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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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^ranz Liszt

Aber im selben Maße wie er empfing, gab er auch. Er gab überhaupt
immer, geistig, künstlerisch, materiell. "Nicht Franz solltest du heißen, sondern
,Helferich'", hat ihm Adolf Stahr einmal gesagt. Was er an Richard Wagner
getan hat, ist mit goldenen Lettern in das Buch der deutschen Kulturgeschichte
geschrieben. Robert Franz wäre ohne ihn verhungert. Daß das Beethoven¬
denkmal in Bonn so schnell zustande kam, war sein Verdienst: um dem Zu¬
sammenbetteln des Geldes ein Ende zu machen, gab er 10000 Franken her,
ferner 17000 Franken zu einem Pensionssonds für Musiker des Hamburger
Stadttheaters, 55000 Franken für die Abgebrannten derselben Stadt (1862),
1000 Franken für den Kölner Dombau. In Berlin allein veranstaltete er
neun Konzerte zu wohltätigen Zwecken, drei davon für die akademische Jugend.
Das sind nur ein paar der am weitesten bekannt gewordenen Beispiele seiner
fabelhaften Mildtätigkeit -- wieviel davon ist überhaupt nicht in die Öffent-
lichkeit gedrungen. O6me obliZe!

Und fast noch großartiger mutet uns die Charakterstärke an, mit der der
unvergleichliche, auf der Höhe eines unerhörten Weltruhms stehende Künstler
der Virtuosenlaufbahn entsagte (1847), da sie seine tief angelegte Natur auf die
Dauer doch nicht befriedigte: selbst das Angebot einer Million Dollar für eine
Konzertreise durch die Staaten der Union konnte an diesem Entschluß nichts
ändern. Einer Bitte des Erb-Großherzogs Karl Alexander von Sachsen-Weimar
folgend, ließ er sich in dem kleinen Jlmstädtchen dauernd nieder, für das
wiederum, wie vor einem halben Jahrhundert, als unsere beiden Dichterfürsten
hier residierten, eine diesmal allerdings kurze Glanzzeit begann.

Als "Kapellmeister in außerordentlichem Dienst" war Liszt schon seit 1843
für jährlich drei Monate in Weimar verpflichtet mit einem Gehalt von
1000 Reichstalern, jetzt übernahm er noch freiwillig die Leitung der unter
Chelard sehr heruntergekommenen Oper. Das großzügige Programm, nach dem
gearbeitet wurde, hat er später (1854) in seinem Aufsatz über Webers
"Euryanthe" veröffentlicht: hätten die Mittel zu dessen Durchführung aus¬
gereicht, so würde das Weimarer Theaterwesen für alle Zeiten vorbildlich ge¬
worden sein. Noch großartiger war der ideale Plan, den er anläßlich der
Goethefeier 1849 dem Komitee vorlegte, wonach, gemäß seiner Überzeugung
von der Einheit der Kunst überhaupt. Weimar ein modernes künstlerisches
Olympia werden sollte. Aber die dazu nötigen 100000 Taler waren nicht
aufzubringen, ebensowenig ging der Großherzog auf den von Liszt ihm unter¬
breiteten Gedanken ein, den "Ring der Nibelungen" in einem eigens dazu
erbauten Festspielhause aufzuführen -- sonst stünde dieses heut in Weimar statt
in Bayreuth.

Unter den künstlerischen Großtaten dieser Tage ist vor allem die Auf¬
führung des "Lohengrin" hervorzuheben. An einem fürstlichen Hoftheater das
Werk des als Revolutionär Geächteten! Unauslöschlichen Dank schuldet das
deutsche Volk dem Fremdling für die selbstlose, kühne Propaganda, mit der er


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^ranz Liszt

Aber im selben Maße wie er empfing, gab er auch. Er gab überhaupt
immer, geistig, künstlerisch, materiell. „Nicht Franz solltest du heißen, sondern
,Helferich'", hat ihm Adolf Stahr einmal gesagt. Was er an Richard Wagner
getan hat, ist mit goldenen Lettern in das Buch der deutschen Kulturgeschichte
geschrieben. Robert Franz wäre ohne ihn verhungert. Daß das Beethoven¬
denkmal in Bonn so schnell zustande kam, war sein Verdienst: um dem Zu¬
sammenbetteln des Geldes ein Ende zu machen, gab er 10000 Franken her,
ferner 17000 Franken zu einem Pensionssonds für Musiker des Hamburger
Stadttheaters, 55000 Franken für die Abgebrannten derselben Stadt (1862),
1000 Franken für den Kölner Dombau. In Berlin allein veranstaltete er
neun Konzerte zu wohltätigen Zwecken, drei davon für die akademische Jugend.
Das sind nur ein paar der am weitesten bekannt gewordenen Beispiele seiner
fabelhaften Mildtätigkeit — wieviel davon ist überhaupt nicht in die Öffent-
lichkeit gedrungen. O6me obliZe!

Und fast noch großartiger mutet uns die Charakterstärke an, mit der der
unvergleichliche, auf der Höhe eines unerhörten Weltruhms stehende Künstler
der Virtuosenlaufbahn entsagte (1847), da sie seine tief angelegte Natur auf die
Dauer doch nicht befriedigte: selbst das Angebot einer Million Dollar für eine
Konzertreise durch die Staaten der Union konnte an diesem Entschluß nichts
ändern. Einer Bitte des Erb-Großherzogs Karl Alexander von Sachsen-Weimar
folgend, ließ er sich in dem kleinen Jlmstädtchen dauernd nieder, für das
wiederum, wie vor einem halben Jahrhundert, als unsere beiden Dichterfürsten
hier residierten, eine diesmal allerdings kurze Glanzzeit begann.

Als „Kapellmeister in außerordentlichem Dienst" war Liszt schon seit 1843
für jährlich drei Monate in Weimar verpflichtet mit einem Gehalt von
1000 Reichstalern, jetzt übernahm er noch freiwillig die Leitung der unter
Chelard sehr heruntergekommenen Oper. Das großzügige Programm, nach dem
gearbeitet wurde, hat er später (1854) in seinem Aufsatz über Webers
„Euryanthe" veröffentlicht: hätten die Mittel zu dessen Durchführung aus¬
gereicht, so würde das Weimarer Theaterwesen für alle Zeiten vorbildlich ge¬
worden sein. Noch großartiger war der ideale Plan, den er anläßlich der
Goethefeier 1849 dem Komitee vorlegte, wonach, gemäß seiner Überzeugung
von der Einheit der Kunst überhaupt. Weimar ein modernes künstlerisches
Olympia werden sollte. Aber die dazu nötigen 100000 Taler waren nicht
aufzubringen, ebensowenig ging der Großherzog auf den von Liszt ihm unter¬
breiteten Gedanken ein, den „Ring der Nibelungen" in einem eigens dazu
erbauten Festspielhause aufzuführen — sonst stünde dieses heut in Weimar statt
in Bayreuth.

Unter den künstlerischen Großtaten dieser Tage ist vor allem die Auf¬
führung des „Lohengrin" hervorzuheben. An einem fürstlichen Hoftheater das
Werk des als Revolutionär Geächteten! Unauslöschlichen Dank schuldet das
deutsche Volk dem Fremdling für die selbstlose, kühne Propaganda, mit der er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/607>, abgerufen am 25.07.2024.