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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Peters und Pfeil

als britische Interessensphäre*), erst an Amerika, besonders Südbrasilien und
Argentinien, dann auch an Portugiesisch - Ostafrika, wobei er freilich bald einsehen
mußte, daß sich hier keine unabhängige nationale Kolonie realisieren ließ. Da
warf der Superintendent der Berliner Transoaalmisston, Dr. Merensty, das
Mosammedesprojekt in die Diskussion**), das ein Gebiet nördlich der Lüderitzschen
Südwestafrikakolonie in Portugiesisch-Angola betraf. Nicht nur Peters, sondern
auch Graf Pfeil, der vor ihm nach einem neunjährigen Aufenthalt als Farmer
und Forscher in Britisch-Natal die Kenntnisse der afrikanischen Verhältnisse und
eine praktisch-kolonialpolitische Schulung voraushatte, unterstützten diesen Plan,
um für das mühsam gesammelte Kapital endlich auch ein passendes Koloni¬
sationsobjekt zu besitzen. Pfeil selbst hielt davon freilich wenig und hätte gern
den Plan einer Erwerbung des heutigen Deutsch-Ostafrika mit Sansibar als
Ausgangspunkt durchgedrückt, den er schon 1882 "fast in demselben Umfang"
seiner späteren Verwirklichung in Fabris Missionszeitschrift zur Kolonisation
empfehlen wollte, den aber der Redakteur damals als "zu kühn" zurückgewiesen
hatte***). Er ordnete sich aber den Wünschen der Allgemeinheit unter, um das
endlich gefundene Projekt nicht noch in letzter Stunde zu gefährden. Trotzdem
wurde es noch in der letzten Sitzung der Gesellschaft für deutsche Kolonisation
verworfen, nachdem dessen Ausführung dem Bureau der Gesellschaft "in irgend¬
einer Form" vom Auswärtigen Amt verboten worden warf), weil das Koloni¬
sationsobjekt in portugiesischer Interessensphäre lag, nicht zuletzt auch, weil man
nicht mit den soeben bekannt gewordenen Neuerwerbungen in Südwestafrika in
Konkurrenz treten wollte. Unter der Hand wurde freilich auch dies alte Projekt
im Auftrage der Gesellschaft von den Herren von Dewitz und Groschke weiter
verfolgt, aber wegen der Ungunst der Lage schließlich völlig aufgegeben, ff)

Erst jetzt wurde Pfeil "der geistige Urheber des Aktionsplanes" der Gesell-
schaftfff), indem er sein altes Projekt einer Kolonisation Ostafrikas mit besonderem
Hinweis auf Usagara unter Berücksichtigung der Stanleyschen Schilderungen mit
Nachdruck empfahl. Seitdem beginnt die Rivalität zwischen Peters und Pfeil, die sich
erst vor kurzem auch literarisch entladen hat. Peters' Scharfblick erkannte die
Verwertbarkeit dieser aller romantischen Kolonialbegeisterung baren Vorschläge
und adoptierte sie nach Befragen Ernst von Webers "in voller instinktiver Er¬
kenntnis, daß sie in jeder Beziehung geeignet waren, die großen Gesichtspunkte
zu fördern, die ihm damals hinsichtlich dessen, was er selbst in Deutschland
zu erreichen gedachte, vorschwebten" *f). In der Tat waren sie allein ge-









*> Gründung 36.
**) Ebenda 64.
**'*) Pfeil 32.
f) Peters 54, Pfeil 56.
ff) Koschitzky, Deutsche Kolomalgeschichte (Leipzig 1887), II 322.
Pfeil 53.
*
f) Ebenda 126.
Peters und Pfeil

als britische Interessensphäre*), erst an Amerika, besonders Südbrasilien und
Argentinien, dann auch an Portugiesisch - Ostafrika, wobei er freilich bald einsehen
mußte, daß sich hier keine unabhängige nationale Kolonie realisieren ließ. Da
warf der Superintendent der Berliner Transoaalmisston, Dr. Merensty, das
Mosammedesprojekt in die Diskussion**), das ein Gebiet nördlich der Lüderitzschen
Südwestafrikakolonie in Portugiesisch-Angola betraf. Nicht nur Peters, sondern
auch Graf Pfeil, der vor ihm nach einem neunjährigen Aufenthalt als Farmer
und Forscher in Britisch-Natal die Kenntnisse der afrikanischen Verhältnisse und
eine praktisch-kolonialpolitische Schulung voraushatte, unterstützten diesen Plan,
um für das mühsam gesammelte Kapital endlich auch ein passendes Koloni¬
sationsobjekt zu besitzen. Pfeil selbst hielt davon freilich wenig und hätte gern
den Plan einer Erwerbung des heutigen Deutsch-Ostafrika mit Sansibar als
Ausgangspunkt durchgedrückt, den er schon 1882 „fast in demselben Umfang"
seiner späteren Verwirklichung in Fabris Missionszeitschrift zur Kolonisation
empfehlen wollte, den aber der Redakteur damals als „zu kühn" zurückgewiesen
hatte***). Er ordnete sich aber den Wünschen der Allgemeinheit unter, um das
endlich gefundene Projekt nicht noch in letzter Stunde zu gefährden. Trotzdem
wurde es noch in der letzten Sitzung der Gesellschaft für deutsche Kolonisation
verworfen, nachdem dessen Ausführung dem Bureau der Gesellschaft „in irgend¬
einer Form" vom Auswärtigen Amt verboten worden warf), weil das Koloni¬
sationsobjekt in portugiesischer Interessensphäre lag, nicht zuletzt auch, weil man
nicht mit den soeben bekannt gewordenen Neuerwerbungen in Südwestafrika in
Konkurrenz treten wollte. Unter der Hand wurde freilich auch dies alte Projekt
im Auftrage der Gesellschaft von den Herren von Dewitz und Groschke weiter
verfolgt, aber wegen der Ungunst der Lage schließlich völlig aufgegeben, ff)

Erst jetzt wurde Pfeil „der geistige Urheber des Aktionsplanes" der Gesell-
schaftfff), indem er sein altes Projekt einer Kolonisation Ostafrikas mit besonderem
Hinweis auf Usagara unter Berücksichtigung der Stanleyschen Schilderungen mit
Nachdruck empfahl. Seitdem beginnt die Rivalität zwischen Peters und Pfeil, die sich
erst vor kurzem auch literarisch entladen hat. Peters' Scharfblick erkannte die
Verwertbarkeit dieser aller romantischen Kolonialbegeisterung baren Vorschläge
und adoptierte sie nach Befragen Ernst von Webers „in voller instinktiver Er¬
kenntnis, daß sie in jeder Beziehung geeignet waren, die großen Gesichtspunkte
zu fördern, die ihm damals hinsichtlich dessen, was er selbst in Deutschland
zu erreichen gedachte, vorschwebten" *f). In der Tat waren sie allein ge-









*> Gründung 36.
**) Ebenda 64.
**'*) Pfeil 32.
f) Peters 54, Pfeil 56.
ff) Koschitzky, Deutsche Kolomalgeschichte (Leipzig 1887), II 322.
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[0117] Peters und Pfeil als britische Interessensphäre*), erst an Amerika, besonders Südbrasilien und Argentinien, dann auch an Portugiesisch - Ostafrika, wobei er freilich bald einsehen mußte, daß sich hier keine unabhängige nationale Kolonie realisieren ließ. Da warf der Superintendent der Berliner Transoaalmisston, Dr. Merensty, das Mosammedesprojekt in die Diskussion**), das ein Gebiet nördlich der Lüderitzschen Südwestafrikakolonie in Portugiesisch-Angola betraf. Nicht nur Peters, sondern auch Graf Pfeil, der vor ihm nach einem neunjährigen Aufenthalt als Farmer und Forscher in Britisch-Natal die Kenntnisse der afrikanischen Verhältnisse und eine praktisch-kolonialpolitische Schulung voraushatte, unterstützten diesen Plan, um für das mühsam gesammelte Kapital endlich auch ein passendes Koloni¬ sationsobjekt zu besitzen. Pfeil selbst hielt davon freilich wenig und hätte gern den Plan einer Erwerbung des heutigen Deutsch-Ostafrika mit Sansibar als Ausgangspunkt durchgedrückt, den er schon 1882 „fast in demselben Umfang" seiner späteren Verwirklichung in Fabris Missionszeitschrift zur Kolonisation empfehlen wollte, den aber der Redakteur damals als „zu kühn" zurückgewiesen hatte***). Er ordnete sich aber den Wünschen der Allgemeinheit unter, um das endlich gefundene Projekt nicht noch in letzter Stunde zu gefährden. Trotzdem wurde es noch in der letzten Sitzung der Gesellschaft für deutsche Kolonisation verworfen, nachdem dessen Ausführung dem Bureau der Gesellschaft „in irgend¬ einer Form" vom Auswärtigen Amt verboten worden warf), weil das Koloni¬ sationsobjekt in portugiesischer Interessensphäre lag, nicht zuletzt auch, weil man nicht mit den soeben bekannt gewordenen Neuerwerbungen in Südwestafrika in Konkurrenz treten wollte. Unter der Hand wurde freilich auch dies alte Projekt im Auftrage der Gesellschaft von den Herren von Dewitz und Groschke weiter verfolgt, aber wegen der Ungunst der Lage schließlich völlig aufgegeben, ff) Erst jetzt wurde Pfeil „der geistige Urheber des Aktionsplanes" der Gesell- schaftfff), indem er sein altes Projekt einer Kolonisation Ostafrikas mit besonderem Hinweis auf Usagara unter Berücksichtigung der Stanleyschen Schilderungen mit Nachdruck empfahl. Seitdem beginnt die Rivalität zwischen Peters und Pfeil, die sich erst vor kurzem auch literarisch entladen hat. Peters' Scharfblick erkannte die Verwertbarkeit dieser aller romantischen Kolonialbegeisterung baren Vorschläge und adoptierte sie nach Befragen Ernst von Webers „in voller instinktiver Er¬ kenntnis, daß sie in jeder Beziehung geeignet waren, die großen Gesichtspunkte zu fördern, die ihm damals hinsichtlich dessen, was er selbst in Deutschland zu erreichen gedachte, vorschwebten" *f). In der Tat waren sie allein ge- *> Gründung 36. **) Ebenda 64. **'*) Pfeil 32. f) Peters 54, Pfeil 56. ff) Koschitzky, Deutsche Kolomalgeschichte (Leipzig 1887), II 322. Pfeil 53. * f) Ebenda 126.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/117>, abgerufen am 01.09.2024.