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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Die erste Ausstellung der Berliner Freien Sezession

Johannes geweiht. Wißt Ihr noch, Sehestedt, wie im Rheinland die Papisten
kleine Kapellchen erbauten, zu Ehren der Heiligen? Das hat mir wohl gefallen,
ich meine, die Evangelisten soll man ehren, ohne dem Herrn Christus zu nahe
zu treten!"

"Im Rheinland!" der Herzog wiederholte die Worte. "Es war doch fein
an der Konzer Brücke und wie ich den Crequy erwischte? Und dann vorher in
Manen, wo die Franzosen waren und wir sie wegjagten? Ihr gingt durch das
Loch in der Mauer! Ach ja, es war eine schöne Zeit!"

Der Herzog streichelte seine Knie und seufzte ein wenig. Er hatte sich
auf den Feldzügen die Gicht geholt und konnte sie nicht wieder loswerden.

Herr Jostas wollte etwas sagen, aber Hans Adolf wickelte nach alter Ge¬
wohnheit seine langen Haare um die Hand und hing seinen eigenen Ge¬
danken nach.

(Fortsetzung folgt)




Die erste Ausstellung der Berliner Freien Rezession
Dr. R. Schacht von

n der Freien Sezession haben sich die meisten Mitglieder der im
vorigen Jahre gesprengten Alten Sezession zusammengefunden.
Diese Zusammensetzung legt die Vermutung nahe, daß diese erste
Ausstellung eine im Sinne des Impressionismus konservative
^ Richtung hervortreten läßt. Aber davon ist nicht die Rede. Der
Stamm ist durchaus seinem Programm von 1899 treu geblieben, nämlich --
kein Programm zu haben. "Für uns gibt es", so hieß es im ersten Katalog
der Alten Sezession, "keine allein seligmachende Richtung in der Kunst, sonder"
als Kunstwerk erscheint uns jedes Werk -- welcher Richtung es angehöre"
möge --, in dem sich eine aufrichtige Empfindung verkörpert." Dementsprechend
findet sich auch heute Bekanntes, Altes, ja Veraltetes neben Ultramodernstem.

Und doch bietet die Ausstellung ein anderes Bild als, sagen wir, vor fünf
Jahren. Die Gründung der Sezession bedeutete, daß der erst verlachte, dann
stegreich vordringende Impressionismus die Eroberung auch des breiten
Publikums begann. Diese Eroberung ist ihm während der folgenden Jahre
gelungen. Seit einiger Zeit aber tritt ein Neues hervor, das ungewohnt wie


Die erste Ausstellung der Berliner Freien Sezession

Johannes geweiht. Wißt Ihr noch, Sehestedt, wie im Rheinland die Papisten
kleine Kapellchen erbauten, zu Ehren der Heiligen? Das hat mir wohl gefallen,
ich meine, die Evangelisten soll man ehren, ohne dem Herrn Christus zu nahe
zu treten!"

„Im Rheinland!" der Herzog wiederholte die Worte. „Es war doch fein
an der Konzer Brücke und wie ich den Crequy erwischte? Und dann vorher in
Manen, wo die Franzosen waren und wir sie wegjagten? Ihr gingt durch das
Loch in der Mauer! Ach ja, es war eine schöne Zeit!"

Der Herzog streichelte seine Knie und seufzte ein wenig. Er hatte sich
auf den Feldzügen die Gicht geholt und konnte sie nicht wieder loswerden.

Herr Jostas wollte etwas sagen, aber Hans Adolf wickelte nach alter Ge¬
wohnheit seine langen Haare um die Hand und hing seinen eigenen Ge¬
danken nach.

(Fortsetzung folgt)




Die erste Ausstellung der Berliner Freien Rezession
Dr. R. Schacht von

n der Freien Sezession haben sich die meisten Mitglieder der im
vorigen Jahre gesprengten Alten Sezession zusammengefunden.
Diese Zusammensetzung legt die Vermutung nahe, daß diese erste
Ausstellung eine im Sinne des Impressionismus konservative
^ Richtung hervortreten läßt. Aber davon ist nicht die Rede. Der
Stamm ist durchaus seinem Programm von 1899 treu geblieben, nämlich —
kein Programm zu haben. „Für uns gibt es", so hieß es im ersten Katalog
der Alten Sezession, „keine allein seligmachende Richtung in der Kunst, sonder«
als Kunstwerk erscheint uns jedes Werk — welcher Richtung es angehöre«
möge —, in dem sich eine aufrichtige Empfindung verkörpert." Dementsprechend
findet sich auch heute Bekanntes, Altes, ja Veraltetes neben Ultramodernstem.

Und doch bietet die Ausstellung ein anderes Bild als, sagen wir, vor fünf
Jahren. Die Gründung der Sezession bedeutete, daß der erst verlachte, dann
stegreich vordringende Impressionismus die Eroberung auch des breiten
Publikums begann. Diese Eroberung ist ihm während der folgenden Jahre
gelungen. Seit einiger Zeit aber tritt ein Neues hervor, das ungewohnt wie


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[0145] Die erste Ausstellung der Berliner Freien Sezession Johannes geweiht. Wißt Ihr noch, Sehestedt, wie im Rheinland die Papisten kleine Kapellchen erbauten, zu Ehren der Heiligen? Das hat mir wohl gefallen, ich meine, die Evangelisten soll man ehren, ohne dem Herrn Christus zu nahe zu treten!" „Im Rheinland!" der Herzog wiederholte die Worte. „Es war doch fein an der Konzer Brücke und wie ich den Crequy erwischte? Und dann vorher in Manen, wo die Franzosen waren und wir sie wegjagten? Ihr gingt durch das Loch in der Mauer! Ach ja, es war eine schöne Zeit!" Der Herzog streichelte seine Knie und seufzte ein wenig. Er hatte sich auf den Feldzügen die Gicht geholt und konnte sie nicht wieder loswerden. Herr Jostas wollte etwas sagen, aber Hans Adolf wickelte nach alter Ge¬ wohnheit seine langen Haare um die Hand und hing seinen eigenen Ge¬ danken nach. (Fortsetzung folgt) Die erste Ausstellung der Berliner Freien Rezession Dr. R. Schacht von n der Freien Sezession haben sich die meisten Mitglieder der im vorigen Jahre gesprengten Alten Sezession zusammengefunden. Diese Zusammensetzung legt die Vermutung nahe, daß diese erste Ausstellung eine im Sinne des Impressionismus konservative ^ Richtung hervortreten läßt. Aber davon ist nicht die Rede. Der Stamm ist durchaus seinem Programm von 1899 treu geblieben, nämlich — kein Programm zu haben. „Für uns gibt es", so hieß es im ersten Katalog der Alten Sezession, „keine allein seligmachende Richtung in der Kunst, sonder« als Kunstwerk erscheint uns jedes Werk — welcher Richtung es angehöre« möge —, in dem sich eine aufrichtige Empfindung verkörpert." Dementsprechend findet sich auch heute Bekanntes, Altes, ja Veraltetes neben Ultramodernstem. Und doch bietet die Ausstellung ein anderes Bild als, sagen wir, vor fünf Jahren. Die Gründung der Sezession bedeutete, daß der erst verlachte, dann stegreich vordringende Impressionismus die Eroberung auch des breiten Publikums begann. Diese Eroberung ist ihm während der folgenden Jahre gelungen. Seit einiger Zeit aber tritt ein Neues hervor, das ungewohnt wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/145>, abgerufen am 13.11.2024.