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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Lin Streifzug
in die Volksetymologie und Volksmythologie
Adolf Stölzel von
8.

Im Hohenlohe-Neuensteinschen Linienarchive zu Neuenstein beginnt ein Gülte¬
buch des Jahres 1357 mit den Eintragen: "Item Lord? duldet unä Iwrnakk
5 sein". Keller our ein vast nun von eim leur" und "Item nornaffer
notstat I 8LniII. Keller ein v^8N nun ouum ein vierten nähern our ein
anäern nos3tat". Beide Stellen gehören der Aufzählung derjenigen Abgaben
an, die aus Crailsheim der Neuensteiner Hohenlohe-Linie gebührten. Die eine
Abgabe lag dem Crailshetmer Einwohner Hornaff als dem Inhaber eines herr¬
schaftlichen Lehrs, die anderen beiden Abgaben lagen zwei Hofstätten der Horn-
affer zu leisten ob. Es gab also damals in Crailsheim einen zinspflichtigen
(Cuntz?) "Hornaff" und zwei zinspflichtige Hofstätten, die der Familie der
"Hornaffer" zustanden. Der Name "Horneffer" (nur eine andere Form als
Hornaffer) kommt für einen Studiosus aus Schmalkalden 1449 in der Erfurter
Universitätsmatrikel vor. Er bedeutet Hornaffenmann oder Hornaffenbäcker.
Nichts anderes wird wohl auch der Name "Hornaff" bedeuten.

Genau so verhält es sich mit dem schlesischen Mohn- oder Mohhorn. Neben
dem seit alters zu Martini gebackenen Mohhorn existierte in Schlesien der
Familienname Mohhorn. In den 1770 er Jahren besaß nach Auskunft des
jetzigen Besitzers der "Mohornmühle" ein "Johann Mohorn" diese Mühle, an¬
geblich als erster Müller. Gleich dem genannten einstigen Besitzer hat auch der
jetzige dem Worte Mohhorn sein doppeltes h entzogen; denn der letztere nennt
sich Besitzer von "Hotel und Pension Mohornmühle in Klein-Auva (österr.
Riesengebirge)" auf seinen Briefbogen und Rechnungen. Die Mohornmühle
kann allerdings ihren Namen führen von einem ihrer Besitzer, der Mohorn oder
richtiger Mohhorn hieß, aber wahrscheinlich rührt dessen Familienname vom
Gebäck Mohhorn her.

Das mittelalterige Zunftwesen brachte es nämlich mit sich, daß der einzelne
Bäcker nicht Backware jeder Art backen durfte, sondern auf ein besonderes Gebäck
beschränkt blieb. Sechzehn Sorten Bäcker zählt Vilmar in seinem Namenbüchlein
auf, die von demjenigen Gebäck, das sie zu backen berechtigt waren, ihren




Lin Streifzug
in die Volksetymologie und Volksmythologie
Adolf Stölzel von
8.

Im Hohenlohe-Neuensteinschen Linienarchive zu Neuenstein beginnt ein Gülte¬
buch des Jahres 1357 mit den Eintragen: „Item Lord? duldet unä Iwrnakk
5 sein». Keller our ein vast nun von eim leur" und „Item nornaffer
notstat I 8LniII. Keller ein v^8N nun ouum ein vierten nähern our ein
anäern nos3tat". Beide Stellen gehören der Aufzählung derjenigen Abgaben
an, die aus Crailsheim der Neuensteiner Hohenlohe-Linie gebührten. Die eine
Abgabe lag dem Crailshetmer Einwohner Hornaff als dem Inhaber eines herr¬
schaftlichen Lehrs, die anderen beiden Abgaben lagen zwei Hofstätten der Horn-
affer zu leisten ob. Es gab also damals in Crailsheim einen zinspflichtigen
(Cuntz?) „Hornaff" und zwei zinspflichtige Hofstätten, die der Familie der
„Hornaffer" zustanden. Der Name „Horneffer" (nur eine andere Form als
Hornaffer) kommt für einen Studiosus aus Schmalkalden 1449 in der Erfurter
Universitätsmatrikel vor. Er bedeutet Hornaffenmann oder Hornaffenbäcker.
Nichts anderes wird wohl auch der Name „Hornaff" bedeuten.

Genau so verhält es sich mit dem schlesischen Mohn- oder Mohhorn. Neben
dem seit alters zu Martini gebackenen Mohhorn existierte in Schlesien der
Familienname Mohhorn. In den 1770 er Jahren besaß nach Auskunft des
jetzigen Besitzers der „Mohornmühle" ein „Johann Mohorn" diese Mühle, an¬
geblich als erster Müller. Gleich dem genannten einstigen Besitzer hat auch der
jetzige dem Worte Mohhorn sein doppeltes h entzogen; denn der letztere nennt
sich Besitzer von „Hotel und Pension Mohornmühle in Klein-Auva (österr.
Riesengebirge)" auf seinen Briefbogen und Rechnungen. Die Mohornmühle
kann allerdings ihren Namen führen von einem ihrer Besitzer, der Mohorn oder
richtiger Mohhorn hieß, aber wahrscheinlich rührt dessen Familienname vom
Gebäck Mohhorn her.

Das mittelalterige Zunftwesen brachte es nämlich mit sich, daß der einzelne
Bäcker nicht Backware jeder Art backen durfte, sondern auf ein besonderes Gebäck
beschränkt blieb. Sechzehn Sorten Bäcker zählt Vilmar in seinem Namenbüchlein
auf, die von demjenigen Gebäck, das sie zu backen berechtigt waren, ihren


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[0402] [Abbildung] Lin Streifzug in die Volksetymologie und Volksmythologie Adolf Stölzel von 8. Im Hohenlohe-Neuensteinschen Linienarchive zu Neuenstein beginnt ein Gülte¬ buch des Jahres 1357 mit den Eintragen: „Item Lord? duldet unä Iwrnakk 5 sein». Keller our ein vast nun von eim leur" und „Item nornaffer notstat I 8LniII. Keller ein v^8N nun ouum ein vierten nähern our ein anäern nos3tat". Beide Stellen gehören der Aufzählung derjenigen Abgaben an, die aus Crailsheim der Neuensteiner Hohenlohe-Linie gebührten. Die eine Abgabe lag dem Crailshetmer Einwohner Hornaff als dem Inhaber eines herr¬ schaftlichen Lehrs, die anderen beiden Abgaben lagen zwei Hofstätten der Horn- affer zu leisten ob. Es gab also damals in Crailsheim einen zinspflichtigen (Cuntz?) „Hornaff" und zwei zinspflichtige Hofstätten, die der Familie der „Hornaffer" zustanden. Der Name „Horneffer" (nur eine andere Form als Hornaffer) kommt für einen Studiosus aus Schmalkalden 1449 in der Erfurter Universitätsmatrikel vor. Er bedeutet Hornaffenmann oder Hornaffenbäcker. Nichts anderes wird wohl auch der Name „Hornaff" bedeuten. Genau so verhält es sich mit dem schlesischen Mohn- oder Mohhorn. Neben dem seit alters zu Martini gebackenen Mohhorn existierte in Schlesien der Familienname Mohhorn. In den 1770 er Jahren besaß nach Auskunft des jetzigen Besitzers der „Mohornmühle" ein „Johann Mohorn" diese Mühle, an¬ geblich als erster Müller. Gleich dem genannten einstigen Besitzer hat auch der jetzige dem Worte Mohhorn sein doppeltes h entzogen; denn der letztere nennt sich Besitzer von „Hotel und Pension Mohornmühle in Klein-Auva (österr. Riesengebirge)" auf seinen Briefbogen und Rechnungen. Die Mohornmühle kann allerdings ihren Namen führen von einem ihrer Besitzer, der Mohorn oder richtiger Mohhorn hieß, aber wahrscheinlich rührt dessen Familienname vom Gebäck Mohhorn her. Das mittelalterige Zunftwesen brachte es nämlich mit sich, daß der einzelne Bäcker nicht Backware jeder Art backen durfte, sondern auf ein besonderes Gebäck beschränkt blieb. Sechzehn Sorten Bäcker zählt Vilmar in seinem Namenbüchlein auf, die von demjenigen Gebäck, das sie zu backen berechtigt waren, ihren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/402>, abgerufen am 29.12.2024.