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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Peters und Pfeil

nur andeuten wollte, daß sie im Interesse eines guten Einvernehmens mit
England nicht die Verantwortung für ein solches Wagnis übernehmen könne,
und daß sie daher Kolonialprojekte, die in englische Interessensphären schnitten,
ablehnen müsse. Daß Bismarck trotzdem ostafrikanischen Kolonisationsplänen
schon damals nicht abgeneigt war, geht aus der gleichzeitigen Entsendung des
Reisegeographen Gerhard Rohlfs als Generalkonsul nach Sansibar hervor*),
dem ein Schreiben Kaiser Wilhelms vom 9. Oktober 1884 an den Sultan von
Sansibar vorausging'"). Diese Entsendung war von langer Hand vorbereitet
und schon am 26. September, also zwei Tage nach der heimlichen Abreise von
Peters und seinen Genossen, von Bismarck entschieden***). Zwar wurde das
Rohlfssche Generalkonsulat offiziell nur darum an Stelle des O'Swaldschen
kaufmännischen Konsulatspostens gesetzt, um den Abschluß eines Freundschafts-,
Handels- und Schiffahrtsvertrages "zum Nutzen unserer Untertanen" mit dem
Sultanat Sansibar durchzusetzen. Tatsächlich aber beabsichtigte Bismarck
mehr: Rohlfs' Freudef), bei der Erwerbung einer ostafrikanischen Kolonie "noch
mitwirken" zu können, wäre bei seiner Abfahrt von Wilhelmshaven (27. Oktober
1884) sonst unverständlich. Wahrscheinlich wollte der Reichskanzler die Petersschen
Pläne in vorsichtiger diplomatischer Form gelöst wissen und war daher ungehalten,
daß Peters diese Absicht in einer Weise durchkreuzte, die England nach
Kenntnis der Sachlage leicht hätte verhindern können. Durch vorläufiges Schutz¬
versagen vereitelte Bismarck denn auch ein vorschnelles Einschreiten Englands,
das damals -- noch vor Ausbruch des britisch-russtschen Konflikts wegen Afghanistan
-- für Deutschland leicht verhängnisvoll werden konnte. Eine andere Aus¬
legung des ominösen Telegramms an O'Swald, das Peters überhaupt unver¬
ständlich erscheintff). ist ohne intimere Aktenkenntnis heute unmöglich.

Zweifellos hat die selbständige Handlungsweise dem "Gründer" von Deutsch-
Ostafrika für die Zukunft schwer geschadet: im Auswärtigen Amt hatte er bald
viele Gegner. So kam es, daß noch später den Offizieren eine Teilnahme an
Peters' Schutztruppe als koloniales Abenteuer liebevoll widerraten wurdefff);
wenn dabei freilich auch zu berücksichtigen ist, daß Peters seine Offiziere bei
Insubordinationen gegen ihre heimischen Armeevorschriften aus Kameradschaft
schützte*^), was in Zukunft zu unhaltbaren Zuständen hätte führen können.

Daß Peters späterhin -- d. h. nach seiner eigentlichen Tat der Gesellschafts¬
gründung und ersten "Erwerbungsexpedition" -- stellenweise nur das Instrument
in der Hand Größerer gewesen, deren "Anweisungen er zu folgen hatte" **f), ist










") Günther, Rohlfs (Freiburg 1912), S. 217 ff.
**) Staatsarchiv 46, S. 118.
Günther, RohlfS 330.
f> Ebenda 220.
ff) Gründung 64.
1"f-f> Rochus Schmidt, Deutsche Kolonialzeitung 1909, S. 721.
"->-) Gründung 130.
Pfeil 227.
Peters und Pfeil

nur andeuten wollte, daß sie im Interesse eines guten Einvernehmens mit
England nicht die Verantwortung für ein solches Wagnis übernehmen könne,
und daß sie daher Kolonialprojekte, die in englische Interessensphären schnitten,
ablehnen müsse. Daß Bismarck trotzdem ostafrikanischen Kolonisationsplänen
schon damals nicht abgeneigt war, geht aus der gleichzeitigen Entsendung des
Reisegeographen Gerhard Rohlfs als Generalkonsul nach Sansibar hervor*),
dem ein Schreiben Kaiser Wilhelms vom 9. Oktober 1884 an den Sultan von
Sansibar vorausging'"). Diese Entsendung war von langer Hand vorbereitet
und schon am 26. September, also zwei Tage nach der heimlichen Abreise von
Peters und seinen Genossen, von Bismarck entschieden***). Zwar wurde das
Rohlfssche Generalkonsulat offiziell nur darum an Stelle des O'Swaldschen
kaufmännischen Konsulatspostens gesetzt, um den Abschluß eines Freundschafts-,
Handels- und Schiffahrtsvertrages „zum Nutzen unserer Untertanen" mit dem
Sultanat Sansibar durchzusetzen. Tatsächlich aber beabsichtigte Bismarck
mehr: Rohlfs' Freudef), bei der Erwerbung einer ostafrikanischen Kolonie „noch
mitwirken" zu können, wäre bei seiner Abfahrt von Wilhelmshaven (27. Oktober
1884) sonst unverständlich. Wahrscheinlich wollte der Reichskanzler die Petersschen
Pläne in vorsichtiger diplomatischer Form gelöst wissen und war daher ungehalten,
daß Peters diese Absicht in einer Weise durchkreuzte, die England nach
Kenntnis der Sachlage leicht hätte verhindern können. Durch vorläufiges Schutz¬
versagen vereitelte Bismarck denn auch ein vorschnelles Einschreiten Englands,
das damals — noch vor Ausbruch des britisch-russtschen Konflikts wegen Afghanistan
— für Deutschland leicht verhängnisvoll werden konnte. Eine andere Aus¬
legung des ominösen Telegramms an O'Swald, das Peters überhaupt unver¬
ständlich erscheintff). ist ohne intimere Aktenkenntnis heute unmöglich.

Zweifellos hat die selbständige Handlungsweise dem „Gründer" von Deutsch-
Ostafrika für die Zukunft schwer geschadet: im Auswärtigen Amt hatte er bald
viele Gegner. So kam es, daß noch später den Offizieren eine Teilnahme an
Peters' Schutztruppe als koloniales Abenteuer liebevoll widerraten wurdefff);
wenn dabei freilich auch zu berücksichtigen ist, daß Peters seine Offiziere bei
Insubordinationen gegen ihre heimischen Armeevorschriften aus Kameradschaft
schützte*^), was in Zukunft zu unhaltbaren Zuständen hätte führen können.

Daß Peters späterhin — d. h. nach seiner eigentlichen Tat der Gesellschafts¬
gründung und ersten „Erwerbungsexpedition" — stellenweise nur das Instrument
in der Hand Größerer gewesen, deren „Anweisungen er zu folgen hatte" **f), ist










") Günther, Rohlfs (Freiburg 1912), S. 217 ff.
**) Staatsarchiv 46, S. 118.
Günther, RohlfS 330.
f> Ebenda 220.
ff) Gründung 64.
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[0122] Peters und Pfeil nur andeuten wollte, daß sie im Interesse eines guten Einvernehmens mit England nicht die Verantwortung für ein solches Wagnis übernehmen könne, und daß sie daher Kolonialprojekte, die in englische Interessensphären schnitten, ablehnen müsse. Daß Bismarck trotzdem ostafrikanischen Kolonisationsplänen schon damals nicht abgeneigt war, geht aus der gleichzeitigen Entsendung des Reisegeographen Gerhard Rohlfs als Generalkonsul nach Sansibar hervor*), dem ein Schreiben Kaiser Wilhelms vom 9. Oktober 1884 an den Sultan von Sansibar vorausging'"). Diese Entsendung war von langer Hand vorbereitet und schon am 26. September, also zwei Tage nach der heimlichen Abreise von Peters und seinen Genossen, von Bismarck entschieden***). Zwar wurde das Rohlfssche Generalkonsulat offiziell nur darum an Stelle des O'Swaldschen kaufmännischen Konsulatspostens gesetzt, um den Abschluß eines Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages „zum Nutzen unserer Untertanen" mit dem Sultanat Sansibar durchzusetzen. Tatsächlich aber beabsichtigte Bismarck mehr: Rohlfs' Freudef), bei der Erwerbung einer ostafrikanischen Kolonie „noch mitwirken" zu können, wäre bei seiner Abfahrt von Wilhelmshaven (27. Oktober 1884) sonst unverständlich. Wahrscheinlich wollte der Reichskanzler die Petersschen Pläne in vorsichtiger diplomatischer Form gelöst wissen und war daher ungehalten, daß Peters diese Absicht in einer Weise durchkreuzte, die England nach Kenntnis der Sachlage leicht hätte verhindern können. Durch vorläufiges Schutz¬ versagen vereitelte Bismarck denn auch ein vorschnelles Einschreiten Englands, das damals — noch vor Ausbruch des britisch-russtschen Konflikts wegen Afghanistan — für Deutschland leicht verhängnisvoll werden konnte. Eine andere Aus¬ legung des ominösen Telegramms an O'Swald, das Peters überhaupt unver¬ ständlich erscheintff). ist ohne intimere Aktenkenntnis heute unmöglich. Zweifellos hat die selbständige Handlungsweise dem „Gründer" von Deutsch- Ostafrika für die Zukunft schwer geschadet: im Auswärtigen Amt hatte er bald viele Gegner. So kam es, daß noch später den Offizieren eine Teilnahme an Peters' Schutztruppe als koloniales Abenteuer liebevoll widerraten wurdefff); wenn dabei freilich auch zu berücksichtigen ist, daß Peters seine Offiziere bei Insubordinationen gegen ihre heimischen Armeevorschriften aus Kameradschaft schützte*^), was in Zukunft zu unhaltbaren Zuständen hätte führen können. Daß Peters späterhin — d. h. nach seiner eigentlichen Tat der Gesellschafts¬ gründung und ersten „Erwerbungsexpedition" — stellenweise nur das Instrument in der Hand Größerer gewesen, deren „Anweisungen er zu folgen hatte" **f), ist ") Günther, Rohlfs (Freiburg 1912), S. 217 ff. **) Staatsarchiv 46, S. 118. Günther, RohlfS 330. f> Ebenda 220. ff) Gründung 64. 1"f-f> Rochus Schmidt, Deutsche Kolonialzeitung 1909, S. 721. "->-) Gründung 130. Pfeil 227.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/122>, abgerufen am 27.07.2024.