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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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"Bis zu seinem Ende konnte ich nicht bleiben, aber erkennen konnte er mich
nicht mehr."

"Ich hätte ihm gern ein ehrlich Grab gegeben, aber als ich Zeit fand
zurückzugehen, waren die Toten schon von den frommen Brüdern aus Trier
weggetragen. Nur der Hund lag tot an der Stelle, wo sein Herr ge¬
wesen war!"

"Ich weiß," der Herzog stützte den Kopf in die Hand und blickte in die
Ferne. "Das war ein schöner Tag, Jostas! Meiner Seel, die Franzen haben
es gemerkt und vor der Hand kommen sie nicht wieder. Aber wenn sie Atem
geschöpft haben und der Ludwig sich einmal wieder langweilt, dann wird es
wieder weitergehen!"

"Und Eure Gnaden werden wieder helfen!"

Der Herzog sah auf die Papiere vor ihm.

"Ich darf nicht mehr, Josias. Ich habe mein Land, mein Weib, und
ich kriege wohl auch noch Kinder. Des Kaisers Majestät ist kein angenehmer
Kriegsherr, und den Lothringer haben sie glücklich tot geärgert. Nun, er ging
mit dem Sieg bei der Konzer Brücke aus der Welt, aber ich möchte nicht noch
einmal unter den kaiserlichen Feldherren stehen. Es gibt eine Gnadenkette und
auch wohl ein Gnadengeschenk, sonst aber hat man nur Freude im Kampf, im
Feld! Und nun wird vielleicht mal wieder Friede!"

Es klopfte leise an die Tür und Josias ging hin, um nachzusehen. Mit
einem Schreiben kam er zurück, das der Herzog rasch erbrach.

"Der Staatsrat von Sehestedt bittet um eine Audienz!" sagte er halb
lachend.

"Seine Gelehrsamkeit sind sehr feierlich geworden. Vor etlichen Monden
noch wandelten wir mitsammen im Walde zu Laach und sprachen über die
bösen Zeitläufte. Aber ich will ihn morgen empfangen und da er schon hier
in der Stadt ist, könnt Ihr es ihm melden! Ihr sollt doch die schöne Heilwig
zum Gemahl haben, nicht wahr?"

"Ich weiß nicht!" Der Junker war blaß geworden und der Herzog warf
ihm einen raschen Blick zu, sagte aber nichts mehr, sondern beugte sich über
die Papiere, schalt halb im Ernst, halb im Scherz und machte endlich ein Zeichen,
daß er allein zu sein wünschte.

Josias ging über den langen Korridor, die Treppen hinunter, stand einen
Augenblick vor dem Schloß und sah über den See, um dann hinunter in die
Stadt zu wandern. Auch hier waren die Gassen eng, wie am Rhein, aber die
Dächer waren rot und spitz und kein Weihrauch dämmerte durch die Straßen.
Ganz am Ende des Ortes lag die Herberge, in die der Staatsrat von Sehestedt
eingeritten war. Sie trug einen springenden Hirsch im Schilde und der dicke
Wirt hantierte eifrig am Herd, auf dem Helles Feuer brannte. Ein Spieß
hing darüber, an dem ein Rehziemer hing; er schwenkte ihn eifrig und begoß
ihn mit warmer Butter. Um das Feuer saßen einige Reiter in den dänischen


„Bis zu seinem Ende konnte ich nicht bleiben, aber erkennen konnte er mich
nicht mehr."

„Ich hätte ihm gern ein ehrlich Grab gegeben, aber als ich Zeit fand
zurückzugehen, waren die Toten schon von den frommen Brüdern aus Trier
weggetragen. Nur der Hund lag tot an der Stelle, wo sein Herr ge¬
wesen war!"

„Ich weiß," der Herzog stützte den Kopf in die Hand und blickte in die
Ferne. „Das war ein schöner Tag, Jostas! Meiner Seel, die Franzen haben
es gemerkt und vor der Hand kommen sie nicht wieder. Aber wenn sie Atem
geschöpft haben und der Ludwig sich einmal wieder langweilt, dann wird es
wieder weitergehen!"

„Und Eure Gnaden werden wieder helfen!"

Der Herzog sah auf die Papiere vor ihm.

„Ich darf nicht mehr, Josias. Ich habe mein Land, mein Weib, und
ich kriege wohl auch noch Kinder. Des Kaisers Majestät ist kein angenehmer
Kriegsherr, und den Lothringer haben sie glücklich tot geärgert. Nun, er ging
mit dem Sieg bei der Konzer Brücke aus der Welt, aber ich möchte nicht noch
einmal unter den kaiserlichen Feldherren stehen. Es gibt eine Gnadenkette und
auch wohl ein Gnadengeschenk, sonst aber hat man nur Freude im Kampf, im
Feld! Und nun wird vielleicht mal wieder Friede!"

Es klopfte leise an die Tür und Josias ging hin, um nachzusehen. Mit
einem Schreiben kam er zurück, das der Herzog rasch erbrach.

„Der Staatsrat von Sehestedt bittet um eine Audienz!" sagte er halb
lachend.

„Seine Gelehrsamkeit sind sehr feierlich geworden. Vor etlichen Monden
noch wandelten wir mitsammen im Walde zu Laach und sprachen über die
bösen Zeitläufte. Aber ich will ihn morgen empfangen und da er schon hier
in der Stadt ist, könnt Ihr es ihm melden! Ihr sollt doch die schöne Heilwig
zum Gemahl haben, nicht wahr?"

„Ich weiß nicht!" Der Junker war blaß geworden und der Herzog warf
ihm einen raschen Blick zu, sagte aber nichts mehr, sondern beugte sich über
die Papiere, schalt halb im Ernst, halb im Scherz und machte endlich ein Zeichen,
daß er allein zu sein wünschte.

Josias ging über den langen Korridor, die Treppen hinunter, stand einen
Augenblick vor dem Schloß und sah über den See, um dann hinunter in die
Stadt zu wandern. Auch hier waren die Gassen eng, wie am Rhein, aber die
Dächer waren rot und spitz und kein Weihrauch dämmerte durch die Straßen.
Ganz am Ende des Ortes lag die Herberge, in die der Staatsrat von Sehestedt
eingeritten war. Sie trug einen springenden Hirsch im Schilde und der dicke
Wirt hantierte eifrig am Herd, auf dem Helles Feuer brannte. Ein Spieß
hing darüber, an dem ein Rehziemer hing; er schwenkte ihn eifrig und begoß
ihn mit warmer Butter. Um das Feuer saßen einige Reiter in den dänischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/43>, abgerufen am 28.08.2024.