Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln bilden, ganz auf schwarz und weiß gestimmt, und das Unruhige, Flackernde, Ein Haus, das über das kunstgewerbliche Schaffen der Frau einen um¬ Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln bilden, ganz auf schwarz und weiß gestimmt, und das Unruhige, Flackernde, Ein Haus, das über das kunstgewerbliche Schaffen der Frau einen um¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0227" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328961"/> <fw type="header" place="top"> Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln</fw><lb/> <p xml:id="ID_754" prev="#ID_753"> bilden, ganz auf schwarz und weiß gestimmt, und das Unruhige, Flackernde,<lb/> was er dadurch gewinnt, lebt auch in all den kostbaren Dingen, die rings<lb/> hinter Schaufenstern aufgestellt sind. Sie schimmern in matten, sie schreien in<lb/> grell gegeneinander gesetzten Farben, im einfachsten Stück noch waltet ein<lb/> delikater Geschmack der Tönung, der Zusammenstellung, der Mischung. Die<lb/> Formen unter oft an, als mühten sie sich, künstlich, steif zu sein: sie bannen<lb/> organische Gebilde in geometrische Flächen und Körper oder stilisieren die<lb/> Erscheinung zu archaischer Dürftigkeit. Aus alledem erwächst eine eindringliche<lb/> Gesamtstimmung von wohlgepflegter Müdigkeit, von suchender Bewußtheit, von<lb/> überreifer Verfeinerung, die sich zuweilen in halbbarbarischer Primitivität Ge¬<lb/> nüge tut. Die Schwüle der Treibhausluft erfüllt überall auch die übrigen<lb/> Räume, gewaltig hohe, mit gesuchtester Absichtlichkeit auf einfache Grundakkorde<lb/> gebrachte Wohnräume zumeist, auserlesen üppig im Material, kapriziös in der<lb/> Form. Und der Eindruck hat schließlich doch eine harrende Macht, denn hier<lb/> schafft sich ein verwöhnter Reizhunger die Welt, die sein Wesen ausdrückt: ganz<lb/> persönlich, weltstadtmäßig kultiviert, im letzten Grunde doch spielerisch, selbst¬<lb/> gefällig und kraftlos, und in der Gesamterscheinung ausgesprochen sttdost-<lb/> euroväisch.</p><lb/> <p xml:id="ID_755" next="#ID_756"> Ein Haus, das über das kunstgewerbliche Schaffen der Frau einen um¬<lb/> fassenden Überblick gewähren soll, hat die Architektin Frau Knüppelholz-Roeser<lb/> entworfen, und viele weibliche Hände haben seine Räume eingerichtet und aus¬<lb/> gestattet, haben sür seine Glasschränke und Schaukästen eine Fülle nützlicher<lb/> und notwendiger Dinge ersonnen und zubereitet. Solche gesonderte Darbietung<lb/> hat ihre Vorzüge: sie gibt ein abgerundetes Gesamtbild; sie läßt gemeinsame<lb/> Wesenszüge der Frauenarbeit deutlicher heraustreten. Zugleich werden aber<lb/> so auch die Grenzen und Schranken weiblicher Befähigung und Leistung eher<lb/> offenbar werden. Eine eigentlich schöpferische, in einer starken und eigenen<lb/> Formensprache frei sich auswirkende Kraft spürt man kaum irgendwo in den<lb/> zahlreichen Zimmern, aber mancherlei gute Begabung zum Aneignen und Durch¬<lb/> bilden neuer Formgedanken. Da und dort auch einen Willen, trauliches Be¬<lb/> hagen zu schaffen, den Wohnraum auf schlichte Gediegenheit zu stimmen. Aber<lb/> häufiger hat man den Eindruck, als sei es mit allem Eifer darauf abgesehen,<lb/> daß der Raum oder das Einzelstück nur ja nicht unmodern und zahm-<lb/> bescheiden erscheint. Dann spreizen sich die Möbel in einer gezwungen steifen<lb/> Haltung, und die Farben wagen grelle, gewaltsame Gegensätze. Mehr als<lb/> eine tüchtige Mitarbeit scheint das Schaffen der Frau als Raumkünstlerin heute<lb/> noch nicht gezeitigt zu haben. Viel Eigenes und Feines dagegen gelingt ihr<lb/> in den Bereichen, die ihrer Sorge und Liebe zuallernächst anvertraut sind: in<lb/> all den tausend großen und kleinen Notwendigkeiten der Kleidung, des Putz¬<lb/> tisches, der Kinderstube weiß sie reizvolle Formen, kräftiges Farbenleben<lb/> zu entfalten, und eine anmutige Fülle des Überflüssigem erfindet sie noch dazu,<lb/> Gebilde von gewinnender Schönheit des Materials und köstlicher Sorgfalt der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0227]
Die Ausstellung des Deutschen Werkbundes in Köln
bilden, ganz auf schwarz und weiß gestimmt, und das Unruhige, Flackernde,
was er dadurch gewinnt, lebt auch in all den kostbaren Dingen, die rings
hinter Schaufenstern aufgestellt sind. Sie schimmern in matten, sie schreien in
grell gegeneinander gesetzten Farben, im einfachsten Stück noch waltet ein
delikater Geschmack der Tönung, der Zusammenstellung, der Mischung. Die
Formen unter oft an, als mühten sie sich, künstlich, steif zu sein: sie bannen
organische Gebilde in geometrische Flächen und Körper oder stilisieren die
Erscheinung zu archaischer Dürftigkeit. Aus alledem erwächst eine eindringliche
Gesamtstimmung von wohlgepflegter Müdigkeit, von suchender Bewußtheit, von
überreifer Verfeinerung, die sich zuweilen in halbbarbarischer Primitivität Ge¬
nüge tut. Die Schwüle der Treibhausluft erfüllt überall auch die übrigen
Räume, gewaltig hohe, mit gesuchtester Absichtlichkeit auf einfache Grundakkorde
gebrachte Wohnräume zumeist, auserlesen üppig im Material, kapriziös in der
Form. Und der Eindruck hat schließlich doch eine harrende Macht, denn hier
schafft sich ein verwöhnter Reizhunger die Welt, die sein Wesen ausdrückt: ganz
persönlich, weltstadtmäßig kultiviert, im letzten Grunde doch spielerisch, selbst¬
gefällig und kraftlos, und in der Gesamterscheinung ausgesprochen sttdost-
euroväisch.
Ein Haus, das über das kunstgewerbliche Schaffen der Frau einen um¬
fassenden Überblick gewähren soll, hat die Architektin Frau Knüppelholz-Roeser
entworfen, und viele weibliche Hände haben seine Räume eingerichtet und aus¬
gestattet, haben sür seine Glasschränke und Schaukästen eine Fülle nützlicher
und notwendiger Dinge ersonnen und zubereitet. Solche gesonderte Darbietung
hat ihre Vorzüge: sie gibt ein abgerundetes Gesamtbild; sie läßt gemeinsame
Wesenszüge der Frauenarbeit deutlicher heraustreten. Zugleich werden aber
so auch die Grenzen und Schranken weiblicher Befähigung und Leistung eher
offenbar werden. Eine eigentlich schöpferische, in einer starken und eigenen
Formensprache frei sich auswirkende Kraft spürt man kaum irgendwo in den
zahlreichen Zimmern, aber mancherlei gute Begabung zum Aneignen und Durch¬
bilden neuer Formgedanken. Da und dort auch einen Willen, trauliches Be¬
hagen zu schaffen, den Wohnraum auf schlichte Gediegenheit zu stimmen. Aber
häufiger hat man den Eindruck, als sei es mit allem Eifer darauf abgesehen,
daß der Raum oder das Einzelstück nur ja nicht unmodern und zahm-
bescheiden erscheint. Dann spreizen sich die Möbel in einer gezwungen steifen
Haltung, und die Farben wagen grelle, gewaltsame Gegensätze. Mehr als
eine tüchtige Mitarbeit scheint das Schaffen der Frau als Raumkünstlerin heute
noch nicht gezeitigt zu haben. Viel Eigenes und Feines dagegen gelingt ihr
in den Bereichen, die ihrer Sorge und Liebe zuallernächst anvertraut sind: in
all den tausend großen und kleinen Notwendigkeiten der Kleidung, des Putz¬
tisches, der Kinderstube weiß sie reizvolle Formen, kräftiges Farbenleben
zu entfalten, und eine anmutige Fülle des Überflüssigem erfindet sie noch dazu,
Gebilde von gewinnender Schönheit des Materials und köstlicher Sorgfalt der
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