Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.Die Grundzüge einer Litercitinbeurteilung beschränkt, schon von hoher Bedeutung für die Literaturwissenschaft geworden Bartels wird diesen Standpunkt freilich nie gewinnen oder zulassen, weil Die Grundzüge einer Litercitinbeurteilung beschränkt, schon von hoher Bedeutung für die Literaturwissenschaft geworden Bartels wird diesen Standpunkt freilich nie gewinnen oder zulassen, weil <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0507" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328607"/> <fw type="header" place="top"> Die Grundzüge einer Litercitinbeurteilung</fw><lb/> <p xml:id="ID_2039" prev="#ID_2038"> beschränkt, schon von hoher Bedeutung für die Literaturwissenschaft geworden<lb/> sei." Zu dieser abweisender Haltung fühlt sich Bartels besonders aus einem<lb/> rein persönlichen Grund veranlaßt: er will seine Volkstumstheorie nicht durch<lb/> die Rassetheorie verdrängt wissen (III, 745) und gibt darum zu, daß „das<lb/> deutsche Volkstum eben nicht rein germanisch, sondern nur germanisch-rassenhaft<lb/> bestimmt ist". Wie weit diese Bestimmung geht, vermag Barrels — man ver¬<lb/> gleiche seine Aufsätze „Rasse", Hamburg 1909 — selbstverständlich nur hypo¬<lb/> thetisch zu behaupten. Mit heute möglicher Sicherheit läßt sich nur aus sozio¬<lb/> logischen und historischen Forderungen ein gewisses Stammestum für die<lb/> Literatur feststellen, so daß der Literaturwissenschaftler bei manchen Dichtern,<lb/> die aus einer in einem bestimmten Stamme lang eingesessener Familie her¬<lb/> kommen, von Stammeseigenschaften sprechen kann, und daß sich wohl auch hier<lb/> und da eine äußerliche Gruppierung der Literatur nach Stämmen vornehmen<lb/> läßt. Wer aber das ganze deutsche Wesen gestalten und dessen ganze Ent¬<lb/> wicklung jederzeit synthetisch im Auge behalten will, stellt sür sein Urteil, für<lb/> seine Anschauung das Stammestum in den zweiten Rang und sieht zuerst immer<lb/> nur das große, gesamte Deutschtum ohne jede provinziale, partikularistische<lb/> Zerklüftung. Denn dies Deutschtum in seiner Gesamtheit ist allein das, was<lb/> im Ringe der Welt ein Glied bildet: ich pflege es das Weltdeutschtum zu<lb/> nennen, gleichsam das reine Ergebnis der Komponenten deutschen Stammestums<lb/> und deutschen Staatswesens, das in der Welt Geltung hat. mitspricht und dessen<lb/> Charakter der Welt vertraut ist. Der universale Literaturwissenschaftler hat<lb/> nun über das Weltdeutschtum wie über den Weltcharakter der anderen Nationen<lb/> die allein Gerechtigkeit für das Urteil ausstrahlende Überschau, indem er sich<lb/> auf den Gipfelpunkt, die Welt, stellt, den die Weltnationen gebildet haben.<lb/> Wer die Literatur unserer Zeit wirklich erlebt, weiß, daß ich hier kein theo¬<lb/> retisches Gebäude aufbaue, sondern die Zentrale der universalen Literatur¬<lb/> wissenschaft für deren Methode, „völkisch" zu charakterisieren, aufzeige.</p><lb/> <p xml:id="ID_2040" next="#ID_2041"> Bartels wird diesen Standpunkt freilich nie gewinnen oder zulassen, weil<lb/> er zu sehr Stammesmensch ist und der Rassentheorie, wider seine Worte, ständig<lb/> nachfolgt, nicht für das Ganze, stets aber sür das Individuum. Für ihn ist<lb/> die germanische Rasse von jeher, für jetzt und alle Zukunft die wertvollste Rasse<lb/> der Welt: diese Hypothese „beweist" er, indem er alle wertvollen Individua¬<lb/> litäten nach Möglichkeit für die germanische Rasse in Anspruch nimmt: die<lb/> Genies — z. B. Dante — sind für ihn immer vorwiegend germanisch-rassenhaft<lb/> bestimmt, während doch das Verhältnis so ist. daß die Universalität 'der Genies<lb/> an sich schon, aus ihrem Wesen heraus germanische Elemente einschließt<lb/> (vgl. III. 745). — So wird auch die Rassentheorie — „die Literaturen<lb/> freilich stammen von Völkern, aber (!) es ist die Kraft der Nasse, die diese<lb/> erhält und ihnen ihren Charakter gibt" (III, 765) — ebenfalls eine der<lb/> Tendenzen in Bartels Darstellung. Wenige Zitate mögen zeigen, wie ein¬<lb/> seitig Bartels hier arbeitet, immer den Mischungserscheinungen „Wenn es" und</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0507]
Die Grundzüge einer Litercitinbeurteilung
beschränkt, schon von hoher Bedeutung für die Literaturwissenschaft geworden
sei." Zu dieser abweisender Haltung fühlt sich Bartels besonders aus einem
rein persönlichen Grund veranlaßt: er will seine Volkstumstheorie nicht durch
die Rassetheorie verdrängt wissen (III, 745) und gibt darum zu, daß „das
deutsche Volkstum eben nicht rein germanisch, sondern nur germanisch-rassenhaft
bestimmt ist". Wie weit diese Bestimmung geht, vermag Barrels — man ver¬
gleiche seine Aufsätze „Rasse", Hamburg 1909 — selbstverständlich nur hypo¬
thetisch zu behaupten. Mit heute möglicher Sicherheit läßt sich nur aus sozio¬
logischen und historischen Forderungen ein gewisses Stammestum für die
Literatur feststellen, so daß der Literaturwissenschaftler bei manchen Dichtern,
die aus einer in einem bestimmten Stamme lang eingesessener Familie her¬
kommen, von Stammeseigenschaften sprechen kann, und daß sich wohl auch hier
und da eine äußerliche Gruppierung der Literatur nach Stämmen vornehmen
läßt. Wer aber das ganze deutsche Wesen gestalten und dessen ganze Ent¬
wicklung jederzeit synthetisch im Auge behalten will, stellt sür sein Urteil, für
seine Anschauung das Stammestum in den zweiten Rang und sieht zuerst immer
nur das große, gesamte Deutschtum ohne jede provinziale, partikularistische
Zerklüftung. Denn dies Deutschtum in seiner Gesamtheit ist allein das, was
im Ringe der Welt ein Glied bildet: ich pflege es das Weltdeutschtum zu
nennen, gleichsam das reine Ergebnis der Komponenten deutschen Stammestums
und deutschen Staatswesens, das in der Welt Geltung hat. mitspricht und dessen
Charakter der Welt vertraut ist. Der universale Literaturwissenschaftler hat
nun über das Weltdeutschtum wie über den Weltcharakter der anderen Nationen
die allein Gerechtigkeit für das Urteil ausstrahlende Überschau, indem er sich
auf den Gipfelpunkt, die Welt, stellt, den die Weltnationen gebildet haben.
Wer die Literatur unserer Zeit wirklich erlebt, weiß, daß ich hier kein theo¬
retisches Gebäude aufbaue, sondern die Zentrale der universalen Literatur¬
wissenschaft für deren Methode, „völkisch" zu charakterisieren, aufzeige.
Bartels wird diesen Standpunkt freilich nie gewinnen oder zulassen, weil
er zu sehr Stammesmensch ist und der Rassentheorie, wider seine Worte, ständig
nachfolgt, nicht für das Ganze, stets aber sür das Individuum. Für ihn ist
die germanische Rasse von jeher, für jetzt und alle Zukunft die wertvollste Rasse
der Welt: diese Hypothese „beweist" er, indem er alle wertvollen Individua¬
litäten nach Möglichkeit für die germanische Rasse in Anspruch nimmt: die
Genies — z. B. Dante — sind für ihn immer vorwiegend germanisch-rassenhaft
bestimmt, während doch das Verhältnis so ist. daß die Universalität 'der Genies
an sich schon, aus ihrem Wesen heraus germanische Elemente einschließt
(vgl. III. 745). — So wird auch die Rassentheorie — „die Literaturen
freilich stammen von Völkern, aber (!) es ist die Kraft der Nasse, die diese
erhält und ihnen ihren Charakter gibt" (III, 765) — ebenfalls eine der
Tendenzen in Bartels Darstellung. Wenige Zitate mögen zeigen, wie ein¬
seitig Bartels hier arbeitet, immer den Mischungserscheinungen „Wenn es" und
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