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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Zur Geschichte der Entwicklung der Arbeitgeberorganisationen

vorjährigen Übersicht werden hier 20228 Mitglieder mit 362679 Arbeitern
mehr als versichert nachgewiesen. Wenngleich ein erheblicher Teil von diesem
Mehr auf das Baugewerbe einfällt, ein anderer Teil auf bessere Bericht¬
erstattung zurückzuführen ist, so verbleibt doch noch eine wesentliche Steigerung,
die der Ausbreitung des Streikoersicherungsgedankens zuzuschreiben sein wird.

Einen Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung stellt
das Jahr 1913 dar. Hier erfolgte ein weiterer bedeutender Schritt in der
Organisierung der deutschen Unternehmerschaft. Am 5. April 1913 haben sich
nämlich die beiden führenden Zentralen, der "Verein Deutscher Arbeitgeber-
verbände" und die "Hauptstelle Deutscher Arbeitgeberverbände", die bisher auf
verschiedenen Wegen dem gleichen Ziel zustrebten, in der "Vereinigung der
Deutschen Arbeitgeberverbände" zusammengefunden, und es steht zu erwarten,
daß die segensreichen Folgen dieser von allen einsichtsvollen Verfechtern der
Organisationsidee befürworteten Kräfievereinigung sich binnen kürzester Frist in
reichem Maße bemerkbar machen werden.

Gleichwie die Arbeitervereinigungen Österreichs vielfach nach den, Muster
der deutschen Gewerkschaften eingerichtet worden sind, ist die Gegenbewegung
der Arbeitgeber Österreichs ebenfalls nach dem entsprechenden deutschen Vorbilde
zustande gekommen. So wurde nach deutschem Muster im Jahre 1906 die
"Hauptstelle österreichischer Arbeiigeberverbände" ins Leben gerufen. Bis zur
definitiven Konstituierung und Eröffnung des Zentralbureaus am 1. Januar
1907 führte der "Bund österreichischer Industrieller" im Einvernehmen mit den
anderen Zentralen und industriellen Körperschaften die Geschäfte. Über zwanzig
selbständige Branchenverbände sowie über zehn Landessektionen und mehrere
Ortsgruppen des Bundes haben sich hier bei der Gründung angeschlossen. Die
Hauptstelle österreichischer Arbeitgeberverbände will gerade wie die deutsche
Hauptstelle in erster Linie keine Kampfesorganisation, sondern nur eine Abwehr-
und Schutzorganisation sein, die den Frieden pflegen will, solange sich dies mit
derStellung des Unternehmers vereinbaren läßt, die aber eine scharfe Waffe darstellen
soll, wenn der Friede durch frivole Agitation zerstört wird. Weiterhin will die
Hauptstelle die Schaffung von Einrichtungen zur Förderung der Unternehmer¬
interessen (Arbeitsnachweise, Normalien für den Tarifvertrag, Rechtsschutz in
prinzipiellen Fragen, Einführung der Streikklausel usw.). Dies soll bewirkt
werden: durch Schaffung neuer sachlicher Arbeitgeberorganisationen, Ausbau der
bestehenden Vereinigungen usw,

Etwas später als die Gründung der Hauptstelle erfolgte diejenige des
"Österreichischen Arbeitgeber-Hauptverband", einer Zentralisation ähnlich dem
Verein Deutscher Arbeitgeberoerbände in Deutschland.

Zweck und Ziele der ungarischen Arbeitgeberbewegung stimmen mit dem
der deutschen und österreichischen Arbeitgeberverbände überein: es wird auf die
Regelung der Arbeitsvermittlung mit Hilfe eines eigenen Nachweises hingewirkt,
Normalarbeitsordnung. Arbeitslohnstatistik, Schutz der Arbeitswilligen, Arbeits-


Zur Geschichte der Entwicklung der Arbeitgeberorganisationen

vorjährigen Übersicht werden hier 20228 Mitglieder mit 362679 Arbeitern
mehr als versichert nachgewiesen. Wenngleich ein erheblicher Teil von diesem
Mehr auf das Baugewerbe einfällt, ein anderer Teil auf bessere Bericht¬
erstattung zurückzuführen ist, so verbleibt doch noch eine wesentliche Steigerung,
die der Ausbreitung des Streikoersicherungsgedankens zuzuschreiben sein wird.

Einen Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung stellt
das Jahr 1913 dar. Hier erfolgte ein weiterer bedeutender Schritt in der
Organisierung der deutschen Unternehmerschaft. Am 5. April 1913 haben sich
nämlich die beiden führenden Zentralen, der „Verein Deutscher Arbeitgeber-
verbände" und die „Hauptstelle Deutscher Arbeitgeberverbände", die bisher auf
verschiedenen Wegen dem gleichen Ziel zustrebten, in der „Vereinigung der
Deutschen Arbeitgeberverbände" zusammengefunden, und es steht zu erwarten,
daß die segensreichen Folgen dieser von allen einsichtsvollen Verfechtern der
Organisationsidee befürworteten Kräfievereinigung sich binnen kürzester Frist in
reichem Maße bemerkbar machen werden.

Gleichwie die Arbeitervereinigungen Österreichs vielfach nach den, Muster
der deutschen Gewerkschaften eingerichtet worden sind, ist die Gegenbewegung
der Arbeitgeber Österreichs ebenfalls nach dem entsprechenden deutschen Vorbilde
zustande gekommen. So wurde nach deutschem Muster im Jahre 1906 die
„Hauptstelle österreichischer Arbeiigeberverbände" ins Leben gerufen. Bis zur
definitiven Konstituierung und Eröffnung des Zentralbureaus am 1. Januar
1907 führte der „Bund österreichischer Industrieller" im Einvernehmen mit den
anderen Zentralen und industriellen Körperschaften die Geschäfte. Über zwanzig
selbständige Branchenverbände sowie über zehn Landessektionen und mehrere
Ortsgruppen des Bundes haben sich hier bei der Gründung angeschlossen. Die
Hauptstelle österreichischer Arbeitgeberverbände will gerade wie die deutsche
Hauptstelle in erster Linie keine Kampfesorganisation, sondern nur eine Abwehr-
und Schutzorganisation sein, die den Frieden pflegen will, solange sich dies mit
derStellung des Unternehmers vereinbaren läßt, die aber eine scharfe Waffe darstellen
soll, wenn der Friede durch frivole Agitation zerstört wird. Weiterhin will die
Hauptstelle die Schaffung von Einrichtungen zur Förderung der Unternehmer¬
interessen (Arbeitsnachweise, Normalien für den Tarifvertrag, Rechtsschutz in
prinzipiellen Fragen, Einführung der Streikklausel usw.). Dies soll bewirkt
werden: durch Schaffung neuer sachlicher Arbeitgeberorganisationen, Ausbau der
bestehenden Vereinigungen usw,

Etwas später als die Gründung der Hauptstelle erfolgte diejenige des
„Österreichischen Arbeitgeber-Hauptverband", einer Zentralisation ähnlich dem
Verein Deutscher Arbeitgeberoerbände in Deutschland.

Zweck und Ziele der ungarischen Arbeitgeberbewegung stimmen mit dem
der deutschen und österreichischen Arbeitgeberverbände überein: es wird auf die
Regelung der Arbeitsvermittlung mit Hilfe eines eigenen Nachweises hingewirkt,
Normalarbeitsordnung. Arbeitslohnstatistik, Schutz der Arbeitswilligen, Arbeits-


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[0171] Zur Geschichte der Entwicklung der Arbeitgeberorganisationen vorjährigen Übersicht werden hier 20228 Mitglieder mit 362679 Arbeitern mehr als versichert nachgewiesen. Wenngleich ein erheblicher Teil von diesem Mehr auf das Baugewerbe einfällt, ein anderer Teil auf bessere Bericht¬ erstattung zurückzuführen ist, so verbleibt doch noch eine wesentliche Steigerung, die der Ausbreitung des Streikoersicherungsgedankens zuzuschreiben sein wird. Einen Wendepunkt in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung stellt das Jahr 1913 dar. Hier erfolgte ein weiterer bedeutender Schritt in der Organisierung der deutschen Unternehmerschaft. Am 5. April 1913 haben sich nämlich die beiden führenden Zentralen, der „Verein Deutscher Arbeitgeber- verbände" und die „Hauptstelle Deutscher Arbeitgeberverbände", die bisher auf verschiedenen Wegen dem gleichen Ziel zustrebten, in der „Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände" zusammengefunden, und es steht zu erwarten, daß die segensreichen Folgen dieser von allen einsichtsvollen Verfechtern der Organisationsidee befürworteten Kräfievereinigung sich binnen kürzester Frist in reichem Maße bemerkbar machen werden. Gleichwie die Arbeitervereinigungen Österreichs vielfach nach den, Muster der deutschen Gewerkschaften eingerichtet worden sind, ist die Gegenbewegung der Arbeitgeber Österreichs ebenfalls nach dem entsprechenden deutschen Vorbilde zustande gekommen. So wurde nach deutschem Muster im Jahre 1906 die „Hauptstelle österreichischer Arbeiigeberverbände" ins Leben gerufen. Bis zur definitiven Konstituierung und Eröffnung des Zentralbureaus am 1. Januar 1907 führte der „Bund österreichischer Industrieller" im Einvernehmen mit den anderen Zentralen und industriellen Körperschaften die Geschäfte. Über zwanzig selbständige Branchenverbände sowie über zehn Landessektionen und mehrere Ortsgruppen des Bundes haben sich hier bei der Gründung angeschlossen. Die Hauptstelle österreichischer Arbeitgeberverbände will gerade wie die deutsche Hauptstelle in erster Linie keine Kampfesorganisation, sondern nur eine Abwehr- und Schutzorganisation sein, die den Frieden pflegen will, solange sich dies mit derStellung des Unternehmers vereinbaren läßt, die aber eine scharfe Waffe darstellen soll, wenn der Friede durch frivole Agitation zerstört wird. Weiterhin will die Hauptstelle die Schaffung von Einrichtungen zur Förderung der Unternehmer¬ interessen (Arbeitsnachweise, Normalien für den Tarifvertrag, Rechtsschutz in prinzipiellen Fragen, Einführung der Streikklausel usw.). Dies soll bewirkt werden: durch Schaffung neuer sachlicher Arbeitgeberorganisationen, Ausbau der bestehenden Vereinigungen usw, Etwas später als die Gründung der Hauptstelle erfolgte diejenige des „Österreichischen Arbeitgeber-Hauptverband", einer Zentralisation ähnlich dem Verein Deutscher Arbeitgeberoerbände in Deutschland. Zweck und Ziele der ungarischen Arbeitgeberbewegung stimmen mit dem der deutschen und österreichischen Arbeitgeberverbände überein: es wird auf die Regelung der Arbeitsvermittlung mit Hilfe eines eigenen Nachweises hingewirkt, Normalarbeitsordnung. Arbeitslohnstatistik, Schutz der Arbeitswilligen, Arbeits-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/171>, abgerufen am 01.09.2024.