Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

mographie); 3. eine für Anthropologie; 4. eine
für Kriminologie (Kriminnlstatistik, Kriminal-
Psychologie usw.) und Völkerpsychologie;
6. eine rein wissenschaftliche, die die experi-
mentelle Erblichkeitsbiologie umfaßt. An die
Spitze jeder dieser Abteilungen treten aner¬
kannte Männer der Wissenschaft, zu ihrer
Hilfe die nötige Anzahl von Assistenten.
Erläuternd fügt Lundborg hinzu: "Diese
Abteilungen brauchten natürlich nicht alle auf
einmal in Angriff genommen zu werden. Für
die Wirksamkeit des Institutes wären jedoch
die Abteilungen eins und zwei schon von An¬
fang an absolut notwendig. Später könnte
das Institut nach und nach erweitert werden.
An demselben müßte außerdem eine Biblio¬
thek errichtet werden, die so vollständig als
möglich ist. Es ist meine lebhafte Überzeu¬
gung, daß ein so organisiertes Institut, an
dem gute Kräfte angestellt sind, sich bald
genug in hohem Grade fruchttragend zeigen
und tief in das kulturelle Leben der Gesamt¬
heit eingreifen würde." So rückhaltslos ich
mich mit Lundborg in diesen Sätzen und in
seinem ganzen Plane seines "Zentralen
Forschungsinstitutes für Vererbungswissen¬
schaft" begegnen kann, so möchte ich doch
hier die Überzeugung aussprechen, daß
die Vererbungsforschung auf dem Gebiete
der Pflanzenwelt und auf demjenigen der
Tierwelt, wie sie jetzt in dem neuen "Institut
für Vererbungsforschung" zu Potsdam ihre
Stätte finden wird, in ein "Zentrales
Forschungsinstitut für Vererbungswissen¬
schaft" unbedingt mit hineingehört. Denn
soviel weiß man doch jetzt schon mit
Bestimmtheit, daß die sogenannten "Men-
delschen Vererbungsregeln" -- wie in der
Pflanzenwelt -- in der Tierwelt und beim
Menschen gelten. An Pflanzen hat Mendel
seine Beobachtungen gemacht. Aus Beob¬
achtungen an Pflanzen hat Mendel seine
"Regeln" abgeleitet. Erst aus viel späteren
Beobachtungen sind sie als auch in der Tier¬
welt und beim Menschen geltend erkannt
worden. Nur aus vergleichenden Beobach¬
tungen und Untersuchungen, die sich ans die
Pflanzenwelt, die Tierwelt und den Menschen
gleichmäßig erstrecken, scheint mir die weitere
Erkenntnis kommen zu können. Das ist auch
der Grund, weshalb ich das "große For¬

[Spaltenumbruch]

schungsinstitut für Familicnforschuug und Ver¬
erbungswissenschaft", den letzten Begriff im
weitesten Sinne verstanden, immer wieder
als die "Forderung des Tages" bezeichnen
werde. (Man vgl. zu dem Gegenstand auch
den Aufsatz vom Geheimen Medizinalrnt
Prof. Dr. Robert Sommer in Gießen in den
Grenzboten 1912, Heft 12.)

Dr. Stephan Kekule von Stradonitz
Schöne Literatur

Friedrich Wolters: Hymnen und Se¬
quenzen. (Verlag Otto v. Hollen, Berlin.
1914. Preis 4,50 M.) Wir erleben es, daß
zugleich mit der heute sich vollziehenden Neu¬
belebung der Dichtkunst und durch sie bedingt,
altes geistiges Erbe, das künstlerisch ungenutzt,
nur Philologisch gewertet, auf dem Grunde
unserer Kultur lag, in nicht geahnter Schön¬
heit und Fülle ersteht. Insbesondere haben
in Zusammenhang mit demi Werke Stefan
Georges große Dichtungen der Vergangenheit
in Formen, die dem neuen Sprachgeist gemäß
sind, ihre Wiedererstehung erfahren: wir er¬
innern ein den Georgeschen Dante und Baude¬
laire, an den Gundolfschen Shakespeare. Ans
diesem Geiste heraus hat vor einigen Jahren
Friedrich Wolters eine Neuübertragung deut¬
scher Minnelieder und Sprüche erscheinen lassen,
die in Ur. 24 des 09. Jahrganges der Grenz¬
boten ihre Würdigung fand. Dieser Wieder¬
belebung germanischen, in der Hauptsache welt¬
lichen Kunstgeistes ist nunmehr eine Über¬
tragung von Hymnen und Sequenzen der
alten Kirche von? vierten bis fünfzehnten Jahr¬
hundert gefolgt. Soweit wir sehen, ist eine
solche Übersetzung in dichterischem Sinne,
außerhalb der enggezogenen Grenzen kirch¬
licher Bedürfnisse, bisher noch nicht versucht
worden; obwohl diese Dichtungen, mehr aus
ursprünglichem Erleben des Göttlichen als
aus beschränkter kirchlicher Bindung geboren,
die allgemeine Teilnahme der Kunstfreunde,
uicht nur der kirchlich Interessierten, verdienen.

Wolters gibt in der Einleitung über Ent¬
stehung und Geschichte der alten Gesänge
einen Überblick: im vierten Jahrhundert treibt
die Kirche von Mailand die ersten Blüten in
den Gedichten des Nurelius Ambrosius;
Eunodius, Gregor der Große und der Spanier

[Ende Spaltensatz]
Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

mographie); 3. eine für Anthropologie; 4. eine
für Kriminologie (Kriminnlstatistik, Kriminal-
Psychologie usw.) und Völkerpsychologie;
6. eine rein wissenschaftliche, die die experi-
mentelle Erblichkeitsbiologie umfaßt. An die
Spitze jeder dieser Abteilungen treten aner¬
kannte Männer der Wissenschaft, zu ihrer
Hilfe die nötige Anzahl von Assistenten.
Erläuternd fügt Lundborg hinzu: „Diese
Abteilungen brauchten natürlich nicht alle auf
einmal in Angriff genommen zu werden. Für
die Wirksamkeit des Institutes wären jedoch
die Abteilungen eins und zwei schon von An¬
fang an absolut notwendig. Später könnte
das Institut nach und nach erweitert werden.
An demselben müßte außerdem eine Biblio¬
thek errichtet werden, die so vollständig als
möglich ist. Es ist meine lebhafte Überzeu¬
gung, daß ein so organisiertes Institut, an
dem gute Kräfte angestellt sind, sich bald
genug in hohem Grade fruchttragend zeigen
und tief in das kulturelle Leben der Gesamt¬
heit eingreifen würde." So rückhaltslos ich
mich mit Lundborg in diesen Sätzen und in
seinem ganzen Plane seines „Zentralen
Forschungsinstitutes für Vererbungswissen¬
schaft" begegnen kann, so möchte ich doch
hier die Überzeugung aussprechen, daß
die Vererbungsforschung auf dem Gebiete
der Pflanzenwelt und auf demjenigen der
Tierwelt, wie sie jetzt in dem neuen „Institut
für Vererbungsforschung" zu Potsdam ihre
Stätte finden wird, in ein „Zentrales
Forschungsinstitut für Vererbungswissen¬
schaft" unbedingt mit hineingehört. Denn
soviel weiß man doch jetzt schon mit
Bestimmtheit, daß die sogenannten „Men-
delschen Vererbungsregeln" — wie in der
Pflanzenwelt — in der Tierwelt und beim
Menschen gelten. An Pflanzen hat Mendel
seine Beobachtungen gemacht. Aus Beob¬
achtungen an Pflanzen hat Mendel seine
„Regeln" abgeleitet. Erst aus viel späteren
Beobachtungen sind sie als auch in der Tier¬
welt und beim Menschen geltend erkannt
worden. Nur aus vergleichenden Beobach¬
tungen und Untersuchungen, die sich ans die
Pflanzenwelt, die Tierwelt und den Menschen
gleichmäßig erstrecken, scheint mir die weitere
Erkenntnis kommen zu können. Das ist auch
der Grund, weshalb ich das „große For¬

[Spaltenumbruch]

schungsinstitut für Familicnforschuug und Ver¬
erbungswissenschaft", den letzten Begriff im
weitesten Sinne verstanden, immer wieder
als die „Forderung des Tages" bezeichnen
werde. (Man vgl. zu dem Gegenstand auch
den Aufsatz vom Geheimen Medizinalrnt
Prof. Dr. Robert Sommer in Gießen in den
Grenzboten 1912, Heft 12.)

Dr. Stephan Kekule von Stradonitz
Schöne Literatur

Friedrich Wolters: Hymnen und Se¬
quenzen. (Verlag Otto v. Hollen, Berlin.
1914. Preis 4,50 M.) Wir erleben es, daß
zugleich mit der heute sich vollziehenden Neu¬
belebung der Dichtkunst und durch sie bedingt,
altes geistiges Erbe, das künstlerisch ungenutzt,
nur Philologisch gewertet, auf dem Grunde
unserer Kultur lag, in nicht geahnter Schön¬
heit und Fülle ersteht. Insbesondere haben
in Zusammenhang mit demi Werke Stefan
Georges große Dichtungen der Vergangenheit
in Formen, die dem neuen Sprachgeist gemäß
sind, ihre Wiedererstehung erfahren: wir er¬
innern ein den Georgeschen Dante und Baude¬
laire, an den Gundolfschen Shakespeare. Ans
diesem Geiste heraus hat vor einigen Jahren
Friedrich Wolters eine Neuübertragung deut¬
scher Minnelieder und Sprüche erscheinen lassen,
die in Ur. 24 des 09. Jahrganges der Grenz¬
boten ihre Würdigung fand. Dieser Wieder¬
belebung germanischen, in der Hauptsache welt¬
lichen Kunstgeistes ist nunmehr eine Über¬
tragung von Hymnen und Sequenzen der
alten Kirche von? vierten bis fünfzehnten Jahr¬
hundert gefolgt. Soweit wir sehen, ist eine
solche Übersetzung in dichterischem Sinne,
außerhalb der enggezogenen Grenzen kirch¬
licher Bedürfnisse, bisher noch nicht versucht
worden; obwohl diese Dichtungen, mehr aus
ursprünglichem Erleben des Göttlichen als
aus beschränkter kirchlicher Bindung geboren,
die allgemeine Teilnahme der Kunstfreunde,
uicht nur der kirchlich Interessierten, verdienen.

Wolters gibt in der Einleitung über Ent¬
stehung und Geschichte der alten Gesänge
einen Überblick: im vierten Jahrhundert treibt
die Kirche von Mailand die ersten Blüten in
den Gedichten des Nurelius Ambrosius;
Eunodius, Gregor der Große und der Spanier

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328158"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <cb type="start"/>
            <p xml:id="ID_232" prev="#ID_231" next="#ID_233"> mographie); 3. eine für Anthropologie; 4. eine<lb/>
für Kriminologie (Kriminnlstatistik, Kriminal-<lb/>
Psychologie usw.) und Völkerpsychologie;<lb/>
6. eine rein wissenschaftliche, die die experi-<lb/>
mentelle Erblichkeitsbiologie umfaßt. An die<lb/>
Spitze jeder dieser Abteilungen treten aner¬<lb/>
kannte Männer der Wissenschaft, zu ihrer<lb/>
Hilfe die nötige Anzahl von Assistenten.<lb/>
Erläuternd fügt Lundborg hinzu: &#x201E;Diese<lb/>
Abteilungen brauchten natürlich nicht alle auf<lb/>
einmal in Angriff genommen zu werden. Für<lb/>
die Wirksamkeit des Institutes wären jedoch<lb/>
die Abteilungen eins und zwei schon von An¬<lb/>
fang an absolut notwendig. Später könnte<lb/>
das Institut nach und nach erweitert werden.<lb/>
An demselben müßte außerdem eine Biblio¬<lb/>
thek errichtet werden, die so vollständig als<lb/>
möglich ist. Es ist meine lebhafte Überzeu¬<lb/>
gung, daß ein so organisiertes Institut, an<lb/>
dem gute Kräfte angestellt sind, sich bald<lb/>
genug in hohem Grade fruchttragend zeigen<lb/>
und tief in das kulturelle Leben der Gesamt¬<lb/>
heit eingreifen würde." So rückhaltslos ich<lb/>
mich mit Lundborg in diesen Sätzen und in<lb/>
seinem ganzen Plane seines &#x201E;Zentralen<lb/>
Forschungsinstitutes für Vererbungswissen¬<lb/>
schaft" begegnen kann, so möchte ich doch<lb/>
hier die Überzeugung aussprechen, daß<lb/>
die Vererbungsforschung auf dem Gebiete<lb/>
der Pflanzenwelt und auf demjenigen der<lb/>
Tierwelt, wie sie jetzt in dem neuen &#x201E;Institut<lb/>
für Vererbungsforschung" zu Potsdam ihre<lb/>
Stätte finden wird, in ein &#x201E;Zentrales<lb/>
Forschungsinstitut für Vererbungswissen¬<lb/>
schaft" unbedingt mit hineingehört. Denn<lb/>
soviel weiß man doch jetzt schon mit<lb/>
Bestimmtheit, daß die sogenannten &#x201E;Men-<lb/>
delschen Vererbungsregeln" &#x2014; wie in der<lb/>
Pflanzenwelt &#x2014; in der Tierwelt und beim<lb/>
Menschen gelten. An Pflanzen hat Mendel<lb/>
seine Beobachtungen gemacht. Aus Beob¬<lb/>
achtungen an Pflanzen hat Mendel seine<lb/>
&#x201E;Regeln" abgeleitet. Erst aus viel späteren<lb/>
Beobachtungen sind sie als auch in der Tier¬<lb/>
welt und beim Menschen geltend erkannt<lb/>
worden. Nur aus vergleichenden Beobach¬<lb/>
tungen und Untersuchungen, die sich ans die<lb/>
Pflanzenwelt, die Tierwelt und den Menschen<lb/>
gleichmäßig erstrecken, scheint mir die weitere<lb/>
Erkenntnis kommen zu können. Das ist auch<lb/>
der Grund, weshalb ich das &#x201E;große For¬</p>
            <cb/><lb/>
            <p xml:id="ID_233" prev="#ID_232"> schungsinstitut für Familicnforschuug und Ver¬<lb/>
erbungswissenschaft", den letzten Begriff im<lb/>
weitesten Sinne verstanden, immer wieder<lb/>
als die &#x201E;Forderung des Tages" bezeichnen<lb/>
werde. (Man vgl. zu dem Gegenstand auch<lb/>
den Aufsatz vom Geheimen Medizinalrnt<lb/>
Prof. Dr. Robert Sommer in Gießen in den<lb/>
Grenzboten 1912, Heft 12.)</p>
            <note type="byline"> Dr. Stephan Kekule von Stradonitz</note>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Schöne Literatur</head>
            <p xml:id="ID_234"> Friedrich Wolters: Hymnen und Se¬<lb/>
quenzen. (Verlag Otto v. Hollen, Berlin.<lb/>
1914. Preis 4,50 M.) Wir erleben es, daß<lb/>
zugleich mit der heute sich vollziehenden Neu¬<lb/>
belebung der Dichtkunst und durch sie bedingt,<lb/>
altes geistiges Erbe, das künstlerisch ungenutzt,<lb/>
nur Philologisch gewertet, auf dem Grunde<lb/>
unserer Kultur lag, in nicht geahnter Schön¬<lb/>
heit und Fülle ersteht. Insbesondere haben<lb/>
in Zusammenhang mit demi Werke Stefan<lb/>
Georges große Dichtungen der Vergangenheit<lb/>
in Formen, die dem neuen Sprachgeist gemäß<lb/>
sind, ihre Wiedererstehung erfahren: wir er¬<lb/>
innern ein den Georgeschen Dante und Baude¬<lb/>
laire, an den Gundolfschen Shakespeare. Ans<lb/>
diesem Geiste heraus hat vor einigen Jahren<lb/>
Friedrich Wolters eine Neuübertragung deut¬<lb/>
scher Minnelieder und Sprüche erscheinen lassen,<lb/>
die in Ur. 24 des 09. Jahrganges der Grenz¬<lb/>
boten ihre Würdigung fand. Dieser Wieder¬<lb/>
belebung germanischen, in der Hauptsache welt¬<lb/>
lichen Kunstgeistes ist nunmehr eine Über¬<lb/>
tragung von Hymnen und Sequenzen der<lb/>
alten Kirche von? vierten bis fünfzehnten Jahr¬<lb/>
hundert gefolgt. Soweit wir sehen, ist eine<lb/>
solche Übersetzung in dichterischem Sinne,<lb/>
außerhalb der enggezogenen Grenzen kirch¬<lb/>
licher Bedürfnisse, bisher noch nicht versucht<lb/>
worden; obwohl diese Dichtungen, mehr aus<lb/>
ursprünglichem Erleben des Göttlichen als<lb/>
aus beschränkter kirchlicher Bindung geboren,<lb/>
die allgemeine Teilnahme der Kunstfreunde,<lb/>
uicht nur der kirchlich Interessierten, verdienen.</p>
            <p xml:id="ID_235" next="#ID_236"> Wolters gibt in der Einleitung über Ent¬<lb/>
stehung und Geschichte der alten Gesänge<lb/>
einen Überblick: im vierten Jahrhundert treibt<lb/>
die Kirche von Mailand die ersten Blüten in<lb/>
den Gedichten des Nurelius Ambrosius;<lb/>
Eunodius, Gregor der Große und der Spanier</p>
            <cb type="end"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0058] Maßgebliches und Unmaßgebliches mographie); 3. eine für Anthropologie; 4. eine für Kriminologie (Kriminnlstatistik, Kriminal- Psychologie usw.) und Völkerpsychologie; 6. eine rein wissenschaftliche, die die experi- mentelle Erblichkeitsbiologie umfaßt. An die Spitze jeder dieser Abteilungen treten aner¬ kannte Männer der Wissenschaft, zu ihrer Hilfe die nötige Anzahl von Assistenten. Erläuternd fügt Lundborg hinzu: „Diese Abteilungen brauchten natürlich nicht alle auf einmal in Angriff genommen zu werden. Für die Wirksamkeit des Institutes wären jedoch die Abteilungen eins und zwei schon von An¬ fang an absolut notwendig. Später könnte das Institut nach und nach erweitert werden. An demselben müßte außerdem eine Biblio¬ thek errichtet werden, die so vollständig als möglich ist. Es ist meine lebhafte Überzeu¬ gung, daß ein so organisiertes Institut, an dem gute Kräfte angestellt sind, sich bald genug in hohem Grade fruchttragend zeigen und tief in das kulturelle Leben der Gesamt¬ heit eingreifen würde." So rückhaltslos ich mich mit Lundborg in diesen Sätzen und in seinem ganzen Plane seines „Zentralen Forschungsinstitutes für Vererbungswissen¬ schaft" begegnen kann, so möchte ich doch hier die Überzeugung aussprechen, daß die Vererbungsforschung auf dem Gebiete der Pflanzenwelt und auf demjenigen der Tierwelt, wie sie jetzt in dem neuen „Institut für Vererbungsforschung" zu Potsdam ihre Stätte finden wird, in ein „Zentrales Forschungsinstitut für Vererbungswissen¬ schaft" unbedingt mit hineingehört. Denn soviel weiß man doch jetzt schon mit Bestimmtheit, daß die sogenannten „Men- delschen Vererbungsregeln" — wie in der Pflanzenwelt — in der Tierwelt und beim Menschen gelten. An Pflanzen hat Mendel seine Beobachtungen gemacht. Aus Beob¬ achtungen an Pflanzen hat Mendel seine „Regeln" abgeleitet. Erst aus viel späteren Beobachtungen sind sie als auch in der Tier¬ welt und beim Menschen geltend erkannt worden. Nur aus vergleichenden Beobach¬ tungen und Untersuchungen, die sich ans die Pflanzenwelt, die Tierwelt und den Menschen gleichmäßig erstrecken, scheint mir die weitere Erkenntnis kommen zu können. Das ist auch der Grund, weshalb ich das „große For¬ schungsinstitut für Familicnforschuug und Ver¬ erbungswissenschaft", den letzten Begriff im weitesten Sinne verstanden, immer wieder als die „Forderung des Tages" bezeichnen werde. (Man vgl. zu dem Gegenstand auch den Aufsatz vom Geheimen Medizinalrnt Prof. Dr. Robert Sommer in Gießen in den Grenzboten 1912, Heft 12.) Dr. Stephan Kekule von Stradonitz Schöne Literatur Friedrich Wolters: Hymnen und Se¬ quenzen. (Verlag Otto v. Hollen, Berlin. 1914. Preis 4,50 M.) Wir erleben es, daß zugleich mit der heute sich vollziehenden Neu¬ belebung der Dichtkunst und durch sie bedingt, altes geistiges Erbe, das künstlerisch ungenutzt, nur Philologisch gewertet, auf dem Grunde unserer Kultur lag, in nicht geahnter Schön¬ heit und Fülle ersteht. Insbesondere haben in Zusammenhang mit demi Werke Stefan Georges große Dichtungen der Vergangenheit in Formen, die dem neuen Sprachgeist gemäß sind, ihre Wiedererstehung erfahren: wir er¬ innern ein den Georgeschen Dante und Baude¬ laire, an den Gundolfschen Shakespeare. Ans diesem Geiste heraus hat vor einigen Jahren Friedrich Wolters eine Neuübertragung deut¬ scher Minnelieder und Sprüche erscheinen lassen, die in Ur. 24 des 09. Jahrganges der Grenz¬ boten ihre Würdigung fand. Dieser Wieder¬ belebung germanischen, in der Hauptsache welt¬ lichen Kunstgeistes ist nunmehr eine Über¬ tragung von Hymnen und Sequenzen der alten Kirche von? vierten bis fünfzehnten Jahr¬ hundert gefolgt. Soweit wir sehen, ist eine solche Übersetzung in dichterischem Sinne, außerhalb der enggezogenen Grenzen kirch¬ licher Bedürfnisse, bisher noch nicht versucht worden; obwohl diese Dichtungen, mehr aus ursprünglichem Erleben des Göttlichen als aus beschränkter kirchlicher Bindung geboren, die allgemeine Teilnahme der Kunstfreunde, uicht nur der kirchlich Interessierten, verdienen. Wolters gibt in der Einleitung über Ent¬ stehung und Geschichte der alten Gesänge einen Überblick: im vierten Jahrhundert treibt die Kirche von Mailand die ersten Blüten in den Gedichten des Nurelius Ambrosius; Eunodius, Gregor der Große und der Spanier

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/58
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/58>, abgerufen am 13.11.2024.