, daß ganz entschieden das Beste an der schönen französischen Mutter¬ sprache das Englische sei. Dr. Julius volge Lyrik Ernst Ludwist Schcllenverg: Neue Ge¬ dichte (Verlag von Gustav Kiepcnheuer, Weimar 1914,' Preis br. 2,80 M,), Wer ein Bändchen Lyrik ein verständiges Wort sagen ist schwer, bietet sie doch so wenig Angriffsflächen, Ihrem Wesen nach höchste Konzentration eines Gefühls in gebundener Rede ist das vornehmste Kriterium ihres Wertes die Wahrheit des Erlebens. sprudelt hier nicht ureigenste Kraft, so verlohnt es nicht, Reime und Rhythmen zu kritisieren. Die Erkenntnis innerer Wahrhaftigkeit ver¬ mittelt uns aber das Bild, das uns der Dichter vor die Seele zaubert. Greift es uns ans Herz, so hat auch des Dichters Herz gebebt, als er es innerlich schaute und um Ausdruck rang. Ein leichtes Fehlgreifen auf seinem Instrument verschlägt nicht viel, wenn die Seele redet, aber wo es rein und edel klingt, neigen wir uns vor der Meisterschaft hoher Kunst. Wer Schellenbergs neue Ge¬ dichte liest, wird nicht zögern zu bekennen, daß Wahrheit in diesen Versen strahlt und daß hier ein Dichter die reine Melodie seines Erlebens fand. Dieses Erleben wurzelt meist in der Natur. Immer neue Tiefen tut sie ihm auf. Im flüchtigen Geschehen den Puls- schlag des Ewigen vernehmen und sich vor diesem Ewigen staunend neigen — dos ist der Stimmungsgehalt von Schellenbergs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/251>, abgerufen am 13.11.2024.