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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Bismarck und profesch-Gsten

Zunächst höhnt er in allen Tonarten hinter dem gestürzten Gegner her.
Noch im Dezember 1870 versicherte er sodann seiner Versailler Tafelrunde,
und Busch hat ihm den traurigen Dienst erwiesen, diese Äußerungen auf die
Nachwelt zu bringen, daß Prokesch ein Mann ohne Ehre und Gewissen sei. ein
durch und durch verlogener Patron, "ein schuftiger Kerl", wie die schöne Tiro.de
schließt. Und als ihm zwei Monate später (Busch II 143) zu Ohren gekommen
ist, daß Prokesch den deutschen Siegen und den neuesten deutschen Entwicklungen
zugejubelt habe, weckt auch das nur seinen Spott: große Empfindungen, edel¬
mütige Regungen gegenüber Feinden waren ihm selbst etwas so fremdes, daß er sie
sich auch bei jenen gar nicht vorstellen konnte, und so hier darüber frohlockte, daß
er mit Preußens Triumphen angeblich Prokesch einen Tort angetan habe! ("Aber
Prokesch hat es erlebt, und das freut mich!") Ja, selbst als diesen, nach
Vollendung seines früchtereichen Tagewerkes, schon längst der Nasen deckte, hat
er noch im deutschen Reichstage hinter ihm hergewettert ("Politische Reden",
Bd. 7, 1893, S. 10K) und so. alles in allem, in Prokesch ein Schulbeispiel
dafür aufgestellt, wie er zu Werke ging, wenn er einen Gegner vernichten wollte,
welche Vernichtung er sich nur in Form eines auch bürgerlichen Todes, einer
förmlichen LApitiK deminutiv vorstellen konnte.


5. Abschluß.

Schon nach dem vorhergehenden wird man versucht sein zu denken, daß
wohl kaum je ein inkommensurableres Gegnerpaar auf der politischen Mensur
einander gegenübergetreten sein dürfte. Dieser Ausdruck ist vornehmlich mit
Rücksicht auf Bismarck gewählt, der, man kann es nicht leugnen, dem Zwei¬
kampf mit Prokesch, bei dem ihm alle Hiebe recht waren, etwas von diesem
Charakter beigemischt hat. Ja, streng genommen wird vieles von dem, was er
über Prokesch gesagt hat, nur unter diesem Gesichtspunkt, daß hier eben ein alter
Korpsbursch spricht, und unter den entsprechenden Abzügen in der Ausdrucks¬
weise, überhaupt erträglich, wenn auch nicht eben erfreulicher.

Immer aufs neue drängt sich die Frage auf, warum gerade bei Prokesch
dieser unermeßliche Haß, dieses verschwenderische Übermaß der Befehdung, das
selbst in seinem an ähnlichen Beispielen doch nicht armen Leben auffallen muß.

Die Antwort kann nur sein, daß in diesen beiden eben, über die sich
bekämpfenden Jndividualgestalten hinaus, ganz ungewöhnlich vieles feindlich
aufeinander traf, politisch Preußen und Österreich, diplomatisch der Typus
Metternich mit dem Typus Bismarck, menschlich die Altmark mit der Steier-
mark in je einem Kernvertreter. Jeder dieser Gegensätze war an sich schroff
genug, und der eine und der andere damals noch ganz besonders mit Elektrizität
geladen.

Am stärksten klafft freilich das menschliche Gegenfüßlertum, so daß es
wirklich fast nicht zu viel gesagt ist. Bismarck habe nicht die Fähigkeit besessen,
auch nur eine Faser eines Mannes wie Prokesch zu begreifen und richtig zu


Bismarck und profesch-Gsten

Zunächst höhnt er in allen Tonarten hinter dem gestürzten Gegner her.
Noch im Dezember 1870 versicherte er sodann seiner Versailler Tafelrunde,
und Busch hat ihm den traurigen Dienst erwiesen, diese Äußerungen auf die
Nachwelt zu bringen, daß Prokesch ein Mann ohne Ehre und Gewissen sei. ein
durch und durch verlogener Patron, „ein schuftiger Kerl", wie die schöne Tiro.de
schließt. Und als ihm zwei Monate später (Busch II 143) zu Ohren gekommen
ist, daß Prokesch den deutschen Siegen und den neuesten deutschen Entwicklungen
zugejubelt habe, weckt auch das nur seinen Spott: große Empfindungen, edel¬
mütige Regungen gegenüber Feinden waren ihm selbst etwas so fremdes, daß er sie
sich auch bei jenen gar nicht vorstellen konnte, und so hier darüber frohlockte, daß
er mit Preußens Triumphen angeblich Prokesch einen Tort angetan habe! („Aber
Prokesch hat es erlebt, und das freut mich!") Ja, selbst als diesen, nach
Vollendung seines früchtereichen Tagewerkes, schon längst der Nasen deckte, hat
er noch im deutschen Reichstage hinter ihm hergewettert („Politische Reden",
Bd. 7, 1893, S. 10K) und so. alles in allem, in Prokesch ein Schulbeispiel
dafür aufgestellt, wie er zu Werke ging, wenn er einen Gegner vernichten wollte,
welche Vernichtung er sich nur in Form eines auch bürgerlichen Todes, einer
förmlichen LApitiK deminutiv vorstellen konnte.


5. Abschluß.

Schon nach dem vorhergehenden wird man versucht sein zu denken, daß
wohl kaum je ein inkommensurableres Gegnerpaar auf der politischen Mensur
einander gegenübergetreten sein dürfte. Dieser Ausdruck ist vornehmlich mit
Rücksicht auf Bismarck gewählt, der, man kann es nicht leugnen, dem Zwei¬
kampf mit Prokesch, bei dem ihm alle Hiebe recht waren, etwas von diesem
Charakter beigemischt hat. Ja, streng genommen wird vieles von dem, was er
über Prokesch gesagt hat, nur unter diesem Gesichtspunkt, daß hier eben ein alter
Korpsbursch spricht, und unter den entsprechenden Abzügen in der Ausdrucks¬
weise, überhaupt erträglich, wenn auch nicht eben erfreulicher.

Immer aufs neue drängt sich die Frage auf, warum gerade bei Prokesch
dieser unermeßliche Haß, dieses verschwenderische Übermaß der Befehdung, das
selbst in seinem an ähnlichen Beispielen doch nicht armen Leben auffallen muß.

Die Antwort kann nur sein, daß in diesen beiden eben, über die sich
bekämpfenden Jndividualgestalten hinaus, ganz ungewöhnlich vieles feindlich
aufeinander traf, politisch Preußen und Österreich, diplomatisch der Typus
Metternich mit dem Typus Bismarck, menschlich die Altmark mit der Steier-
mark in je einem Kernvertreter. Jeder dieser Gegensätze war an sich schroff
genug, und der eine und der andere damals noch ganz besonders mit Elektrizität
geladen.

Am stärksten klafft freilich das menschliche Gegenfüßlertum, so daß es
wirklich fast nicht zu viel gesagt ist. Bismarck habe nicht die Fähigkeit besessen,
auch nur eine Faser eines Mannes wie Prokesch zu begreifen und richtig zu


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[0082] Bismarck und profesch-Gsten Zunächst höhnt er in allen Tonarten hinter dem gestürzten Gegner her. Noch im Dezember 1870 versicherte er sodann seiner Versailler Tafelrunde, und Busch hat ihm den traurigen Dienst erwiesen, diese Äußerungen auf die Nachwelt zu bringen, daß Prokesch ein Mann ohne Ehre und Gewissen sei. ein durch und durch verlogener Patron, „ein schuftiger Kerl", wie die schöne Tiro.de schließt. Und als ihm zwei Monate später (Busch II 143) zu Ohren gekommen ist, daß Prokesch den deutschen Siegen und den neuesten deutschen Entwicklungen zugejubelt habe, weckt auch das nur seinen Spott: große Empfindungen, edel¬ mütige Regungen gegenüber Feinden waren ihm selbst etwas so fremdes, daß er sie sich auch bei jenen gar nicht vorstellen konnte, und so hier darüber frohlockte, daß er mit Preußens Triumphen angeblich Prokesch einen Tort angetan habe! („Aber Prokesch hat es erlebt, und das freut mich!") Ja, selbst als diesen, nach Vollendung seines früchtereichen Tagewerkes, schon längst der Nasen deckte, hat er noch im deutschen Reichstage hinter ihm hergewettert („Politische Reden", Bd. 7, 1893, S. 10K) und so. alles in allem, in Prokesch ein Schulbeispiel dafür aufgestellt, wie er zu Werke ging, wenn er einen Gegner vernichten wollte, welche Vernichtung er sich nur in Form eines auch bürgerlichen Todes, einer förmlichen LApitiK deminutiv vorstellen konnte. 5. Abschluß. Schon nach dem vorhergehenden wird man versucht sein zu denken, daß wohl kaum je ein inkommensurableres Gegnerpaar auf der politischen Mensur einander gegenübergetreten sein dürfte. Dieser Ausdruck ist vornehmlich mit Rücksicht auf Bismarck gewählt, der, man kann es nicht leugnen, dem Zwei¬ kampf mit Prokesch, bei dem ihm alle Hiebe recht waren, etwas von diesem Charakter beigemischt hat. Ja, streng genommen wird vieles von dem, was er über Prokesch gesagt hat, nur unter diesem Gesichtspunkt, daß hier eben ein alter Korpsbursch spricht, und unter den entsprechenden Abzügen in der Ausdrucks¬ weise, überhaupt erträglich, wenn auch nicht eben erfreulicher. Immer aufs neue drängt sich die Frage auf, warum gerade bei Prokesch dieser unermeßliche Haß, dieses verschwenderische Übermaß der Befehdung, das selbst in seinem an ähnlichen Beispielen doch nicht armen Leben auffallen muß. Die Antwort kann nur sein, daß in diesen beiden eben, über die sich bekämpfenden Jndividualgestalten hinaus, ganz ungewöhnlich vieles feindlich aufeinander traf, politisch Preußen und Österreich, diplomatisch der Typus Metternich mit dem Typus Bismarck, menschlich die Altmark mit der Steier- mark in je einem Kernvertreter. Jeder dieser Gegensätze war an sich schroff genug, und der eine und der andere damals noch ganz besonders mit Elektrizität geladen. Am stärksten klafft freilich das menschliche Gegenfüßlertum, so daß es wirklich fast nicht zu viel gesagt ist. Bismarck habe nicht die Fähigkeit besessen, auch nur eine Faser eines Mannes wie Prokesch zu begreifen und richtig zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/82>, abgerufen am 13.11.2024.