Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.Rcchtssymbolik eine Rebe, ein Holzspat. Große Ländereien wurden mit dem Stab abgetreten. In dem lateinischen Wort stipula ^ Halm und stipulatio ^- Vertrag, von Noch im sechzehnten Jahrhundert überreichten die ausscheidenden Dorf¬ Mit dem Ausziehen und Hinwerfen des Handschuhes wurde auch die Erb¬ Für den Erwerber eines Grundstückes war die Klarheit seiner Grenzver¬ Auch das Familienrecht zeichnet sich durch reiche Symbolik aus. Kinder Rcchtssymbolik eine Rebe, ein Holzspat. Große Ländereien wurden mit dem Stab abgetreten. In dem lateinischen Wort stipula ^ Halm und stipulatio ^- Vertrag, von Noch im sechzehnten Jahrhundert überreichten die ausscheidenden Dorf¬ Mit dem Ausziehen und Hinwerfen des Handschuhes wurde auch die Erb¬ Für den Erwerber eines Grundstückes war die Klarheit seiner Grenzver¬ Auch das Familienrecht zeichnet sich durch reiche Symbolik aus. Kinder <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0036" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328136"/> <fw type="header" place="top"> Rcchtssymbolik</fw><lb/> <p xml:id="ID_89" prev="#ID_88"> eine Rebe, ein Holzspat. Große Ländereien wurden mit dem Stab abgetreten.<lb/> Das interessanteste Sinnbild ist der Halm, der Kornstengel. Der Auflassende<lb/> gab ihn dem anderen Teil. Er brauchte keineswegs dem Grundstück entnommen<lb/> zu sein, das gerade ausgelassen wurde. Er konnte überall, vor allem an der<lb/> Gerichtsstelle entnommen werden. Darum diente er auch zur Versinnbildlichung<lb/> eines jeden Vertragsschlusses, auch desjenigen über fahrende Habe. Mittelalter¬<lb/> liche Urkunden sprechen von „Stupfen" als feierlicher Bestätigung solcher Ver¬<lb/> trüge. „Stupfen" aber ist Stoppel, stipula.</p><lb/> <p xml:id="ID_90"> In dem lateinischen Wort stipula ^ Halm und stipulatio ^- Vertrag, von<lb/> uns in dem Wort Stipulation übernommen, zeigt sich recht deutlich, daß der<lb/> Halm Symbol uralten indogermanischen Ursprungs ist. Der Halmwurf bezeichnet<lb/> auch ganz allgemein ein Aufgeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_91"> Noch im sechzehnten Jahrhundert überreichten die ausscheidenden Dorf¬<lb/> obrigkeiten dem Grafen ein jeder einen kleinen Strohhalm, den dieser nahm<lb/> und dem neuen Schulzen übergab. Vereinzelt finden wir noch als Symbole<lb/> der Auflassung den Hut, den Handschuh, den Schuh, auch das Schwert und das<lb/> Messer. Eine oberdeutsche Gewohnheit war es, daß der Richter mit dem Ver¬<lb/> käufer vereint, eine schwarze Kappe festhielt, bis der Käufer sie ihm aus der<lb/> Hand riß.</p><lb/> <p xml:id="ID_92"> Mit dem Ausziehen und Hinwerfen des Handschuhes wurde auch die Erb¬<lb/> entsagung symbolisiert. Frauen, die auf Erbschaft ihres verstorbenen Mannes<lb/> verzichteten, warfen übrigens anch häusig gleich bei der Beerdigung den Gürtel<lb/> auf sein Grab oder lösten ihn später vor Richter und Zeugen. In Frankfurt<lb/> am Main war eine Frau, wenn sie den Mantel auf des Mannes Grab fallen<lb/> ließ und nicht mehr denn ein einziges Kleid anbehielt, nicht schuldig für dessen<lb/> Schulden einzustehen. Mit dem Handschuh wurde auch der Bannfluch gesprochen,<lb/> der Verbrecher feiner Habe für verlustig erklärt. So bedeutet auch der im ganzen<lb/> Mittelalter gebräuchliche Wurf des Handschuhs als Aufforderung zum Kampf<lb/> nichts anderes, als daß der Werfende seinem Gegner Frieden und Freundschaft<lb/> aussagt. Nur vereinzelt war es Sitte, nicht den Handschuh, sondern den wirk¬<lb/> lichen Schuh auszuziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_93"> Für den Erwerber eines Grundstückes war die Klarheit seiner Grenzver¬<lb/> hältnisse wichtig. Heute schließen die Katasterrollen jeden Zweifel aus. Früher<lb/> lernte der Erwerber die Grenzen nur aus dem Munde des Verkäufers kennen.<lb/> Daher denn der Brauch, hier wie bei der Setzung eines neuen Grenzsteins,<lb/> Knaben hinzuzuziehen, und sie unversehens in die Ohrlappen zu kneifen, damit<lb/> sie sich des Vorganges ihres ganzen Lebens erinnern. Dieser Brauch, die annum<lb/> ti-activ, ist uralt und noch heute manchen Orts namentlich in Bayern und in<lb/> Schlesien als gelinde Ohrfeige bekannt und im Schwang. Die Knaben empfangen<lb/> übrigens zum Ausgleich kleine Geschenke.</p><lb/> <p xml:id="ID_94" next="#ID_95"> Auch das Familienrecht zeichnet sich durch reiche Symbolik aus. Kinder<lb/> werden zum Zeichen der Adoption unter den Mantel, dem allgemeinen Zeichen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
Rcchtssymbolik
eine Rebe, ein Holzspat. Große Ländereien wurden mit dem Stab abgetreten.
Das interessanteste Sinnbild ist der Halm, der Kornstengel. Der Auflassende
gab ihn dem anderen Teil. Er brauchte keineswegs dem Grundstück entnommen
zu sein, das gerade ausgelassen wurde. Er konnte überall, vor allem an der
Gerichtsstelle entnommen werden. Darum diente er auch zur Versinnbildlichung
eines jeden Vertragsschlusses, auch desjenigen über fahrende Habe. Mittelalter¬
liche Urkunden sprechen von „Stupfen" als feierlicher Bestätigung solcher Ver¬
trüge. „Stupfen" aber ist Stoppel, stipula.
In dem lateinischen Wort stipula ^ Halm und stipulatio ^- Vertrag, von
uns in dem Wort Stipulation übernommen, zeigt sich recht deutlich, daß der
Halm Symbol uralten indogermanischen Ursprungs ist. Der Halmwurf bezeichnet
auch ganz allgemein ein Aufgeben.
Noch im sechzehnten Jahrhundert überreichten die ausscheidenden Dorf¬
obrigkeiten dem Grafen ein jeder einen kleinen Strohhalm, den dieser nahm
und dem neuen Schulzen übergab. Vereinzelt finden wir noch als Symbole
der Auflassung den Hut, den Handschuh, den Schuh, auch das Schwert und das
Messer. Eine oberdeutsche Gewohnheit war es, daß der Richter mit dem Ver¬
käufer vereint, eine schwarze Kappe festhielt, bis der Käufer sie ihm aus der
Hand riß.
Mit dem Ausziehen und Hinwerfen des Handschuhes wurde auch die Erb¬
entsagung symbolisiert. Frauen, die auf Erbschaft ihres verstorbenen Mannes
verzichteten, warfen übrigens anch häusig gleich bei der Beerdigung den Gürtel
auf sein Grab oder lösten ihn später vor Richter und Zeugen. In Frankfurt
am Main war eine Frau, wenn sie den Mantel auf des Mannes Grab fallen
ließ und nicht mehr denn ein einziges Kleid anbehielt, nicht schuldig für dessen
Schulden einzustehen. Mit dem Handschuh wurde auch der Bannfluch gesprochen,
der Verbrecher feiner Habe für verlustig erklärt. So bedeutet auch der im ganzen
Mittelalter gebräuchliche Wurf des Handschuhs als Aufforderung zum Kampf
nichts anderes, als daß der Werfende seinem Gegner Frieden und Freundschaft
aussagt. Nur vereinzelt war es Sitte, nicht den Handschuh, sondern den wirk¬
lichen Schuh auszuziehen.
Für den Erwerber eines Grundstückes war die Klarheit seiner Grenzver¬
hältnisse wichtig. Heute schließen die Katasterrollen jeden Zweifel aus. Früher
lernte der Erwerber die Grenzen nur aus dem Munde des Verkäufers kennen.
Daher denn der Brauch, hier wie bei der Setzung eines neuen Grenzsteins,
Knaben hinzuzuziehen, und sie unversehens in die Ohrlappen zu kneifen, damit
sie sich des Vorganges ihres ganzen Lebens erinnern. Dieser Brauch, die annum
ti-activ, ist uralt und noch heute manchen Orts namentlich in Bayern und in
Schlesien als gelinde Ohrfeige bekannt und im Schwang. Die Knaben empfangen
übrigens zum Ausgleich kleine Geschenke.
Auch das Familienrecht zeichnet sich durch reiche Symbolik aus. Kinder
werden zum Zeichen der Adoption unter den Mantel, dem allgemeinen Zeichen
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