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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln

längst abgebrauchter Stilformen auskommen wollen und aus der geschichtlichen
Bedingtheit und der Geistesart der Religionsgemeinschaft, der das Bauwerk
gehören und dienen soll, einen wahren, lebendig verständlichen, individuellen
Formausdruck herausentwickelt. Am freiesten entfalten konnte sich die Raum¬
phantasie des Künstlers in der Synagogenanlage: orientalische Motive klingen
an in der Anordnung der drei Bogeneingänge, in der Gliederung der zwei
seitlichen Emporen. Was aber der ganzen viereckigen Halle ihre Selbständigkeit
gibt, ist der ruhig prächtige Akkord der dunkelblauen Wölbungen mit dem Gold
in der Nische des Allerheiligsten und des Orgelprospektes und Emporengitters
darüber. Der katholische Kirchenraum war in seinen Grundformen von vorn¬
herein strenger an die Erfüllung unumgänglicher liturgischer Forderungen ge¬
bunden. Aber auch hier ist die Farbe zu Hilfe gerufen, um der herkömmlichen
Anlage den Reiz lebensvoller Durchbildung zu verleihen: die Säulen vor den
Wänden der Seitennischen tragen ziegelrote Knäufe, darüber zwischen den Bogen
sind symbolische Frauengestalten in ausdrucksvoller Haltung auf die Gewölbe¬
wand gemalt, und die Fenster geben durch ihre einfachen, matten Glasfelder
dem einfallenden Licht eine milde Wärme; aus dem dunklen, blauen Halbrund
der Apsis schimmert ein goldener Altar. Die kirchlichen Geräte, die durch den
Raum verteilt sind, gewinnen durch die schlichte Ausdruckskraft, mit der sie
ihrem Zweck dienen und sich zugleich der Harmonie des Raumes einfügen wollen.
Mehr persönliche Eigenart konnte der Architekt der Abteilung für evangelischen
Kirchenbau, der hessische Kirchenbaumeister Professor Pützer, entfalten. Aus einer
Vorhalle mit mattgrauen Fenstern, in die nur sparsam bemessene Bilderstreifen
eingelassen sind, gelangt man unter der geräumigen Empore hervor in den
Hauptraum, eine hohe Predigtkirche. Breite Stufen führen zum Altar; dahinter
öffnen sich drei hohe, schmale Bogen: unter dem mittleren steht die Kanzel.
Auf der Fläche darüber hat ein Freskogemälde vou Nößler Raum gefunden,
ein guter Hirte in breit entwickelter Landschaft. Die Decke wird durch bunte
Querstreifen und durch die Bemalung der an den Seiten in drei Lagen sich
abtreppenden Balkenköpfe farbig belebt. Der ganze Raum wirkt in der an¬
sprechenden Klarheit seiner Verhältnisse, der Einfachheit und Freiheit seiner
Formen bei aller Weite doch warm und traulich.

Als Schöpfungen der Außenarchitektur wollen natürlich vor allem die
Ausstellungsgebäude selbst gewertet sein. Man konnte aber außerdem nicht
darauf verzichten, auch die Eroberungen und dauernden Leistungen, die deutsche
Baukünstler in den letzten Jahrzehnten vollbracht haben, anschaulich zu ver-
gegenwärtigen. So führt denn in der Haupthalle ein großer Raum für
Architektur in einer Fülle schöner Aufnahmen die wertvollsten Bauwerke vor
Augen, mit denen die führenden Architekten in den einzelnen deutschen Land¬
schaften dem Geiste neuzeitlicher Baukunst Boden gewonnen haben.

Doch die Ausstellung bietet selbst eine Anzahl neuer, eigener Lösungen für
wichtige Gegenwartaufgaben der öffentlichen Architektur. Neben der Haupthalle


Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln

längst abgebrauchter Stilformen auskommen wollen und aus der geschichtlichen
Bedingtheit und der Geistesart der Religionsgemeinschaft, der das Bauwerk
gehören und dienen soll, einen wahren, lebendig verständlichen, individuellen
Formausdruck herausentwickelt. Am freiesten entfalten konnte sich die Raum¬
phantasie des Künstlers in der Synagogenanlage: orientalische Motive klingen
an in der Anordnung der drei Bogeneingänge, in der Gliederung der zwei
seitlichen Emporen. Was aber der ganzen viereckigen Halle ihre Selbständigkeit
gibt, ist der ruhig prächtige Akkord der dunkelblauen Wölbungen mit dem Gold
in der Nische des Allerheiligsten und des Orgelprospektes und Emporengitters
darüber. Der katholische Kirchenraum war in seinen Grundformen von vorn¬
herein strenger an die Erfüllung unumgänglicher liturgischer Forderungen ge¬
bunden. Aber auch hier ist die Farbe zu Hilfe gerufen, um der herkömmlichen
Anlage den Reiz lebensvoller Durchbildung zu verleihen: die Säulen vor den
Wänden der Seitennischen tragen ziegelrote Knäufe, darüber zwischen den Bogen
sind symbolische Frauengestalten in ausdrucksvoller Haltung auf die Gewölbe¬
wand gemalt, und die Fenster geben durch ihre einfachen, matten Glasfelder
dem einfallenden Licht eine milde Wärme; aus dem dunklen, blauen Halbrund
der Apsis schimmert ein goldener Altar. Die kirchlichen Geräte, die durch den
Raum verteilt sind, gewinnen durch die schlichte Ausdruckskraft, mit der sie
ihrem Zweck dienen und sich zugleich der Harmonie des Raumes einfügen wollen.
Mehr persönliche Eigenart konnte der Architekt der Abteilung für evangelischen
Kirchenbau, der hessische Kirchenbaumeister Professor Pützer, entfalten. Aus einer
Vorhalle mit mattgrauen Fenstern, in die nur sparsam bemessene Bilderstreifen
eingelassen sind, gelangt man unter der geräumigen Empore hervor in den
Hauptraum, eine hohe Predigtkirche. Breite Stufen führen zum Altar; dahinter
öffnen sich drei hohe, schmale Bogen: unter dem mittleren steht die Kanzel.
Auf der Fläche darüber hat ein Freskogemälde vou Nößler Raum gefunden,
ein guter Hirte in breit entwickelter Landschaft. Die Decke wird durch bunte
Querstreifen und durch die Bemalung der an den Seiten in drei Lagen sich
abtreppenden Balkenköpfe farbig belebt. Der ganze Raum wirkt in der an¬
sprechenden Klarheit seiner Verhältnisse, der Einfachheit und Freiheit seiner
Formen bei aller Weite doch warm und traulich.

Als Schöpfungen der Außenarchitektur wollen natürlich vor allem die
Ausstellungsgebäude selbst gewertet sein. Man konnte aber außerdem nicht
darauf verzichten, auch die Eroberungen und dauernden Leistungen, die deutsche
Baukünstler in den letzten Jahrzehnten vollbracht haben, anschaulich zu ver-
gegenwärtigen. So führt denn in der Haupthalle ein großer Raum für
Architektur in einer Fülle schöner Aufnahmen die wertvollsten Bauwerke vor
Augen, mit denen die führenden Architekten in den einzelnen deutschen Land¬
schaften dem Geiste neuzeitlicher Baukunst Boden gewonnen haben.

Doch die Ausstellung bietet selbst eine Anzahl neuer, eigener Lösungen für
wichtige Gegenwartaufgaben der öffentlichen Architektur. Neben der Haupthalle


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[0229] Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln längst abgebrauchter Stilformen auskommen wollen und aus der geschichtlichen Bedingtheit und der Geistesart der Religionsgemeinschaft, der das Bauwerk gehören und dienen soll, einen wahren, lebendig verständlichen, individuellen Formausdruck herausentwickelt. Am freiesten entfalten konnte sich die Raum¬ phantasie des Künstlers in der Synagogenanlage: orientalische Motive klingen an in der Anordnung der drei Bogeneingänge, in der Gliederung der zwei seitlichen Emporen. Was aber der ganzen viereckigen Halle ihre Selbständigkeit gibt, ist der ruhig prächtige Akkord der dunkelblauen Wölbungen mit dem Gold in der Nische des Allerheiligsten und des Orgelprospektes und Emporengitters darüber. Der katholische Kirchenraum war in seinen Grundformen von vorn¬ herein strenger an die Erfüllung unumgänglicher liturgischer Forderungen ge¬ bunden. Aber auch hier ist die Farbe zu Hilfe gerufen, um der herkömmlichen Anlage den Reiz lebensvoller Durchbildung zu verleihen: die Säulen vor den Wänden der Seitennischen tragen ziegelrote Knäufe, darüber zwischen den Bogen sind symbolische Frauengestalten in ausdrucksvoller Haltung auf die Gewölbe¬ wand gemalt, und die Fenster geben durch ihre einfachen, matten Glasfelder dem einfallenden Licht eine milde Wärme; aus dem dunklen, blauen Halbrund der Apsis schimmert ein goldener Altar. Die kirchlichen Geräte, die durch den Raum verteilt sind, gewinnen durch die schlichte Ausdruckskraft, mit der sie ihrem Zweck dienen und sich zugleich der Harmonie des Raumes einfügen wollen. Mehr persönliche Eigenart konnte der Architekt der Abteilung für evangelischen Kirchenbau, der hessische Kirchenbaumeister Professor Pützer, entfalten. Aus einer Vorhalle mit mattgrauen Fenstern, in die nur sparsam bemessene Bilderstreifen eingelassen sind, gelangt man unter der geräumigen Empore hervor in den Hauptraum, eine hohe Predigtkirche. Breite Stufen führen zum Altar; dahinter öffnen sich drei hohe, schmale Bogen: unter dem mittleren steht die Kanzel. Auf der Fläche darüber hat ein Freskogemälde vou Nößler Raum gefunden, ein guter Hirte in breit entwickelter Landschaft. Die Decke wird durch bunte Querstreifen und durch die Bemalung der an den Seiten in drei Lagen sich abtreppenden Balkenköpfe farbig belebt. Der ganze Raum wirkt in der an¬ sprechenden Klarheit seiner Verhältnisse, der Einfachheit und Freiheit seiner Formen bei aller Weite doch warm und traulich. Als Schöpfungen der Außenarchitektur wollen natürlich vor allem die Ausstellungsgebäude selbst gewertet sein. Man konnte aber außerdem nicht darauf verzichten, auch die Eroberungen und dauernden Leistungen, die deutsche Baukünstler in den letzten Jahrzehnten vollbracht haben, anschaulich zu ver- gegenwärtigen. So führt denn in der Haupthalle ein großer Raum für Architektur in einer Fülle schöner Aufnahmen die wertvollsten Bauwerke vor Augen, mit denen die führenden Architekten in den einzelnen deutschen Land¬ schaften dem Geiste neuzeitlicher Baukunst Boden gewonnen haben. Doch die Ausstellung bietet selbst eine Anzahl neuer, eigener Lösungen für wichtige Gegenwartaufgaben der öffentlichen Architektur. Neben der Haupthalle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/229>, abgerufen am 28.07.2024.