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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Briefe an August epitheta Schlegel

Freundschaftsbund. Zu Schlegel, der neben antiquarisch-philologischen vor
allem literarhistorische Studien trieb, fühlte sich der junge Student der Rechte,
von äußeren Lebensumständen abgesehen, offenbar um deswillen so hingezogen,
weil es auch ihm, wie seine Briefe erkennen lassen, Freude machte, neu¬
erschienene Werke der Literatur mit Aufmerksamkeit zu lesen, um sich dadurch
über ihren Wert oder Unwert eine eigene Meinung zu bilden. Wie feinen
Geschmack und kritischen Sinn verrät der junge Arnswalde in den Betrachtungen,
die er den Schriftwerken des großen Preußenkönigs widmet! Wie treffend ist
sein absprechendes Urteil über die unerfreulichen dichterischen Leistungen eines
Langbein und Kosegarten! Besonders dankenswert aber ist, daß wir aus
Arnswaldts Briefen mancherlei über Schlegels letzte Göttinger Jahre, sowie über
die Stellung, welche Schlegels vom Unglück verfolgter, vielgeplagter Lehrer und
Freund Bürger an der Universität einnahm, erfahren. Auch die wehmütige
Freude, mit welcher der angehende Staatsbeamte Arnswalde immer wieder an
das harmlose, ungebundene und darum so gemütliche Göttinger Studentenleben
zurückdenkt, wird manchem Leser zu Herzen gehen, nicht minder die ehrliche
Entrüstung, welcher er in seinem letzten Briefe über die Greuel der Fran¬
zösischen Revolution Ausdruck gibt.

Doch lassen wir Arnswalde selbst zu Worte kommen. Aus Göttingen nach
Hannover zurückgekehrt, schreibt er an seinen Freund Schlegel:

I.

^Hannoverj am l>. Nov. 1788.

Oft schon, mein Bester, war ich im Begriff, meinen Unwillen über
die verzoegerte Erfüllung Ihres Versprechens in einem Strom von Vorwürfen
zu ergießen; allein der Gedanke, daß Sie durch die häufigen Besuche, die Ihre
Rückkehr nothwendig machtejnj, durch die Einrichtung in einem neuen Logis^)
und den Zeitaufwand, den Ihr Docentenamt^) fordert, daran gehindert worden,
stimmte mich immer zur Nachsicht gegen Sie. Ihr Brief hat mich lezt ganz
versöhnt und für mein bischen Harren reichlich entschädigt! Er hat die Er¬
innerung der vielen frohen Stunden, welche gemeinschaftliche Unterhaltung, in
der wir durch keine Nebenabsicht, sondern blos durch die jedesmalige Eingebung
unseres Genius geleitet wurden, uns verschaffte, in mir erneuert und den
Wunsch, auf dem ich mich selbst schon einigemale ettappt hatte, aufs neue in
mir erregt, daß ich mich noch nicht am Ziele meiner akademischen Laufbahn




°) Schlegel war Michaelis 1788 in das Haus seines Lehrers, des berühmten Philo¬
logen Christian Gottlob Heyne, ungezogen, dessen zweite Frau Georgine geb. Brandes mit
Schlegels Eltern befreundet war, vgl. Otto Mejer, Kulturgcsch. Bilder aus Göttingen 143.
7) Gemeine kann nur der Unterricht sein, den Schlegel einem Comte de Broglio und
einem jungen Engländer namens Geo. Smith erteilte, vgl. Hayne a. a. O. und O. F. Walzel,
Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 1391, 490. Denn Magister an der Universität ist Schlegel nie
gewesen. Erst 1791 legte sein Vater (vgl. den Brief vom 29. Juli) ihm nahe, sich in Göttingen
zu habilitieren.
Briefe an August epitheta Schlegel

Freundschaftsbund. Zu Schlegel, der neben antiquarisch-philologischen vor
allem literarhistorische Studien trieb, fühlte sich der junge Student der Rechte,
von äußeren Lebensumständen abgesehen, offenbar um deswillen so hingezogen,
weil es auch ihm, wie seine Briefe erkennen lassen, Freude machte, neu¬
erschienene Werke der Literatur mit Aufmerksamkeit zu lesen, um sich dadurch
über ihren Wert oder Unwert eine eigene Meinung zu bilden. Wie feinen
Geschmack und kritischen Sinn verrät der junge Arnswalde in den Betrachtungen,
die er den Schriftwerken des großen Preußenkönigs widmet! Wie treffend ist
sein absprechendes Urteil über die unerfreulichen dichterischen Leistungen eines
Langbein und Kosegarten! Besonders dankenswert aber ist, daß wir aus
Arnswaldts Briefen mancherlei über Schlegels letzte Göttinger Jahre, sowie über
die Stellung, welche Schlegels vom Unglück verfolgter, vielgeplagter Lehrer und
Freund Bürger an der Universität einnahm, erfahren. Auch die wehmütige
Freude, mit welcher der angehende Staatsbeamte Arnswalde immer wieder an
das harmlose, ungebundene und darum so gemütliche Göttinger Studentenleben
zurückdenkt, wird manchem Leser zu Herzen gehen, nicht minder die ehrliche
Entrüstung, welcher er in seinem letzten Briefe über die Greuel der Fran¬
zösischen Revolution Ausdruck gibt.

Doch lassen wir Arnswalde selbst zu Worte kommen. Aus Göttingen nach
Hannover zurückgekehrt, schreibt er an seinen Freund Schlegel:

I.

^Hannoverj am l>. Nov. 1788.

Oft schon, mein Bester, war ich im Begriff, meinen Unwillen über
die verzoegerte Erfüllung Ihres Versprechens in einem Strom von Vorwürfen
zu ergießen; allein der Gedanke, daß Sie durch die häufigen Besuche, die Ihre
Rückkehr nothwendig machtejnj, durch die Einrichtung in einem neuen Logis^)
und den Zeitaufwand, den Ihr Docentenamt^) fordert, daran gehindert worden,
stimmte mich immer zur Nachsicht gegen Sie. Ihr Brief hat mich lezt ganz
versöhnt und für mein bischen Harren reichlich entschädigt! Er hat die Er¬
innerung der vielen frohen Stunden, welche gemeinschaftliche Unterhaltung, in
der wir durch keine Nebenabsicht, sondern blos durch die jedesmalige Eingebung
unseres Genius geleitet wurden, uns verschaffte, in mir erneuert und den
Wunsch, auf dem ich mich selbst schon einigemale ettappt hatte, aufs neue in
mir erregt, daß ich mich noch nicht am Ziele meiner akademischen Laufbahn




°) Schlegel war Michaelis 1788 in das Haus seines Lehrers, des berühmten Philo¬
logen Christian Gottlob Heyne, ungezogen, dessen zweite Frau Georgine geb. Brandes mit
Schlegels Eltern befreundet war, vgl. Otto Mejer, Kulturgcsch. Bilder aus Göttingen 143.
7) Gemeine kann nur der Unterricht sein, den Schlegel einem Comte de Broglio und
einem jungen Engländer namens Geo. Smith erteilte, vgl. Hayne a. a. O. und O. F. Walzel,
Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 1391, 490. Denn Magister an der Universität ist Schlegel nie
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zu habilitieren.
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[0502] Briefe an August epitheta Schlegel Freundschaftsbund. Zu Schlegel, der neben antiquarisch-philologischen vor allem literarhistorische Studien trieb, fühlte sich der junge Student der Rechte, von äußeren Lebensumständen abgesehen, offenbar um deswillen so hingezogen, weil es auch ihm, wie seine Briefe erkennen lassen, Freude machte, neu¬ erschienene Werke der Literatur mit Aufmerksamkeit zu lesen, um sich dadurch über ihren Wert oder Unwert eine eigene Meinung zu bilden. Wie feinen Geschmack und kritischen Sinn verrät der junge Arnswalde in den Betrachtungen, die er den Schriftwerken des großen Preußenkönigs widmet! Wie treffend ist sein absprechendes Urteil über die unerfreulichen dichterischen Leistungen eines Langbein und Kosegarten! Besonders dankenswert aber ist, daß wir aus Arnswaldts Briefen mancherlei über Schlegels letzte Göttinger Jahre, sowie über die Stellung, welche Schlegels vom Unglück verfolgter, vielgeplagter Lehrer und Freund Bürger an der Universität einnahm, erfahren. Auch die wehmütige Freude, mit welcher der angehende Staatsbeamte Arnswalde immer wieder an das harmlose, ungebundene und darum so gemütliche Göttinger Studentenleben zurückdenkt, wird manchem Leser zu Herzen gehen, nicht minder die ehrliche Entrüstung, welcher er in seinem letzten Briefe über die Greuel der Fran¬ zösischen Revolution Ausdruck gibt. Doch lassen wir Arnswalde selbst zu Worte kommen. Aus Göttingen nach Hannover zurückgekehrt, schreibt er an seinen Freund Schlegel: I. ^Hannoverj am l>. Nov. 1788. Oft schon, mein Bester, war ich im Begriff, meinen Unwillen über die verzoegerte Erfüllung Ihres Versprechens in einem Strom von Vorwürfen zu ergießen; allein der Gedanke, daß Sie durch die häufigen Besuche, die Ihre Rückkehr nothwendig machtejnj, durch die Einrichtung in einem neuen Logis^) und den Zeitaufwand, den Ihr Docentenamt^) fordert, daran gehindert worden, stimmte mich immer zur Nachsicht gegen Sie. Ihr Brief hat mich lezt ganz versöhnt und für mein bischen Harren reichlich entschädigt! Er hat die Er¬ innerung der vielen frohen Stunden, welche gemeinschaftliche Unterhaltung, in der wir durch keine Nebenabsicht, sondern blos durch die jedesmalige Eingebung unseres Genius geleitet wurden, uns verschaffte, in mir erneuert und den Wunsch, auf dem ich mich selbst schon einigemale ettappt hatte, aufs neue in mir erregt, daß ich mich noch nicht am Ziele meiner akademischen Laufbahn °) Schlegel war Michaelis 1788 in das Haus seines Lehrers, des berühmten Philo¬ logen Christian Gottlob Heyne, ungezogen, dessen zweite Frau Georgine geb. Brandes mit Schlegels Eltern befreundet war, vgl. Otto Mejer, Kulturgcsch. Bilder aus Göttingen 143. 7) Gemeine kann nur der Unterricht sein, den Schlegel einem Comte de Broglio und einem jungen Engländer namens Geo. Smith erteilte, vgl. Hayne a. a. O. und O. F. Walzel, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 1391, 490. Denn Magister an der Universität ist Schlegel nie gewesen. Erst 1791 legte sein Vater (vgl. den Brief vom 29. Juli) ihm nahe, sich in Göttingen zu habilitieren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/502>, abgerufen am 29.12.2024.