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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Hochschulbildung und Auslcmdsintcressen

der Vorbereitung, das uns hier beschäftigt, wäre die Zuspitzung der Ausbildung
der Anwärter des diplomatischen und konsularischen Dienstes auf das eine oder
andere Kulturgebiet untunlich und verkehrt. Die Ausbildung kann vielmehr
nicht universell genug sein; sie hat die Grundlagen zu liefern, auf denen ein
Einarbeiten in die besonderen Verhältnisse eines jeden fremden Gebiets soweit
wie irgend möglich vorbereitet und erleichert wird.

Ähnlich liegen die Dinge vielfach für junge Kaufleute, Ärzte, Rechts¬
anwälte usw., denen eine Betätigung im Ausland lediglich als ein all¬
gemeines Ziel vorschwebt. Ein junger Mensch, der einen praktischen Beruf
gewählt hat, muß überall, wo sich für ihn eine aussichtsreiche Stellung bietet, zu¬
greifen können. Die Ausbildung für ein bestimmtes Land ist in der Regel erst
dann zweckmäßig, wenn einigermaßen sichere Aussichten auf eine Tätigkeit in
diesem bestimmten Lande vorliegen. Andernfalls gibt es vielfach Enttäuschungen.

Dagegen ist es dringend wichtig und nötig, daß denjenigen, die sich für
die Tätigkeit in einem bestimmten ausländischen Gebiete vorbereiten wollen und
müssen, die Gelegenheit geboten wird, sich bequem und rasch die nötigen Spezial-
kenntnisse -- Sprache, Landeskunde, Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse usw. --
anzueignen. Es kommt hier im allgemeinen nicht auf tiefgründige wissen¬
schaftliche Durchbildung an, die erheblich mehr Zeit erfordert, als die meist
schon in der Praxis stehenden jungen Leute erübrigen können, sondern auf
praktisch wichtige und verwertbare Kenntnisse.

Aus diesem Überblick ergibt sich, wie vielgestaltig und verschiedenartig die
Bedürfnisse sind, die durch die Entwicklung unserer Weltstellung ausgelöst werden;
es ergibt sich gleichzeitig, daß diesen Bedürfnissen nicht mit einer einheitlichen
Formel, auch nicht mit dem Zauberwort von der selbständigen Auslandshoch¬
schule genügt werden kann. Ich gestehe offen, daß ich mir weder denken kann,
wie eine allen den angedeuteten Bedürfnissen genügende Auslandshochschule
organisiert werden, noch welchen Platz sie in der Struktur unseres Bildungs¬
wesens finden soll.

Wir 'vollen uns darüber klar sein! es gibt keine geschlossene Auslands¬
wissenschaft und kein einheitliches Auslandsstudium. Die Forschungen, die
gepflegt, und die Kenntnisse, die nach der den Verfechtern der Auslandshochschule
vorschwebenden Idee vermittelt werden sollen, umfassen einen großen Teil aller
Wissenszweige, die in unserer Bildungsorganisation an den bestehenden Hoch¬
schulen -- Universitäten, technischen Hochschulen, landwirtschaftlichen Hochschulen,
Handelshochschulen. Bergakademien usw. -- ihre Pflegestätte haben und diesen
gar nicht entzogen werden können.

Richtig ist, daß diese Wissenszweige einer spezielleren Ausgestaltung unter
dem Gesichtspunkt unserer ausländischen Beziehungen bedürfen. Aber nichts
wäre verkehrter, als das Spezialstudium von dem Allgemeinstudium zu trennen.
Das Völkerrecht, das internationale Privatrecht, das Recht fremder Staaten,
die geschichtliche Entwicklung und die Wirtschaftsverhältnisse ausländischer Gebiete


Hochschulbildung und Auslcmdsintcressen

der Vorbereitung, das uns hier beschäftigt, wäre die Zuspitzung der Ausbildung
der Anwärter des diplomatischen und konsularischen Dienstes auf das eine oder
andere Kulturgebiet untunlich und verkehrt. Die Ausbildung kann vielmehr
nicht universell genug sein; sie hat die Grundlagen zu liefern, auf denen ein
Einarbeiten in die besonderen Verhältnisse eines jeden fremden Gebiets soweit
wie irgend möglich vorbereitet und erleichert wird.

Ähnlich liegen die Dinge vielfach für junge Kaufleute, Ärzte, Rechts¬
anwälte usw., denen eine Betätigung im Ausland lediglich als ein all¬
gemeines Ziel vorschwebt. Ein junger Mensch, der einen praktischen Beruf
gewählt hat, muß überall, wo sich für ihn eine aussichtsreiche Stellung bietet, zu¬
greifen können. Die Ausbildung für ein bestimmtes Land ist in der Regel erst
dann zweckmäßig, wenn einigermaßen sichere Aussichten auf eine Tätigkeit in
diesem bestimmten Lande vorliegen. Andernfalls gibt es vielfach Enttäuschungen.

Dagegen ist es dringend wichtig und nötig, daß denjenigen, die sich für
die Tätigkeit in einem bestimmten ausländischen Gebiete vorbereiten wollen und
müssen, die Gelegenheit geboten wird, sich bequem und rasch die nötigen Spezial-
kenntnisse — Sprache, Landeskunde, Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse usw. —
anzueignen. Es kommt hier im allgemeinen nicht auf tiefgründige wissen¬
schaftliche Durchbildung an, die erheblich mehr Zeit erfordert, als die meist
schon in der Praxis stehenden jungen Leute erübrigen können, sondern auf
praktisch wichtige und verwertbare Kenntnisse.

Aus diesem Überblick ergibt sich, wie vielgestaltig und verschiedenartig die
Bedürfnisse sind, die durch die Entwicklung unserer Weltstellung ausgelöst werden;
es ergibt sich gleichzeitig, daß diesen Bedürfnissen nicht mit einer einheitlichen
Formel, auch nicht mit dem Zauberwort von der selbständigen Auslandshoch¬
schule genügt werden kann. Ich gestehe offen, daß ich mir weder denken kann,
wie eine allen den angedeuteten Bedürfnissen genügende Auslandshochschule
organisiert werden, noch welchen Platz sie in der Struktur unseres Bildungs¬
wesens finden soll.

Wir 'vollen uns darüber klar sein! es gibt keine geschlossene Auslands¬
wissenschaft und kein einheitliches Auslandsstudium. Die Forschungen, die
gepflegt, und die Kenntnisse, die nach der den Verfechtern der Auslandshochschule
vorschwebenden Idee vermittelt werden sollen, umfassen einen großen Teil aller
Wissenszweige, die in unserer Bildungsorganisation an den bestehenden Hoch¬
schulen — Universitäten, technischen Hochschulen, landwirtschaftlichen Hochschulen,
Handelshochschulen. Bergakademien usw. — ihre Pflegestätte haben und diesen
gar nicht entzogen werden können.

Richtig ist, daß diese Wissenszweige einer spezielleren Ausgestaltung unter
dem Gesichtspunkt unserer ausländischen Beziehungen bedürfen. Aber nichts
wäre verkehrter, als das Spezialstudium von dem Allgemeinstudium zu trennen.
Das Völkerrecht, das internationale Privatrecht, das Recht fremder Staaten,
die geschichtliche Entwicklung und die Wirtschaftsverhältnisse ausländischer Gebiete


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[0209] Hochschulbildung und Auslcmdsintcressen der Vorbereitung, das uns hier beschäftigt, wäre die Zuspitzung der Ausbildung der Anwärter des diplomatischen und konsularischen Dienstes auf das eine oder andere Kulturgebiet untunlich und verkehrt. Die Ausbildung kann vielmehr nicht universell genug sein; sie hat die Grundlagen zu liefern, auf denen ein Einarbeiten in die besonderen Verhältnisse eines jeden fremden Gebiets soweit wie irgend möglich vorbereitet und erleichert wird. Ähnlich liegen die Dinge vielfach für junge Kaufleute, Ärzte, Rechts¬ anwälte usw., denen eine Betätigung im Ausland lediglich als ein all¬ gemeines Ziel vorschwebt. Ein junger Mensch, der einen praktischen Beruf gewählt hat, muß überall, wo sich für ihn eine aussichtsreiche Stellung bietet, zu¬ greifen können. Die Ausbildung für ein bestimmtes Land ist in der Regel erst dann zweckmäßig, wenn einigermaßen sichere Aussichten auf eine Tätigkeit in diesem bestimmten Lande vorliegen. Andernfalls gibt es vielfach Enttäuschungen. Dagegen ist es dringend wichtig und nötig, daß denjenigen, die sich für die Tätigkeit in einem bestimmten ausländischen Gebiete vorbereiten wollen und müssen, die Gelegenheit geboten wird, sich bequem und rasch die nötigen Spezial- kenntnisse — Sprache, Landeskunde, Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse usw. — anzueignen. Es kommt hier im allgemeinen nicht auf tiefgründige wissen¬ schaftliche Durchbildung an, die erheblich mehr Zeit erfordert, als die meist schon in der Praxis stehenden jungen Leute erübrigen können, sondern auf praktisch wichtige und verwertbare Kenntnisse. Aus diesem Überblick ergibt sich, wie vielgestaltig und verschiedenartig die Bedürfnisse sind, die durch die Entwicklung unserer Weltstellung ausgelöst werden; es ergibt sich gleichzeitig, daß diesen Bedürfnissen nicht mit einer einheitlichen Formel, auch nicht mit dem Zauberwort von der selbständigen Auslandshoch¬ schule genügt werden kann. Ich gestehe offen, daß ich mir weder denken kann, wie eine allen den angedeuteten Bedürfnissen genügende Auslandshochschule organisiert werden, noch welchen Platz sie in der Struktur unseres Bildungs¬ wesens finden soll. Wir 'vollen uns darüber klar sein! es gibt keine geschlossene Auslands¬ wissenschaft und kein einheitliches Auslandsstudium. Die Forschungen, die gepflegt, und die Kenntnisse, die nach der den Verfechtern der Auslandshochschule vorschwebenden Idee vermittelt werden sollen, umfassen einen großen Teil aller Wissenszweige, die in unserer Bildungsorganisation an den bestehenden Hoch¬ schulen — Universitäten, technischen Hochschulen, landwirtschaftlichen Hochschulen, Handelshochschulen. Bergakademien usw. — ihre Pflegestätte haben und diesen gar nicht entzogen werden können. Richtig ist, daß diese Wissenszweige einer spezielleren Ausgestaltung unter dem Gesichtspunkt unserer ausländischen Beziehungen bedürfen. Aber nichts wäre verkehrter, als das Spezialstudium von dem Allgemeinstudium zu trennen. Das Völkerrecht, das internationale Privatrecht, das Recht fremder Staaten, die geschichtliche Entwicklung und die Wirtschaftsverhältnisse ausländischer Gebiete

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/209>, abgerufen am 25.07.2024.