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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Hochschulbildung und Auslandsinteresscn

Keine dieser beiden Alternativen kann befriedigen.

Eine frühzeitige Trennung des Studiums für das Ausland, oder gar für
bestimmte ausländische Gebiete, von der allgemeinen Ausbildung ist weder nötig
noch nützlich. Es mag angesichts der einigermaßen zur Mode gewordenen
Propaganda sür Spezialausbildung aller Art wie Ketzerei klingen, aber ich
kann nicht umhin, der Ansicht Ausdruck zu geben; unser Heil liegt nicht in der
Züchtung von Spezialisten; der Mangel, der sich bei unseren jungen Kaufleuten
und Juristen bei einer Verwendung im Ausland häufiger fühlbar macht, ihre
Verwendbarkeit stärker beeinträchtigt und schwerer auszugleichen ist als das
Fehlen von Spezialkenntnisscn, liegt auf dem Felde der allgemeinen Vorbildung.
Der junge Jurist mit einigermaßen Hellem Kopf, der sich auf der Universität
und während seiner praktischen Vorbereitungszeit mit wirtschaftlichen Dingen
ernstlich beschäftigt und daneben -- woran es leider nur zu häufig fehlt --
sich in den Hauptsprachen des Weltverkehrs weitergebildet hat, der intelligente
und fleißige junge Kaufmann mit gründlicher Schulbildung, der seinen Gesichts¬
kreis mit oder ohne Handelshochschule durch Beschäftigung mit den Grund¬
fragen des Rechts und der Wirtschaft erweitert hat, werden auch draußen
ihren Mann stellen; sie werden sich leicht und in kurzer Zeit die für eine Aus¬
landsstellung erforderlichen Spezialkenntnisse aneignen und in den besonderen
Verhältnissen ihres Wirkungskreises sich einarbeiten. Ein großer Teil der
-- erfreulicherweise seltener werdenden -- Klagen über ungenügende Vor¬
bereitung, namentlich unserer Beamten, beruht weniger auf dem Mangel an
der Ausbildungsgelegenheit als daran, daß die vorhandenen Gelegenheiten
nicht genügend ausgenutzt werden. Es wäre übrigens ungerecht, wenn man
die Schuld ausschließlich der studierenden Jugend zuschreiben wollte. Zum
Beispiel würde nach meiner Überzeugung weniger Grund zu .Klagen über
mangelhafte wirtschaftliche Vorbildung unserer Beamten vorliegen, wenn der
hochschulmäßige Betrieb der Volkswirtschaftslehre dem Umstände besser
Rechnung trüge, daß unter den Tausenden von Hörern nationalökonomischer
Kollegien nur ein Bruchteil die Nationalökonomie als Spezialstudium betreiben
will und kaun, während sie sür die große Mehrzahl nur eine Ergänzung einer
vorwiegend juristischen Ausbildung sein soll.

Auch in diesem Punkte ist wohl in der neuesten Zeit manches besser
geworden. In dem Kreise unserer jüngeren Volkswirtschaftler herrscht ein
ausgesprochenes Gefühl für die praktischen Erfordernisse der Zeit, und
die von diesem Verständnis des Lehrers ausstrahlende Wirkung niuß ihre
Gegenwirkung in dem Verständnis des Schülers finden. Nach dieser
Richtung weist das Bedürfnis, und auf diesem Weg werden die be¬
rechtigten Anforderungen an unsere studierende Jugend nicht nur für den
Auslands., sondern auch für den Jnlandsdienst besser zu ihrem Recht
kommen, als auf dem Weg einer Trennung der Auslandsvorbildung von
der allgemeinen Bildung.


Hochschulbildung und Auslandsinteresscn

Keine dieser beiden Alternativen kann befriedigen.

Eine frühzeitige Trennung des Studiums für das Ausland, oder gar für
bestimmte ausländische Gebiete, von der allgemeinen Ausbildung ist weder nötig
noch nützlich. Es mag angesichts der einigermaßen zur Mode gewordenen
Propaganda sür Spezialausbildung aller Art wie Ketzerei klingen, aber ich
kann nicht umhin, der Ansicht Ausdruck zu geben; unser Heil liegt nicht in der
Züchtung von Spezialisten; der Mangel, der sich bei unseren jungen Kaufleuten
und Juristen bei einer Verwendung im Ausland häufiger fühlbar macht, ihre
Verwendbarkeit stärker beeinträchtigt und schwerer auszugleichen ist als das
Fehlen von Spezialkenntnisscn, liegt auf dem Felde der allgemeinen Vorbildung.
Der junge Jurist mit einigermaßen Hellem Kopf, der sich auf der Universität
und während seiner praktischen Vorbereitungszeit mit wirtschaftlichen Dingen
ernstlich beschäftigt und daneben — woran es leider nur zu häufig fehlt —
sich in den Hauptsprachen des Weltverkehrs weitergebildet hat, der intelligente
und fleißige junge Kaufmann mit gründlicher Schulbildung, der seinen Gesichts¬
kreis mit oder ohne Handelshochschule durch Beschäftigung mit den Grund¬
fragen des Rechts und der Wirtschaft erweitert hat, werden auch draußen
ihren Mann stellen; sie werden sich leicht und in kurzer Zeit die für eine Aus¬
landsstellung erforderlichen Spezialkenntnisse aneignen und in den besonderen
Verhältnissen ihres Wirkungskreises sich einarbeiten. Ein großer Teil der
— erfreulicherweise seltener werdenden — Klagen über ungenügende Vor¬
bereitung, namentlich unserer Beamten, beruht weniger auf dem Mangel an
der Ausbildungsgelegenheit als daran, daß die vorhandenen Gelegenheiten
nicht genügend ausgenutzt werden. Es wäre übrigens ungerecht, wenn man
die Schuld ausschließlich der studierenden Jugend zuschreiben wollte. Zum
Beispiel würde nach meiner Überzeugung weniger Grund zu .Klagen über
mangelhafte wirtschaftliche Vorbildung unserer Beamten vorliegen, wenn der
hochschulmäßige Betrieb der Volkswirtschaftslehre dem Umstände besser
Rechnung trüge, daß unter den Tausenden von Hörern nationalökonomischer
Kollegien nur ein Bruchteil die Nationalökonomie als Spezialstudium betreiben
will und kaun, während sie sür die große Mehrzahl nur eine Ergänzung einer
vorwiegend juristischen Ausbildung sein soll.

Auch in diesem Punkte ist wohl in der neuesten Zeit manches besser
geworden. In dem Kreise unserer jüngeren Volkswirtschaftler herrscht ein
ausgesprochenes Gefühl für die praktischen Erfordernisse der Zeit, und
die von diesem Verständnis des Lehrers ausstrahlende Wirkung niuß ihre
Gegenwirkung in dem Verständnis des Schülers finden. Nach dieser
Richtung weist das Bedürfnis, und auf diesem Weg werden die be¬
rechtigten Anforderungen an unsere studierende Jugend nicht nur für den
Auslands., sondern auch für den Jnlandsdienst besser zu ihrem Recht
kommen, als auf dem Weg einer Trennung der Auslandsvorbildung von
der allgemeinen Bildung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/211>, abgerufen am 25.07.2024.