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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Die Dominien des Pazifik und die britische Reich-vcrteidignng

Nach Äußerung des Premiermünsters werden iii den Jahren 1914 bis 1916
ein Großkampfschiff, drei Zerstörer, zwei Unterseeboote und ein Depotschiff auf
Stapel gelegt werden. Das im März 1913 in Geeloug errichtete Naval College,
das zunächst achtundzwanzig Kadetten aufnahm, soll gegebenenfalls auch den
neuseeländischen Offizierersatz mit ausbilden.

Die Neuseeländer sind zwar weit entsernt davon, ihr Schicksal mit dem
des Commonwealth zu verbinden, wie schon früher das Scheitern eines
australisch-neuseeländischen Zollbündnisses bewiesen hat. Trotz der Beisteuerung
von zwei Millionen Mark zum Chinesischen Geschwader und trotz des Ge¬
schenkes des Panzerkreuzers Neuseeland an das Mutterland, scheint in Neusee¬
land die Flottenpolitik eine andere Richtung einzuschlagen, indem man zur
australischen Flotte eine Diviston stellen will. Wie sehr die neuseeländische
Regierung wegen der NichtHaltung des von England gegebenen Versprechens,
den Schutz in den australischen Gewässern ausüben zu wollen, verschnupft ist,
zeigt sich in den Worten des Premierministers Massey, der offen erklärte,
daß Neuseeland sein bisheriges Verhalten England gegenüber ändern müsse.

Bei der nächsten Reichsoerteidigungskonferenz, an der wie 1911 die Premier¬
minister der Dominien unter dem Vorsitz des englischen Premierministers teil¬
nehmen, wird sicherlich von den Vertretern der Kolonien mehr wie bisher betont
werden, daß die Dominien ihre Seestreitkräfte nach ihrem eigenen Bedarf aus¬
zubauen gedenken, und daß diese Kolonien, wie die Vertreter der kanadischen
Regierung dies schon offen ausgesprochen haben, nicht gewillt sind, in einen
Krieg des Mutterlandes hineingezogen zu werden, den sie nicht gebilligt haben.
Die schwierige Frage der Verleihung einer gleichberechtigten Stimme bei der
Kontrolle der auswärtigen Politik des Reiches wird auch hier nicht unerörtert
bleiben.

Wenn man den Verlauf der Ereignisse und Verhandlungen der letzten
Jahre überblickt, kann als Tatsache hingestellt werden, daß die englische Regierung
trotz der eifrigsten Agitation der Imperialisten mit der beabsichtigten Reichs¬
flotte Fiasko gemacht hat. Die Seestreitkräfte der Dominien, besonders des
Commonwealth werden, wenn sie auch nach englischen Vorschriften ausgebildet
werden, der Flotte des Mutterlandes an Wert kaum jemals gleichkommen.
Angesichts ihrer geringen Stärke werden sie nicht geübt sein, im Verbände zu
fechten, auch wird ihr Offizierkorps dem der Flotte des Mutterlandes nicht
gleichwertig sein.

Die englische Regierung wird sich daher die Frage stellen müssen, ob sie
auf die Dinier an ihrer Konzentrationspolitik festhalten kann oder ob sie sich
zu Entsendungen von Teilen ihrer Flotte zur Unterstützung der Kolonialflotten
entschließen muß.

In viel höherem Maße als die Flotte haben sich die Landstreitkräfte
Australiens und Neuseelands in den letzten Jahren entwickelt. Für die Ver¬
teidigung dieser beiden Kolonien einer Großmacht mit einem stehenden Heere


Die Dominien des Pazifik und die britische Reich-vcrteidignng

Nach Äußerung des Premiermünsters werden iii den Jahren 1914 bis 1916
ein Großkampfschiff, drei Zerstörer, zwei Unterseeboote und ein Depotschiff auf
Stapel gelegt werden. Das im März 1913 in Geeloug errichtete Naval College,
das zunächst achtundzwanzig Kadetten aufnahm, soll gegebenenfalls auch den
neuseeländischen Offizierersatz mit ausbilden.

Die Neuseeländer sind zwar weit entsernt davon, ihr Schicksal mit dem
des Commonwealth zu verbinden, wie schon früher das Scheitern eines
australisch-neuseeländischen Zollbündnisses bewiesen hat. Trotz der Beisteuerung
von zwei Millionen Mark zum Chinesischen Geschwader und trotz des Ge¬
schenkes des Panzerkreuzers Neuseeland an das Mutterland, scheint in Neusee¬
land die Flottenpolitik eine andere Richtung einzuschlagen, indem man zur
australischen Flotte eine Diviston stellen will. Wie sehr die neuseeländische
Regierung wegen der NichtHaltung des von England gegebenen Versprechens,
den Schutz in den australischen Gewässern ausüben zu wollen, verschnupft ist,
zeigt sich in den Worten des Premierministers Massey, der offen erklärte,
daß Neuseeland sein bisheriges Verhalten England gegenüber ändern müsse.

Bei der nächsten Reichsoerteidigungskonferenz, an der wie 1911 die Premier¬
minister der Dominien unter dem Vorsitz des englischen Premierministers teil¬
nehmen, wird sicherlich von den Vertretern der Kolonien mehr wie bisher betont
werden, daß die Dominien ihre Seestreitkräfte nach ihrem eigenen Bedarf aus¬
zubauen gedenken, und daß diese Kolonien, wie die Vertreter der kanadischen
Regierung dies schon offen ausgesprochen haben, nicht gewillt sind, in einen
Krieg des Mutterlandes hineingezogen zu werden, den sie nicht gebilligt haben.
Die schwierige Frage der Verleihung einer gleichberechtigten Stimme bei der
Kontrolle der auswärtigen Politik des Reiches wird auch hier nicht unerörtert
bleiben.

Wenn man den Verlauf der Ereignisse und Verhandlungen der letzten
Jahre überblickt, kann als Tatsache hingestellt werden, daß die englische Regierung
trotz der eifrigsten Agitation der Imperialisten mit der beabsichtigten Reichs¬
flotte Fiasko gemacht hat. Die Seestreitkräfte der Dominien, besonders des
Commonwealth werden, wenn sie auch nach englischen Vorschriften ausgebildet
werden, der Flotte des Mutterlandes an Wert kaum jemals gleichkommen.
Angesichts ihrer geringen Stärke werden sie nicht geübt sein, im Verbände zu
fechten, auch wird ihr Offizierkorps dem der Flotte des Mutterlandes nicht
gleichwertig sein.

Die englische Regierung wird sich daher die Frage stellen müssen, ob sie
auf die Dinier an ihrer Konzentrationspolitik festhalten kann oder ob sie sich
zu Entsendungen von Teilen ihrer Flotte zur Unterstützung der Kolonialflotten
entschließen muß.

In viel höherem Maße als die Flotte haben sich die Landstreitkräfte
Australiens und Neuseelands in den letzten Jahren entwickelt. Für die Ver¬
teidigung dieser beiden Kolonien einer Großmacht mit einem stehenden Heere


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[0215] Die Dominien des Pazifik und die britische Reich-vcrteidignng Nach Äußerung des Premiermünsters werden iii den Jahren 1914 bis 1916 ein Großkampfschiff, drei Zerstörer, zwei Unterseeboote und ein Depotschiff auf Stapel gelegt werden. Das im März 1913 in Geeloug errichtete Naval College, das zunächst achtundzwanzig Kadetten aufnahm, soll gegebenenfalls auch den neuseeländischen Offizierersatz mit ausbilden. Die Neuseeländer sind zwar weit entsernt davon, ihr Schicksal mit dem des Commonwealth zu verbinden, wie schon früher das Scheitern eines australisch-neuseeländischen Zollbündnisses bewiesen hat. Trotz der Beisteuerung von zwei Millionen Mark zum Chinesischen Geschwader und trotz des Ge¬ schenkes des Panzerkreuzers Neuseeland an das Mutterland, scheint in Neusee¬ land die Flottenpolitik eine andere Richtung einzuschlagen, indem man zur australischen Flotte eine Diviston stellen will. Wie sehr die neuseeländische Regierung wegen der NichtHaltung des von England gegebenen Versprechens, den Schutz in den australischen Gewässern ausüben zu wollen, verschnupft ist, zeigt sich in den Worten des Premierministers Massey, der offen erklärte, daß Neuseeland sein bisheriges Verhalten England gegenüber ändern müsse. Bei der nächsten Reichsoerteidigungskonferenz, an der wie 1911 die Premier¬ minister der Dominien unter dem Vorsitz des englischen Premierministers teil¬ nehmen, wird sicherlich von den Vertretern der Kolonien mehr wie bisher betont werden, daß die Dominien ihre Seestreitkräfte nach ihrem eigenen Bedarf aus¬ zubauen gedenken, und daß diese Kolonien, wie die Vertreter der kanadischen Regierung dies schon offen ausgesprochen haben, nicht gewillt sind, in einen Krieg des Mutterlandes hineingezogen zu werden, den sie nicht gebilligt haben. Die schwierige Frage der Verleihung einer gleichberechtigten Stimme bei der Kontrolle der auswärtigen Politik des Reiches wird auch hier nicht unerörtert bleiben. Wenn man den Verlauf der Ereignisse und Verhandlungen der letzten Jahre überblickt, kann als Tatsache hingestellt werden, daß die englische Regierung trotz der eifrigsten Agitation der Imperialisten mit der beabsichtigten Reichs¬ flotte Fiasko gemacht hat. Die Seestreitkräfte der Dominien, besonders des Commonwealth werden, wenn sie auch nach englischen Vorschriften ausgebildet werden, der Flotte des Mutterlandes an Wert kaum jemals gleichkommen. Angesichts ihrer geringen Stärke werden sie nicht geübt sein, im Verbände zu fechten, auch wird ihr Offizierkorps dem der Flotte des Mutterlandes nicht gleichwertig sein. Die englische Regierung wird sich daher die Frage stellen müssen, ob sie auf die Dinier an ihrer Konzentrationspolitik festhalten kann oder ob sie sich zu Entsendungen von Teilen ihrer Flotte zur Unterstützung der Kolonialflotten entschließen muß. In viel höherem Maße als die Flotte haben sich die Landstreitkräfte Australiens und Neuseelands in den letzten Jahren entwickelt. Für die Ver¬ teidigung dieser beiden Kolonien einer Großmacht mit einem stehenden Heere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/215>, abgerufen am 01.09.2024.