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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

Deckung ebenfalls für jenen Grundsatz zu erklären. So ist es denn gekommen, daß der
österreichische Kommissär mit seiner Jnkompetenzerklärung allein stehengeblieben ist.

Wie die Protokolle ergeben, ist nun die fernere Wirksamkeit der Kommission
auf dreifache Weise gehemmt, und zwar:

erstens dadurch, daß von dem österreichischen und türkischen Kommissär,
dem klaren Wortlaut der Generalinstruktion zuwider, die Kompetenz der Kom¬
mission zur Annahme aller und jeder Papiere zur Information über die hiesigen
Zustände in Abrede gestellt ist. In der letzten Sitzung, worüber das Protokoll
erst nächsten Mittwoch zur definitiven Annahme kommt, hat Graf von Liebmann
sogar erklärt, diese sogleich verlassen zu wollen, wenn Petitionen und Re¬
klamationen auch nur als vorläufiges Depot ohne Lesung in der Kommission
angenommen werden würden, während der türkische Kommissär, wenn auch nicht
zu Protokoll, so doch gesprächsweise andeutete, die Genehmigung seiner Re¬
gierung in Aussicht stellen zu können;

zweitens dadurch, daß man österreichischerseits der Kommission die
Kompetenz abspricht, nicht Einflüsse neben sich zu dulden, welche dem Zweck, um
dessentwillen die Kommission instituiert ist, zuwider sind, und ihn aufheben;

drittens dadurch, daß der Kaimakam in der Moldau, wie der Schluß des
Protokolls Ur. 6 dartut, jedenfalls infolge jener aä 2 alleruntertänigst gedachten
Einflüsse, ohne sich selbst an die ostensiblen Orders der Pforte zu kehren und
mit gänzlicher Nichtachtung der Ansichten der Kommission in seinen Willkür¬
maßregeln fortfährt. Über diese Widersetzlichkeit wird das Protokoll Ur. 8,
welches am 1. k. Mes. zur Vollziehung kommt, sogar ein eigenes, indirektes
Anerkenntnis seitens des türkischen Kommissars enthalten, während der öster¬
reichische fortwährend dabei stehen bleibt, daß der Kaimakam tun und lassen
könne, was er wolle.

Der französische Kommissär hat geglaubt, daß sich vielleicht eine größere
Geneigtheit zur Nachgiebigkeit ergeben würde, wenn dem englischen und türkischen
Kommissär der größte Teil der eingangs alleruntertänigst gedachten Schriftstücke
gezeigt würde; Baron Talleyrand konnte voraussetzen, daß auch Herr von Lieb¬
mann dann davon Kenntnis erhalten würde. Aber das öffentliche Geheimnis
hierüber hat durchaus keine Änderung hervorgebracht. Nur soll, wie mir Herr
von Talleyrand sagt, Mr. Bulwer zwischen den Zähnen etwas von "mauvai8e
politiqus" gemurmelt haben. Auf die Bojaren aber, die die Schriftstücke größten¬
teils auch kennen, haben sie höchst niederdrückend gewirkt. Mit Recht beklagen
sich dieselben, daß die Stoffe der Demoralisation, die sich bei ihnen finden, und
aus denen sie sich herauszuarbeiten suchen, durch die Mittel, die Österreich und
die Türkei und gewissermaßen auch England hier in Bewegung setzten, um sie
noch tieser in den Schlund der Demoralisation zu bringen, ihren vollen Abscheu
erregen, und daß sie, weit entfernt, durch die Dispositionen des Pariser Friedens
gewonnen zu haben, nur zu einen: Objekte der Rivalitäten und der Korruption
herabgewürdigt worden sind.


An der Wiege des Königreichs Rumänien

Deckung ebenfalls für jenen Grundsatz zu erklären. So ist es denn gekommen, daß der
österreichische Kommissär mit seiner Jnkompetenzerklärung allein stehengeblieben ist.

Wie die Protokolle ergeben, ist nun die fernere Wirksamkeit der Kommission
auf dreifache Weise gehemmt, und zwar:

erstens dadurch, daß von dem österreichischen und türkischen Kommissär,
dem klaren Wortlaut der Generalinstruktion zuwider, die Kompetenz der Kom¬
mission zur Annahme aller und jeder Papiere zur Information über die hiesigen
Zustände in Abrede gestellt ist. In der letzten Sitzung, worüber das Protokoll
erst nächsten Mittwoch zur definitiven Annahme kommt, hat Graf von Liebmann
sogar erklärt, diese sogleich verlassen zu wollen, wenn Petitionen und Re¬
klamationen auch nur als vorläufiges Depot ohne Lesung in der Kommission
angenommen werden würden, während der türkische Kommissär, wenn auch nicht
zu Protokoll, so doch gesprächsweise andeutete, die Genehmigung seiner Re¬
gierung in Aussicht stellen zu können;

zweitens dadurch, daß man österreichischerseits der Kommission die
Kompetenz abspricht, nicht Einflüsse neben sich zu dulden, welche dem Zweck, um
dessentwillen die Kommission instituiert ist, zuwider sind, und ihn aufheben;

drittens dadurch, daß der Kaimakam in der Moldau, wie der Schluß des
Protokolls Ur. 6 dartut, jedenfalls infolge jener aä 2 alleruntertänigst gedachten
Einflüsse, ohne sich selbst an die ostensiblen Orders der Pforte zu kehren und
mit gänzlicher Nichtachtung der Ansichten der Kommission in seinen Willkür¬
maßregeln fortfährt. Über diese Widersetzlichkeit wird das Protokoll Ur. 8,
welches am 1. k. Mes. zur Vollziehung kommt, sogar ein eigenes, indirektes
Anerkenntnis seitens des türkischen Kommissars enthalten, während der öster¬
reichische fortwährend dabei stehen bleibt, daß der Kaimakam tun und lassen
könne, was er wolle.

Der französische Kommissär hat geglaubt, daß sich vielleicht eine größere
Geneigtheit zur Nachgiebigkeit ergeben würde, wenn dem englischen und türkischen
Kommissär der größte Teil der eingangs alleruntertänigst gedachten Schriftstücke
gezeigt würde; Baron Talleyrand konnte voraussetzen, daß auch Herr von Lieb¬
mann dann davon Kenntnis erhalten würde. Aber das öffentliche Geheimnis
hierüber hat durchaus keine Änderung hervorgebracht. Nur soll, wie mir Herr
von Talleyrand sagt, Mr. Bulwer zwischen den Zähnen etwas von „mauvai8e
politiqus" gemurmelt haben. Auf die Bojaren aber, die die Schriftstücke größten¬
teils auch kennen, haben sie höchst niederdrückend gewirkt. Mit Recht beklagen
sich dieselben, daß die Stoffe der Demoralisation, die sich bei ihnen finden, und
aus denen sie sich herauszuarbeiten suchen, durch die Mittel, die Österreich und
die Türkei und gewissermaßen auch England hier in Bewegung setzten, um sie
noch tieser in den Schlund der Demoralisation zu bringen, ihren vollen Abscheu
erregen, und daß sie, weit entfernt, durch die Dispositionen des Pariser Friedens
gewonnen zu haben, nur zu einen: Objekte der Rivalitäten und der Korruption
herabgewürdigt worden sind.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/86>, abgerufen am 23.07.2024.