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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Zur Geschichte der Entwicklung der Arbeitgeberorganisationen

gelegentlich ihrer Generalversammlungen die Errichtung von Streikentschädigungs¬
kassen beschlossen.

Über die russische Arbeitgeberbewegung sind die vorliegenden Berichte sehr
mangelhaft. Jedenfalls haben die dortigen Organisationen, wie die einzelnen
Unternehmer selbst, ständig unter den vielen politischen Kämpfen zu leiden.
Hierzu kommt noch die große Streitlust der anarchistischen Arbeiterorganisationen.
Bedeutendere Unternehmervereinigungen bilden hier die Metallindustrie, die
Textitindustrie und das Buchdruckergewerbe. Über die Einrichtung von Ent¬
schädigung bei Arbeitsstreitigkeiten liegen folgende Berichte vor. In der Ge¬
neralversammlung vom 6. November 1906 wurde für die Mechanische Abteilung
der Gesellschaft von Fabrikbesitzern und Fabrikanten, Se, Petersburg, eine In¬
struktion zu den Satzungen beschlossen, die unter anderem auch Bestimmungen
über Streikentschädigung enthält. Ähnliche Einrichtungen beschlossen die Unter¬
nehmer im Moskaner Jndustrierarwn, die Gesellschaft der Tvpo-Lithographien
in Moskau und verschiedene andere mehr.

Die Organisation der Unternehmer in Schweden beschränkte sich bis Ende
vorigen Jahrhunderts aus Handwerker und kleinere Industrielle, die sich zur
Wahrung ihrer gemeinsamen Berufsinteressen zu Handwerksvereinigungen (ttemät-
verKsköreninAsn) zusammenschlossen. Infolge des großen Aufschwunges der
Arbeiterorganisationen sowie der wachsenden Streitlust (Schweden ist bekanntlich
nach Deutschland das streiklustigste Land der Erde) machte sich gar bald eine
Organisierung der Großindustrie notwendig und es entstanden Unternehmer¬
organisationen in der Papier" und Buchdruckereiindustrie, in der Mühlenindustrie,
im Brauereigewerbe, in der Zigarrenfabrikation und verschiedenen anderen mehr.
Aber auch die Handwerksvereinigungen genügten bei der stetig sich steigernden
Macht der Arbeiterorganisationen keineswegs mehr. Die Handwerker Schwedens
sahen sich daher gezwungen, ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu den lokalen
Handwerksvereinigungen Landesfachverbände bzw. Arbeitgeberverbände all¬
gemeinen Charakters zu errichten. Im Jahre 1904 bestanden hier schon ent¬
sprechende Vereinigungen der Bäcker, Malermeister, Schneidermeister, Tischler¬
meister und Uhrmacher.

Nach den vorliegenden Berichten umfaßte die Organisation der Unter¬
nehmer Schwedens im Jahre 1911 5500 Mitglieder mit 250000 Arbeitern.
Zentralisiert ist die Arbeitgeberbewegung Schwedens in drei Hauptoerbänden, und
zwar "Lentralg, arbswAlkval-eföi'btmäöt" (Zentraler Arbeitgeberverband),
"LveriZeg verkZtaäslöremnZ" (Schwedische Werkstattvereinigung) und
"LvenZka arbetsAilvarelöremnZen" (Schwedischer Arbeitgeberverein). In
neuester Zeit hat nun auch LvensKa ardetZZifvareförenln^su (Sitz Stockholm)
eine Streikverstcherung eingerichtet.

So unvollkommen und zerrissen wie die Organisationen der Arbeiter sind
in Belgien auch die Organisationen der Arbeitgeber. Anders verhält es sich
in den Niederlanden. Hier steht den Arbeiterverbänden eine gut organisierte


Zur Geschichte der Entwicklung der Arbeitgeberorganisationen

gelegentlich ihrer Generalversammlungen die Errichtung von Streikentschädigungs¬
kassen beschlossen.

Über die russische Arbeitgeberbewegung sind die vorliegenden Berichte sehr
mangelhaft. Jedenfalls haben die dortigen Organisationen, wie die einzelnen
Unternehmer selbst, ständig unter den vielen politischen Kämpfen zu leiden.
Hierzu kommt noch die große Streitlust der anarchistischen Arbeiterorganisationen.
Bedeutendere Unternehmervereinigungen bilden hier die Metallindustrie, die
Textitindustrie und das Buchdruckergewerbe. Über die Einrichtung von Ent¬
schädigung bei Arbeitsstreitigkeiten liegen folgende Berichte vor. In der Ge¬
neralversammlung vom 6. November 1906 wurde für die Mechanische Abteilung
der Gesellschaft von Fabrikbesitzern und Fabrikanten, Se, Petersburg, eine In¬
struktion zu den Satzungen beschlossen, die unter anderem auch Bestimmungen
über Streikentschädigung enthält. Ähnliche Einrichtungen beschlossen die Unter¬
nehmer im Moskaner Jndustrierarwn, die Gesellschaft der Tvpo-Lithographien
in Moskau und verschiedene andere mehr.

Die Organisation der Unternehmer in Schweden beschränkte sich bis Ende
vorigen Jahrhunderts aus Handwerker und kleinere Industrielle, die sich zur
Wahrung ihrer gemeinsamen Berufsinteressen zu Handwerksvereinigungen (ttemät-
verKsköreninAsn) zusammenschlossen. Infolge des großen Aufschwunges der
Arbeiterorganisationen sowie der wachsenden Streitlust (Schweden ist bekanntlich
nach Deutschland das streiklustigste Land der Erde) machte sich gar bald eine
Organisierung der Großindustrie notwendig und es entstanden Unternehmer¬
organisationen in der Papier» und Buchdruckereiindustrie, in der Mühlenindustrie,
im Brauereigewerbe, in der Zigarrenfabrikation und verschiedenen anderen mehr.
Aber auch die Handwerksvereinigungen genügten bei der stetig sich steigernden
Macht der Arbeiterorganisationen keineswegs mehr. Die Handwerker Schwedens
sahen sich daher gezwungen, ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu den lokalen
Handwerksvereinigungen Landesfachverbände bzw. Arbeitgeberverbände all¬
gemeinen Charakters zu errichten. Im Jahre 1904 bestanden hier schon ent¬
sprechende Vereinigungen der Bäcker, Malermeister, Schneidermeister, Tischler¬
meister und Uhrmacher.

Nach den vorliegenden Berichten umfaßte die Organisation der Unter¬
nehmer Schwedens im Jahre 1911 5500 Mitglieder mit 250000 Arbeitern.
Zentralisiert ist die Arbeitgeberbewegung Schwedens in drei Hauptoerbänden, und
zwar „Lentralg, arbswAlkval-eföi'btmäöt" (Zentraler Arbeitgeberverband),
„LveriZeg verkZtaäslöremnZ" (Schwedische Werkstattvereinigung) und
„LvenZka arbetsAilvarelöremnZen" (Schwedischer Arbeitgeberverein). In
neuester Zeit hat nun auch LvensKa ardetZZifvareförenln^su (Sitz Stockholm)
eine Streikverstcherung eingerichtet.

So unvollkommen und zerrissen wie die Organisationen der Arbeiter sind
in Belgien auch die Organisationen der Arbeitgeber. Anders verhält es sich
in den Niederlanden. Hier steht den Arbeiterverbänden eine gut organisierte


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[0176] Zur Geschichte der Entwicklung der Arbeitgeberorganisationen gelegentlich ihrer Generalversammlungen die Errichtung von Streikentschädigungs¬ kassen beschlossen. Über die russische Arbeitgeberbewegung sind die vorliegenden Berichte sehr mangelhaft. Jedenfalls haben die dortigen Organisationen, wie die einzelnen Unternehmer selbst, ständig unter den vielen politischen Kämpfen zu leiden. Hierzu kommt noch die große Streitlust der anarchistischen Arbeiterorganisationen. Bedeutendere Unternehmervereinigungen bilden hier die Metallindustrie, die Textitindustrie und das Buchdruckergewerbe. Über die Einrichtung von Ent¬ schädigung bei Arbeitsstreitigkeiten liegen folgende Berichte vor. In der Ge¬ neralversammlung vom 6. November 1906 wurde für die Mechanische Abteilung der Gesellschaft von Fabrikbesitzern und Fabrikanten, Se, Petersburg, eine In¬ struktion zu den Satzungen beschlossen, die unter anderem auch Bestimmungen über Streikentschädigung enthält. Ähnliche Einrichtungen beschlossen die Unter¬ nehmer im Moskaner Jndustrierarwn, die Gesellschaft der Tvpo-Lithographien in Moskau und verschiedene andere mehr. Die Organisation der Unternehmer in Schweden beschränkte sich bis Ende vorigen Jahrhunderts aus Handwerker und kleinere Industrielle, die sich zur Wahrung ihrer gemeinsamen Berufsinteressen zu Handwerksvereinigungen (ttemät- verKsköreninAsn) zusammenschlossen. Infolge des großen Aufschwunges der Arbeiterorganisationen sowie der wachsenden Streitlust (Schweden ist bekanntlich nach Deutschland das streiklustigste Land der Erde) machte sich gar bald eine Organisierung der Großindustrie notwendig und es entstanden Unternehmer¬ organisationen in der Papier» und Buchdruckereiindustrie, in der Mühlenindustrie, im Brauereigewerbe, in der Zigarrenfabrikation und verschiedenen anderen mehr. Aber auch die Handwerksvereinigungen genügten bei der stetig sich steigernden Macht der Arbeiterorganisationen keineswegs mehr. Die Handwerker Schwedens sahen sich daher gezwungen, ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu den lokalen Handwerksvereinigungen Landesfachverbände bzw. Arbeitgeberverbände all¬ gemeinen Charakters zu errichten. Im Jahre 1904 bestanden hier schon ent¬ sprechende Vereinigungen der Bäcker, Malermeister, Schneidermeister, Tischler¬ meister und Uhrmacher. Nach den vorliegenden Berichten umfaßte die Organisation der Unter¬ nehmer Schwedens im Jahre 1911 5500 Mitglieder mit 250000 Arbeitern. Zentralisiert ist die Arbeitgeberbewegung Schwedens in drei Hauptoerbänden, und zwar „Lentralg, arbswAlkval-eföi'btmäöt" (Zentraler Arbeitgeberverband), „LveriZeg verkZtaäslöremnZ" (Schwedische Werkstattvereinigung) und „LvenZka arbetsAilvarelöremnZen" (Schwedischer Arbeitgeberverein). In neuester Zeit hat nun auch LvensKa ardetZZifvareförenln^su (Sitz Stockholm) eine Streikverstcherung eingerichtet. So unvollkommen und zerrissen wie die Organisationen der Arbeiter sind in Belgien auch die Organisationen der Arbeitgeber. Anders verhält es sich in den Niederlanden. Hier steht den Arbeiterverbänden eine gut organisierte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/176>, abgerufen am 01.09.2024.