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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Paul Heyse
(Gestorben an 2. April
Os. Karl Freye von

eins eine Welt der Überlieferung mit Paul Heyse dahingegangen
ist, das kann man sich leicht an der langen Reihe der Freunde
des Dichters klar machen. In den vierziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts verkehrte der junge Berliner in Franz Kuglers Hause,
aus dem er sich dann bald seine erste Gattin holte. Den
"deutschen Männern Ernst Moritz Arndt und Ludwig Uhland" widmete er
anno 1848 politische Lieder, und als er sich 1852 zur ersten Jtalienreise an¬
schickte, da gab ihm Justinus Kerner ein Heft mit, in das er sein poetisches
Tagebuch schreiben solle. Der Gegenwart ein Stück näher bringt uns dann
Heyses Freundschaft mit Geibel; aber auch der ist längst dahin, und ebenso
Mörike, Hermann Kurz, Keller, Storm, denen allen Heyse nahegestanden hat.
Und so hat der Dichter noch Jüngere aus seinem engeren Münchener Kreise,
wie Julius Grosse, Wilhelm Hertz, Wilhelm Imsen, überlebt. Kein anderer
Dichter hat wie er unermüdlich weiter schaffend aus anderen Zeiten in unsere
Gegenwart hineingeragt. Selbst von seinen Gegnern aus dem jüngsten
Deutschland hat manch einer vor ihm den Schauplatz verlassen müssen.

Paul Heyse hat unter den Modernen, die um 1890 aufkamen, Feinde
gehabt, und mancher glaubte ihn damals als überwundene Größe endgültig
abtun zu können; ebenso ist er wieder gegen den Naturalismus in häufig un¬
gerechter Polemik hervorgetreten. Ein moderner Dichter wie Liliencron aber,
der an Jahren zwischen den Parteien stand, hat ihn den Genossen gegenüber
stets verteidigt, und wir dürfen heute bereits objektiv urteilen: Heyse hat sich
dem Naturalismus als Doktrin, ebenso wie dem psychologisch tüftelnden Sym¬
bolismus des späteren Ibsen, deshalb so hartnäckig widersetzt, weil er in Vor¬
zügen und Schwächen eine ausgesprochene Natur war, die sich nicht beirren
lassen wollte und konnte, -- wie es sein eigener Spruch ausdrückt:




Paul Heyse
(Gestorben an 2. April
Os. Karl Freye von

eins eine Welt der Überlieferung mit Paul Heyse dahingegangen
ist, das kann man sich leicht an der langen Reihe der Freunde
des Dichters klar machen. In den vierziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts verkehrte der junge Berliner in Franz Kuglers Hause,
aus dem er sich dann bald seine erste Gattin holte. Den
„deutschen Männern Ernst Moritz Arndt und Ludwig Uhland" widmete er
anno 1848 politische Lieder, und als er sich 1852 zur ersten Jtalienreise an¬
schickte, da gab ihm Justinus Kerner ein Heft mit, in das er sein poetisches
Tagebuch schreiben solle. Der Gegenwart ein Stück näher bringt uns dann
Heyses Freundschaft mit Geibel; aber auch der ist längst dahin, und ebenso
Mörike, Hermann Kurz, Keller, Storm, denen allen Heyse nahegestanden hat.
Und so hat der Dichter noch Jüngere aus seinem engeren Münchener Kreise,
wie Julius Grosse, Wilhelm Hertz, Wilhelm Imsen, überlebt. Kein anderer
Dichter hat wie er unermüdlich weiter schaffend aus anderen Zeiten in unsere
Gegenwart hineingeragt. Selbst von seinen Gegnern aus dem jüngsten
Deutschland hat manch einer vor ihm den Schauplatz verlassen müssen.

Paul Heyse hat unter den Modernen, die um 1890 aufkamen, Feinde
gehabt, und mancher glaubte ihn damals als überwundene Größe endgültig
abtun zu können; ebenso ist er wieder gegen den Naturalismus in häufig un¬
gerechter Polemik hervorgetreten. Ein moderner Dichter wie Liliencron aber,
der an Jahren zwischen den Parteien stand, hat ihn den Genossen gegenüber
stets verteidigt, und wir dürfen heute bereits objektiv urteilen: Heyse hat sich
dem Naturalismus als Doktrin, ebenso wie dem psychologisch tüftelnden Sym¬
bolismus des späteren Ibsen, deshalb so hartnäckig widersetzt, weil er in Vor¬
zügen und Schwächen eine ausgesprochene Natur war, die sich nicht beirren
lassen wollte und konnte, — wie es sein eigener Spruch ausdrückt:


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[0046] [Abbildung] Paul Heyse (Gestorben an 2. April Os. Karl Freye von eins eine Welt der Überlieferung mit Paul Heyse dahingegangen ist, das kann man sich leicht an der langen Reihe der Freunde des Dichters klar machen. In den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts verkehrte der junge Berliner in Franz Kuglers Hause, aus dem er sich dann bald seine erste Gattin holte. Den „deutschen Männern Ernst Moritz Arndt und Ludwig Uhland" widmete er anno 1848 politische Lieder, und als er sich 1852 zur ersten Jtalienreise an¬ schickte, da gab ihm Justinus Kerner ein Heft mit, in das er sein poetisches Tagebuch schreiben solle. Der Gegenwart ein Stück näher bringt uns dann Heyses Freundschaft mit Geibel; aber auch der ist längst dahin, und ebenso Mörike, Hermann Kurz, Keller, Storm, denen allen Heyse nahegestanden hat. Und so hat der Dichter noch Jüngere aus seinem engeren Münchener Kreise, wie Julius Grosse, Wilhelm Hertz, Wilhelm Imsen, überlebt. Kein anderer Dichter hat wie er unermüdlich weiter schaffend aus anderen Zeiten in unsere Gegenwart hineingeragt. Selbst von seinen Gegnern aus dem jüngsten Deutschland hat manch einer vor ihm den Schauplatz verlassen müssen. Paul Heyse hat unter den Modernen, die um 1890 aufkamen, Feinde gehabt, und mancher glaubte ihn damals als überwundene Größe endgültig abtun zu können; ebenso ist er wieder gegen den Naturalismus in häufig un¬ gerechter Polemik hervorgetreten. Ein moderner Dichter wie Liliencron aber, der an Jahren zwischen den Parteien stand, hat ihn den Genossen gegenüber stets verteidigt, und wir dürfen heute bereits objektiv urteilen: Heyse hat sich dem Naturalismus als Doktrin, ebenso wie dem psychologisch tüftelnden Sym¬ bolismus des späteren Ibsen, deshalb so hartnäckig widersetzt, weil er in Vor¬ zügen und Schwächen eine ausgesprochene Natur war, die sich nicht beirren lassen wollte und konnte, — wie es sein eigener Spruch ausdrückt:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/46>, abgerufen am 13.11.2024.