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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Franz Liszt

für die Werke Richard Wagners eintrat und diesen selbst, der von allen ver¬
lassen, verfehmt, in den Kreisen der "Zünftigen" der Bestgehaßte, dem Ver¬
zweifeln nahe war, dadurch aufgerichtet und zur Verfolgung seiner Reform-
ideen aufs neue ermutigte.

Das Freundschaftsbündnis, das sich zwischen den beiden genialen Männern
entwickelte, findet nur in dem Verhältnis zwischen Goethe und Schiller ein
Seitenstück, allerdings mit dem Unterschiede, daß dieser Geistesfreundschaft das
herzliche, persönliche Moment fehlte, das dort, besonders auf Liszts Seite sich
in unentwegtester Treue und Aufopferung für den Freund kundgibt, auch als
Liszt deu persönlichen Verkehr mit Wagner nach bekannter Eheirrung und der
Trennung seiner Tochter Cosima von ihrem Gatten Hans von Bülow^ ab¬
gebrochen hatte.

Welch ungeheuere Anziehungskraft auf die musikalische Welt die kleine
thüringische Residenz durch Liszt ausgeübt hat, braucht wohl nicht erst geschildert
zu werden. Es muß ein hochgestimmtes, köstlich frisches Leben gewesen sein,
das in dem Kreise derer um Liszt auf der "Altenburg" geherrscht hat. Namen
von edelstem Klänge wie Hans von Bülow, Alexander Ritter, Peter Cornelius,
der liebenswürdige Dichtermusiker, Liszt in seinem ganzen Wesen vielleicht am
nächsten stehend. Hans von Bronsart, Felix Drösele, Friedrich Preller, Oskar
Schade, Franz Brendel u. a,. fanden sich in dem auf Anregung Hoffmanns
von Fallersleben gegründeten "Neu - Weimar - Verein" zusammen, und wie
eine herausfordernde Fanfare mag dem musikalischen Philistertum, dem einst
schon der junge "Davidsbündler" Robert Schumann den Krieg erklärt hatte,
die zweite Strophe des von Hoffmann gedichteten Bundesliedes in die Ohren
geklungen haben:

Es war allerdings ein in den Annalen der Geschichte der Musik unerhörter
Fortschritt, und mit berechtigtem Stolze mag Weimar noch heut auf jenes Jahr¬
zehnt, in welchem sein Konzert- und Theaterleben zu einer bisher nirgends
erreichten Höhe emporblühte, zurückblicken. Die Meisterwerke der dramatischen
Musik der klassischen Zeit fanden ebenso eifrige Pflege wie die der kühnen Neuerer
Hektor Berlioz und Richard Wagner: alles was edel und echt war wurde
willkommen geheißen, mochte der Name des Autors weithin berühmt oder noch
gänzlich unbekannt sein. Aber diese künstlerisch so überaus segensreiche Tätigkeit
des Meisters fand ein jähes Ende. Was der oppositionellen Presse der Alt-
konservativen wie Otto Jahr, Bischoff, Hiller, später Hanslick u. a., die diese


Franz Liszt

für die Werke Richard Wagners eintrat und diesen selbst, der von allen ver¬
lassen, verfehmt, in den Kreisen der „Zünftigen" der Bestgehaßte, dem Ver¬
zweifeln nahe war, dadurch aufgerichtet und zur Verfolgung seiner Reform-
ideen aufs neue ermutigte.

Das Freundschaftsbündnis, das sich zwischen den beiden genialen Männern
entwickelte, findet nur in dem Verhältnis zwischen Goethe und Schiller ein
Seitenstück, allerdings mit dem Unterschiede, daß dieser Geistesfreundschaft das
herzliche, persönliche Moment fehlte, das dort, besonders auf Liszts Seite sich
in unentwegtester Treue und Aufopferung für den Freund kundgibt, auch als
Liszt deu persönlichen Verkehr mit Wagner nach bekannter Eheirrung und der
Trennung seiner Tochter Cosima von ihrem Gatten Hans von Bülow^ ab¬
gebrochen hatte.

Welch ungeheuere Anziehungskraft auf die musikalische Welt die kleine
thüringische Residenz durch Liszt ausgeübt hat, braucht wohl nicht erst geschildert
zu werden. Es muß ein hochgestimmtes, köstlich frisches Leben gewesen sein,
das in dem Kreise derer um Liszt auf der „Altenburg" geherrscht hat. Namen
von edelstem Klänge wie Hans von Bülow, Alexander Ritter, Peter Cornelius,
der liebenswürdige Dichtermusiker, Liszt in seinem ganzen Wesen vielleicht am
nächsten stehend. Hans von Bronsart, Felix Drösele, Friedrich Preller, Oskar
Schade, Franz Brendel u. a,. fanden sich in dem auf Anregung Hoffmanns
von Fallersleben gegründeten „Neu - Weimar - Verein" zusammen, und wie
eine herausfordernde Fanfare mag dem musikalischen Philistertum, dem einst
schon der junge „Davidsbündler" Robert Schumann den Krieg erklärt hatte,
die zweite Strophe des von Hoffmann gedichteten Bundesliedes in die Ohren
geklungen haben:

Es war allerdings ein in den Annalen der Geschichte der Musik unerhörter
Fortschritt, und mit berechtigtem Stolze mag Weimar noch heut auf jenes Jahr¬
zehnt, in welchem sein Konzert- und Theaterleben zu einer bisher nirgends
erreichten Höhe emporblühte, zurückblicken. Die Meisterwerke der dramatischen
Musik der klassischen Zeit fanden ebenso eifrige Pflege wie die der kühnen Neuerer
Hektor Berlioz und Richard Wagner: alles was edel und echt war wurde
willkommen geheißen, mochte der Name des Autors weithin berühmt oder noch
gänzlich unbekannt sein. Aber diese künstlerisch so überaus segensreiche Tätigkeit
des Meisters fand ein jähes Ende. Was der oppositionellen Presse der Alt-
konservativen wie Otto Jahr, Bischoff, Hiller, später Hanslick u. a., die diese


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[0608] Franz Liszt für die Werke Richard Wagners eintrat und diesen selbst, der von allen ver¬ lassen, verfehmt, in den Kreisen der „Zünftigen" der Bestgehaßte, dem Ver¬ zweifeln nahe war, dadurch aufgerichtet und zur Verfolgung seiner Reform- ideen aufs neue ermutigte. Das Freundschaftsbündnis, das sich zwischen den beiden genialen Männern entwickelte, findet nur in dem Verhältnis zwischen Goethe und Schiller ein Seitenstück, allerdings mit dem Unterschiede, daß dieser Geistesfreundschaft das herzliche, persönliche Moment fehlte, das dort, besonders auf Liszts Seite sich in unentwegtester Treue und Aufopferung für den Freund kundgibt, auch als Liszt deu persönlichen Verkehr mit Wagner nach bekannter Eheirrung und der Trennung seiner Tochter Cosima von ihrem Gatten Hans von Bülow^ ab¬ gebrochen hatte. Welch ungeheuere Anziehungskraft auf die musikalische Welt die kleine thüringische Residenz durch Liszt ausgeübt hat, braucht wohl nicht erst geschildert zu werden. Es muß ein hochgestimmtes, köstlich frisches Leben gewesen sein, das in dem Kreise derer um Liszt auf der „Altenburg" geherrscht hat. Namen von edelstem Klänge wie Hans von Bülow, Alexander Ritter, Peter Cornelius, der liebenswürdige Dichtermusiker, Liszt in seinem ganzen Wesen vielleicht am nächsten stehend. Hans von Bronsart, Felix Drösele, Friedrich Preller, Oskar Schade, Franz Brendel u. a,. fanden sich in dem auf Anregung Hoffmanns von Fallersleben gegründeten „Neu - Weimar - Verein" zusammen, und wie eine herausfordernde Fanfare mag dem musikalischen Philistertum, dem einst schon der junge „Davidsbündler" Robert Schumann den Krieg erklärt hatte, die zweite Strophe des von Hoffmann gedichteten Bundesliedes in die Ohren geklungen haben: Es war allerdings ein in den Annalen der Geschichte der Musik unerhörter Fortschritt, und mit berechtigtem Stolze mag Weimar noch heut auf jenes Jahr¬ zehnt, in welchem sein Konzert- und Theaterleben zu einer bisher nirgends erreichten Höhe emporblühte, zurückblicken. Die Meisterwerke der dramatischen Musik der klassischen Zeit fanden ebenso eifrige Pflege wie die der kühnen Neuerer Hektor Berlioz und Richard Wagner: alles was edel und echt war wurde willkommen geheißen, mochte der Name des Autors weithin berühmt oder noch gänzlich unbekannt sein. Aber diese künstlerisch so überaus segensreiche Tätigkeit des Meisters fand ein jähes Ende. Was der oppositionellen Presse der Alt- konservativen wie Otto Jahr, Bischoff, Hiller, später Hanslick u. a., die diese

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/608>, abgerufen am 25.07.2024.