Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Dominien des Pazifik und die britische Reichsvcrieidigung

kaum zu halten sein. Die ganze französische Kolonie Äquatorial-Afrika ist ein
unglückliches Gebilde. Einen Teil davon hat man ja schon dem Marokkowahn
geopfert, indem man ihn an Deutschland abtrat. Der Rest ist nun zwischen
Belgisch - Kongo, Deutsch-Kamerun, Englisch ° Sudan und Italienisch-Tripolis
eingekeilt. Die italienischen Kolonialzcitungen erklären ja ganz offen, daß
Italien sich bis zum Tschad ausdehnen müsse. Das kann nur auf Kosten d?s
nördlichen Teiles der Kolonie geschehen. Dieser Teil gravitiert wirtschaftlich
durchaus nach Tripolis und wird ihm zweifellos eines Tages zufallen.
'

Die französische Politik, Italien niederzuhalten, ist wie in Europa so in
Afrika endgültig gescheitert.




Die Dominien
des Pazifik und die britische Reichsverteidigung

item in der Machtsphäre der ostasiatischen Völker gelegen, wirt¬
schaftlich wenig entwickelt und schwach bevölkert, mit großen, schwer
zu verteidigenden Küstenlinien ausgestattet und unzureichenden Ver¬
teidigungsmitteln versehen, fühlten und fühlen sich die englischen
Kolonien des Pazifischen Ozeans nicht nur durch das Erstarken
Japans, sondern auch durch ein allmähliches Vordringen anderer Mächte in
ihrer Nachbarschaft, wie der Vereinigten Staaten, aber auch Deutschlands und
Frankreichs, in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung bedroht. Nach der in den
Pazifischen Dominien Großbritanniens herrschenden Ansicht durfte das Mutter¬
land nicht dulden, daß andere Nationen sich in der Südsee festsetzten. Die Ver¬
treter dieser Dominien warfen daher der englischen Negierung vor, daß sie
nicht rechtzeitig gehandelt und schließlich zu spät zugegriffen habe, um die den
Kolonien drohende Gefahr abzuwenden. Dieses passive Verhalten der Regierung
des Mutterlandes gab den ersten Anstoß zu einer nachhaltigen Mißstimmung
zwischen dieser und seinen entferntesten Kolonien, die auch in den letzten Monaten
wieder lebhaft zutage trat.

Als am 17. März dieses Jahres der Erste Lord der Admiralität, Mr. Churchill,
bei Einbringung des Flottenetats die Kolonien mit Selbstverwaltung wegen ihres
angeblich geringen Entgegenkommens bei der Aufstellung einer Reichsflotte scharf
angriff, rief er einen Sturm der Entrüstung in den Dominien, besonders in
den am entferntesten liegenden, dem Commonwealth urit Neuseeland, hervor.
Der Ton, der seitens der verantwortlichen Minister dieser Kolonien sofort ab-


Die Dominien des Pazifik und die britische Reichsvcrieidigung

kaum zu halten sein. Die ganze französische Kolonie Äquatorial-Afrika ist ein
unglückliches Gebilde. Einen Teil davon hat man ja schon dem Marokkowahn
geopfert, indem man ihn an Deutschland abtrat. Der Rest ist nun zwischen
Belgisch - Kongo, Deutsch-Kamerun, Englisch ° Sudan und Italienisch-Tripolis
eingekeilt. Die italienischen Kolonialzcitungen erklären ja ganz offen, daß
Italien sich bis zum Tschad ausdehnen müsse. Das kann nur auf Kosten d?s
nördlichen Teiles der Kolonie geschehen. Dieser Teil gravitiert wirtschaftlich
durchaus nach Tripolis und wird ihm zweifellos eines Tages zufallen.
'

Die französische Politik, Italien niederzuhalten, ist wie in Europa so in
Afrika endgültig gescheitert.




Die Dominien
des Pazifik und die britische Reichsverteidigung

item in der Machtsphäre der ostasiatischen Völker gelegen, wirt¬
schaftlich wenig entwickelt und schwach bevölkert, mit großen, schwer
zu verteidigenden Küstenlinien ausgestattet und unzureichenden Ver¬
teidigungsmitteln versehen, fühlten und fühlen sich die englischen
Kolonien des Pazifischen Ozeans nicht nur durch das Erstarken
Japans, sondern auch durch ein allmähliches Vordringen anderer Mächte in
ihrer Nachbarschaft, wie der Vereinigten Staaten, aber auch Deutschlands und
Frankreichs, in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung bedroht. Nach der in den
Pazifischen Dominien Großbritanniens herrschenden Ansicht durfte das Mutter¬
land nicht dulden, daß andere Nationen sich in der Südsee festsetzten. Die Ver¬
treter dieser Dominien warfen daher der englischen Negierung vor, daß sie
nicht rechtzeitig gehandelt und schließlich zu spät zugegriffen habe, um die den
Kolonien drohende Gefahr abzuwenden. Dieses passive Verhalten der Regierung
des Mutterlandes gab den ersten Anstoß zu einer nachhaltigen Mißstimmung
zwischen dieser und seinen entferntesten Kolonien, die auch in den letzten Monaten
wieder lebhaft zutage trat.

Als am 17. März dieses Jahres der Erste Lord der Admiralität, Mr. Churchill,
bei Einbringung des Flottenetats die Kolonien mit Selbstverwaltung wegen ihres
angeblich geringen Entgegenkommens bei der Aufstellung einer Reichsflotte scharf
angriff, rief er einen Sturm der Entrüstung in den Dominien, besonders in
den am entferntesten liegenden, dem Commonwealth urit Neuseeland, hervor.
Der Ton, der seitens der verantwortlichen Minister dieser Kolonien sofort ab-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0212" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328946"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Dominien des Pazifik und die britische Reichsvcrieidigung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_678" prev="#ID_677"> kaum zu halten sein. Die ganze französische Kolonie Äquatorial-Afrika ist ein<lb/>
unglückliches Gebilde. Einen Teil davon hat man ja schon dem Marokkowahn<lb/>
geopfert, indem man ihn an Deutschland abtrat. Der Rest ist nun zwischen<lb/>
Belgisch - Kongo, Deutsch-Kamerun, Englisch ° Sudan und Italienisch-Tripolis<lb/>
eingekeilt. Die italienischen Kolonialzcitungen erklären ja ganz offen, daß<lb/>
Italien sich bis zum Tschad ausdehnen müsse. Das kann nur auf Kosten d?s<lb/>
nördlichen Teiles der Kolonie geschehen. Dieser Teil gravitiert wirtschaftlich<lb/>
durchaus nach Tripolis und wird ihm zweifellos eines Tages zufallen.<lb/>
'</p><lb/>
          <p xml:id="ID_679"> Die französische Politik, Italien niederzuhalten, ist wie in Europa so in<lb/>
Afrika endgültig gescheitert.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Dominien<lb/>
des Pazifik und die britische Reichsverteidigung</head><lb/>
          <p xml:id="ID_680"> item in der Machtsphäre der ostasiatischen Völker gelegen, wirt¬<lb/>
schaftlich wenig entwickelt und schwach bevölkert, mit großen, schwer<lb/>
zu verteidigenden Küstenlinien ausgestattet und unzureichenden Ver¬<lb/>
teidigungsmitteln versehen, fühlten und fühlen sich die englischen<lb/>
Kolonien des Pazifischen Ozeans nicht nur durch das Erstarken<lb/>
Japans, sondern auch durch ein allmähliches Vordringen anderer Mächte in<lb/>
ihrer Nachbarschaft, wie der Vereinigten Staaten, aber auch Deutschlands und<lb/>
Frankreichs, in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung bedroht. Nach der in den<lb/>
Pazifischen Dominien Großbritanniens herrschenden Ansicht durfte das Mutter¬<lb/>
land nicht dulden, daß andere Nationen sich in der Südsee festsetzten. Die Ver¬<lb/>
treter dieser Dominien warfen daher der englischen Negierung vor, daß sie<lb/>
nicht rechtzeitig gehandelt und schließlich zu spät zugegriffen habe, um die den<lb/>
Kolonien drohende Gefahr abzuwenden. Dieses passive Verhalten der Regierung<lb/>
des Mutterlandes gab den ersten Anstoß zu einer nachhaltigen Mißstimmung<lb/>
zwischen dieser und seinen entferntesten Kolonien, die auch in den letzten Monaten<lb/>
wieder lebhaft zutage trat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_681" next="#ID_682"> Als am 17. März dieses Jahres der Erste Lord der Admiralität, Mr. Churchill,<lb/>
bei Einbringung des Flottenetats die Kolonien mit Selbstverwaltung wegen ihres<lb/>
angeblich geringen Entgegenkommens bei der Aufstellung einer Reichsflotte scharf<lb/>
angriff, rief er einen Sturm der Entrüstung in den Dominien, besonders in<lb/>
den am entferntesten liegenden, dem Commonwealth urit Neuseeland, hervor.<lb/>
Der Ton, der seitens der verantwortlichen Minister dieser Kolonien sofort ab-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0212] Die Dominien des Pazifik und die britische Reichsvcrieidigung kaum zu halten sein. Die ganze französische Kolonie Äquatorial-Afrika ist ein unglückliches Gebilde. Einen Teil davon hat man ja schon dem Marokkowahn geopfert, indem man ihn an Deutschland abtrat. Der Rest ist nun zwischen Belgisch - Kongo, Deutsch-Kamerun, Englisch ° Sudan und Italienisch-Tripolis eingekeilt. Die italienischen Kolonialzcitungen erklären ja ganz offen, daß Italien sich bis zum Tschad ausdehnen müsse. Das kann nur auf Kosten d?s nördlichen Teiles der Kolonie geschehen. Dieser Teil gravitiert wirtschaftlich durchaus nach Tripolis und wird ihm zweifellos eines Tages zufallen. ' Die französische Politik, Italien niederzuhalten, ist wie in Europa so in Afrika endgültig gescheitert. Die Dominien des Pazifik und die britische Reichsverteidigung item in der Machtsphäre der ostasiatischen Völker gelegen, wirt¬ schaftlich wenig entwickelt und schwach bevölkert, mit großen, schwer zu verteidigenden Küstenlinien ausgestattet und unzureichenden Ver¬ teidigungsmitteln versehen, fühlten und fühlen sich die englischen Kolonien des Pazifischen Ozeans nicht nur durch das Erstarken Japans, sondern auch durch ein allmähliches Vordringen anderer Mächte in ihrer Nachbarschaft, wie der Vereinigten Staaten, aber auch Deutschlands und Frankreichs, in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung bedroht. Nach der in den Pazifischen Dominien Großbritanniens herrschenden Ansicht durfte das Mutter¬ land nicht dulden, daß andere Nationen sich in der Südsee festsetzten. Die Ver¬ treter dieser Dominien warfen daher der englischen Negierung vor, daß sie nicht rechtzeitig gehandelt und schließlich zu spät zugegriffen habe, um die den Kolonien drohende Gefahr abzuwenden. Dieses passive Verhalten der Regierung des Mutterlandes gab den ersten Anstoß zu einer nachhaltigen Mißstimmung zwischen dieser und seinen entferntesten Kolonien, die auch in den letzten Monaten wieder lebhaft zutage trat. Als am 17. März dieses Jahres der Erste Lord der Admiralität, Mr. Churchill, bei Einbringung des Flottenetats die Kolonien mit Selbstverwaltung wegen ihres angeblich geringen Entgegenkommens bei der Aufstellung einer Reichsflotte scharf angriff, rief er einen Sturm der Entrüstung in den Dominien, besonders in den am entferntesten liegenden, dem Commonwealth urit Neuseeland, hervor. Der Ton, der seitens der verantwortlichen Minister dieser Kolonien sofort ab-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/212
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/212>, abgerufen am 27.07.2024.