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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr.

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Die Rechtsfrage von Zabern
Privatdozent Dr. Karl Aormann von

er Tatbestand von Zabern ist auch jetzt nach den beiden kriegs¬
gerichtlichen Verhandlungen gegen Leutnant von Forstner und
gegen den Obersten von Reuter für den, der diese Verhand¬
lungen nur aus den Presseberichten hat kennen lernen, noch nicht
hinreichend geklärt, um bereits in allen Einzelheiten rechtlich ge¬
würdigt werden zu können. Immerhin darf das eine bereits als gewiß
gelten, daß die Darstellung, die der Tatbestand in dem Leitartikel der Deutschen
Juristenzeitung vom 16. Dezember durch einen unserer angesehensten Staats¬
rechtslehrer gefunden hat, in ihrer eigentümlichen Beimengung von objektiven
Tatsachenangaben und subjektiven Werturteilen offenbar mehr pikant als richtig
gewesen ist. Wer etwa den daselbst geschilderten Schuster Blank, "einen, wie
es scheint unbeteiligten, harmlosen alten Mann," mit dem Schuster Blank der
kriegsgerichtlichen Verhandlung vom 19. Dezember vergleicht, der weder
unbeteiligt, noch harmlos, noch alt gewesen ist, der wird zunächst kaum glauben,
daß es sich hier wirklich um dieselbe Person handelt. Aber selbst wenn man
annimmt, daß jener Artikel von Anschütz wenigstens in der allgemeinen
Schilderung des Verhaltens der Zaberner Bevölkerung recht hätte: "Menschen¬
ansammlungen auf der Straße, Schimpfreden gegen vorübergehende Offiziere
und Soldaten, einmal soll auch ein Offizier laeues beleidigt und besudelt worden
sein; im übrigen nichts Ärgeres und nicht mehr." so wird man doch die
Frage nicht unterdrücken können, ob diese Dinge nicht wenigstens so "arg"
gewesen, daß das Militär sie sich nicht gefallen lassen konnte.

Und daran wollen wir die Rechtsfrage anknüpfen, die wir nicht, wie es
bisher zumeist geschah, negativ dahin formulieren, was das Militär nicht hätte
tun dürfen, fondern positiv dahin, was es denn eigentlich hätte tun sollen und


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Wal'en in iVleeKIb
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Die Rechtsfrage von Zabern
Privatdozent Dr. Karl Aormann von

er Tatbestand von Zabern ist auch jetzt nach den beiden kriegs¬
gerichtlichen Verhandlungen gegen Leutnant von Forstner und
gegen den Obersten von Reuter für den, der diese Verhand¬
lungen nur aus den Presseberichten hat kennen lernen, noch nicht
hinreichend geklärt, um bereits in allen Einzelheiten rechtlich ge¬
würdigt werden zu können. Immerhin darf das eine bereits als gewiß
gelten, daß die Darstellung, die der Tatbestand in dem Leitartikel der Deutschen
Juristenzeitung vom 16. Dezember durch einen unserer angesehensten Staats¬
rechtslehrer gefunden hat, in ihrer eigentümlichen Beimengung von objektiven
Tatsachenangaben und subjektiven Werturteilen offenbar mehr pikant als richtig
gewesen ist. Wer etwa den daselbst geschilderten Schuster Blank, „einen, wie
es scheint unbeteiligten, harmlosen alten Mann," mit dem Schuster Blank der
kriegsgerichtlichen Verhandlung vom 19. Dezember vergleicht, der weder
unbeteiligt, noch harmlos, noch alt gewesen ist, der wird zunächst kaum glauben,
daß es sich hier wirklich um dieselbe Person handelt. Aber selbst wenn man
annimmt, daß jener Artikel von Anschütz wenigstens in der allgemeinen
Schilderung des Verhaltens der Zaberner Bevölkerung recht hätte: „Menschen¬
ansammlungen auf der Straße, Schimpfreden gegen vorübergehende Offiziere
und Soldaten, einmal soll auch ein Offizier laeues beleidigt und besudelt worden
sein; im übrigen nichts Ärgeres und nicht mehr." so wird man doch die
Frage nicht unterdrücken können, ob diese Dinge nicht wenigstens so „arg"
gewesen, daß das Militär sie sich nicht gefallen lassen konnte.

Und daran wollen wir die Rechtsfrage anknüpfen, die wir nicht, wie es
bisher zumeist geschah, negativ dahin formulieren, was das Militär nicht hätte
tun dürfen, fondern positiv dahin, was es denn eigentlich hätte tun sollen und


Grenzboten I 1S14 7
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_327465/109>, abgerufen am 29.12.2024.