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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Iwan Logginowitsch Goremykin
v George Lleinow on

er deutsche Politiker, der auch nur eine ganz oberflächliche Kenntnis
von den großen, Rußland bewegenden Problemen hat, wird sich
am leichtesten ein Bild von den politischen Abmessungen Iwan
Logginowitsch Goremykins, des neuen Ministerpräsidenten im
Zarenreich, machen können, wenn er sich vergegenwärtigt, daß
dieser bereits vor nahezu fünfzig Jahren zu der Schar jener ausgewählten
Beamten gehörte, die Alexander, der Zar-Befreier, mit der Einführung der
großen Bauernreformen betraut hatte, daß er bei allen späteren Reform¬
versuchen auf diesem Gebiete, besonders aber seit 1890, stets in erster Reihe
gestanden und schließlich, daß die Agrarfrage heute ebenso wie vor einem
halben Jahrhundert als das Zentralproblem des gesamten russischen Lebens
dasteht und daß um die Agrarfrage alle anderen kulturellen, wirtschaftlichen und
politischen Probleme erst gruppiert werden. Das gesamte Bild erhält einen
besonderen Hintergrund, wenn man weiß, daß Goremykin 1864 nach dem
Zusammenbruch des Wjelopolskischen Versöhnungskurses in Polen zu den Mit¬
arbeitern Miljutins im Zartum Polen gehörte und dort auch als Vizegouverneur
blieb, nachdem der nationalistische Heißsporn Tscherkasski sich mit seinen Ideen
durchgesetzt hatte, die Agrarreform in Polen mit scharfer Spitze gegen den pol¬
nischen Großgrundbesitz in die Praxis einzuführen. Goremykin war damals noch
nicht dreißig Jahre alt.

Sein äußerer Lebensgang ist schnell erzählt:

Einem Geschlecht entstammend, dessen Name zum ersten Male im Jahre 1652
auftaucht, wurde Iwan Logginowitsch als Sohn eines Gutsbesitzers im Gouverne-
mement Nowgorod im Jahre 1839 geboren. Anfänglich im Hause erzogen,
absolvierte er bis 1860 die kaiserliche Rechtsschule zu Se. Petersburg und trat,
nach einem hervorragend bestandenen Examen besonders ausgezeichnet, schon
mit dem Range eines Titularrath beim ersten Departement des Senats in den
Staatsdienst. Das Jahr 1864 führte ihn -- wiederum eine Auszeichnung --


Grenzboten I 1914 22


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Iwan Logginowitsch Goremykin
v George Lleinow on

er deutsche Politiker, der auch nur eine ganz oberflächliche Kenntnis
von den großen, Rußland bewegenden Problemen hat, wird sich
am leichtesten ein Bild von den politischen Abmessungen Iwan
Logginowitsch Goremykins, des neuen Ministerpräsidenten im
Zarenreich, machen können, wenn er sich vergegenwärtigt, daß
dieser bereits vor nahezu fünfzig Jahren zu der Schar jener ausgewählten
Beamten gehörte, die Alexander, der Zar-Befreier, mit der Einführung der
großen Bauernreformen betraut hatte, daß er bei allen späteren Reform¬
versuchen auf diesem Gebiete, besonders aber seit 1890, stets in erster Reihe
gestanden und schließlich, daß die Agrarfrage heute ebenso wie vor einem
halben Jahrhundert als das Zentralproblem des gesamten russischen Lebens
dasteht und daß um die Agrarfrage alle anderen kulturellen, wirtschaftlichen und
politischen Probleme erst gruppiert werden. Das gesamte Bild erhält einen
besonderen Hintergrund, wenn man weiß, daß Goremykin 1864 nach dem
Zusammenbruch des Wjelopolskischen Versöhnungskurses in Polen zu den Mit¬
arbeitern Miljutins im Zartum Polen gehörte und dort auch als Vizegouverneur
blieb, nachdem der nationalistische Heißsporn Tscherkasski sich mit seinen Ideen
durchgesetzt hatte, die Agrarreform in Polen mit scharfer Spitze gegen den pol¬
nischen Großgrundbesitz in die Praxis einzuführen. Goremykin war damals noch
nicht dreißig Jahre alt.

Sein äußerer Lebensgang ist schnell erzählt:

Einem Geschlecht entstammend, dessen Name zum ersten Male im Jahre 1652
auftaucht, wurde Iwan Logginowitsch als Sohn eines Gutsbesitzers im Gouverne-
mement Nowgorod im Jahre 1839 geboren. Anfänglich im Hause erzogen,
absolvierte er bis 1860 die kaiserliche Rechtsschule zu Se. Petersburg und trat,
nach einem hervorragend bestandenen Examen besonders ausgezeichnet, schon
mit dem Range eines Titularrath beim ersten Departement des Senats in den
Staatsdienst. Das Jahr 1864 führte ihn — wiederum eine Auszeichnung —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/349>, abgerufen am 29.12.2024.