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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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An der Wiege des Königreichs Rumänien

Konstantinopel, dann mit seinem Bruder, dem Sekretär des ersteren, Vogorides,
zur Kenntnis zunächst des französischen Kommissars, und durch diesen alsdann
auch zu meiner und meines sardinischen und russischen Kollegen Kenntnis gelangt
ist. Außer diesen Schriftstücken sind auch noch Originalbriefe des österreichischen
Jnternuntius, Baron Prokesch und des österreichischen Generalkonsuls Göbel in
der Moldau an den dortigen Kaimakam in unsere Hände gekommen, und endlich
einige andere Dokumente, welche über die Mittel, welche man zur Erreichung
der Absichten der Türkei, Österreichs und Englands in den Fürstentümern in
Bewegung setzt, hinreichenden Aufschluß gewähren. Unter diesen befindet sich
unter anderen eine Quittung über 200 Dukaten, welche Vogorides an den
Redakteur des Journals de Constantinople für die Aufnahme eines von ihm
verfaßten Artikels gegen den würdigen Metropoliten bezahlt hat, in welchem
diesem die schandbarsten Dinge angedichtet werden. In diesen Schriftstücken
spiegelt sich die ganze Politik der Pforte, Österreichs und Englands ab, die sich
in den Verhandlungen der Kommission reproduziert; ich darf daher dieselben
dem gegenwärtigen alleruntertänigsten Berichte zugrunde legen. In dieser
Hinsicht muß ich jedoch in tiefster Ehrfurcht voranschicken, daß die Briefe, welche
der Kapu Kiaya Fotiades in Konstantinopel an den Vogorides in Jassy gerichtet
hat, durch die eigentümliche Stellung des Kapu Kiaya. welche nicht mit der
eines gewöhnlichen LKarZL et'sKail-es zu verwechseln ist, ein stärkeres Gewicht
erhalten. Der Kapu Kiaya hat keine einseitige Stellung zu den Gospodaren,
sondern er wird von der Pforte angestellt, und ist der Kanal, durch welchen die
letztere ihren Willen an den Gospodar verkündet.

Nach allen diesen Briefen steht nun zunächst soviel fest, daß die Ernennung
des Vogorides zum Kaimakam in der Moldau, mit Rücksicht auf seine Familien¬
verhältnisse, die ihn gänzlich an die Pforte binden, und zum blinden Werkzeuge
derselben machen, erfolgt ist. und sodann, daß die Pforte. Österreich und Eng¬
land ihm ihre feste Absicht verkündet haben, aus der beabsichtigten Reorganisation
der Fürstentümer nichts werden zu lassen, und den Ltatu8 quo in denselben
nicht bloß zu erhalten, sondern sie, wo möglich, auch noch fester an die Pforte
zu binden.

Man hat dem Vogorides danach ferner gesagt: diese unabänderliche Absicht
der gedachten Mächte, die er sich bei allen seinen Handlungen vergegenwärtigen
soll, läßt sich am leichtesten und ohne Kollision mit Frankreich erreichen, wenn
die Wahlen in der Moldau so ausfallen, daß sie eine Stimmenmehrheit gegen
die Union und ihre Konsequenzen ergeben, und alle gesetzlichen und ungesetzlic! en
Mittel, jedoch wie Baron Prokesch in seinen Ratschlägen empfiehlt, mit mög¬
lichster Geräuschlosigkeit und Mäßigung in den Formen, bei aller Energie in der
Sache selbst, seien daher anzuwenden, um diesen Zweck zu erreichen. Da man
in der Wallachei kein ebenso sicheres Werkzeug zur Ausführung dieses Planes
besitzt, so sollen die Wahlen in der Moldau dergestalt beschleunigt werden, daß
der Diwan in der Moldau bereits konstituiert ist und sich möglichst schon gegen


An der Wiege des Königreichs Rumänien

Konstantinopel, dann mit seinem Bruder, dem Sekretär des ersteren, Vogorides,
zur Kenntnis zunächst des französischen Kommissars, und durch diesen alsdann
auch zu meiner und meines sardinischen und russischen Kollegen Kenntnis gelangt
ist. Außer diesen Schriftstücken sind auch noch Originalbriefe des österreichischen
Jnternuntius, Baron Prokesch und des österreichischen Generalkonsuls Göbel in
der Moldau an den dortigen Kaimakam in unsere Hände gekommen, und endlich
einige andere Dokumente, welche über die Mittel, welche man zur Erreichung
der Absichten der Türkei, Österreichs und Englands in den Fürstentümern in
Bewegung setzt, hinreichenden Aufschluß gewähren. Unter diesen befindet sich
unter anderen eine Quittung über 200 Dukaten, welche Vogorides an den
Redakteur des Journals de Constantinople für die Aufnahme eines von ihm
verfaßten Artikels gegen den würdigen Metropoliten bezahlt hat, in welchem
diesem die schandbarsten Dinge angedichtet werden. In diesen Schriftstücken
spiegelt sich die ganze Politik der Pforte, Österreichs und Englands ab, die sich
in den Verhandlungen der Kommission reproduziert; ich darf daher dieselben
dem gegenwärtigen alleruntertänigsten Berichte zugrunde legen. In dieser
Hinsicht muß ich jedoch in tiefster Ehrfurcht voranschicken, daß die Briefe, welche
der Kapu Kiaya Fotiades in Konstantinopel an den Vogorides in Jassy gerichtet
hat, durch die eigentümliche Stellung des Kapu Kiaya. welche nicht mit der
eines gewöhnlichen LKarZL et'sKail-es zu verwechseln ist, ein stärkeres Gewicht
erhalten. Der Kapu Kiaya hat keine einseitige Stellung zu den Gospodaren,
sondern er wird von der Pforte angestellt, und ist der Kanal, durch welchen die
letztere ihren Willen an den Gospodar verkündet.

Nach allen diesen Briefen steht nun zunächst soviel fest, daß die Ernennung
des Vogorides zum Kaimakam in der Moldau, mit Rücksicht auf seine Familien¬
verhältnisse, die ihn gänzlich an die Pforte binden, und zum blinden Werkzeuge
derselben machen, erfolgt ist. und sodann, daß die Pforte. Österreich und Eng¬
land ihm ihre feste Absicht verkündet haben, aus der beabsichtigten Reorganisation
der Fürstentümer nichts werden zu lassen, und den Ltatu8 quo in denselben
nicht bloß zu erhalten, sondern sie, wo möglich, auch noch fester an die Pforte
zu binden.

Man hat dem Vogorides danach ferner gesagt: diese unabänderliche Absicht
der gedachten Mächte, die er sich bei allen seinen Handlungen vergegenwärtigen
soll, läßt sich am leichtesten und ohne Kollision mit Frankreich erreichen, wenn
die Wahlen in der Moldau so ausfallen, daß sie eine Stimmenmehrheit gegen
die Union und ihre Konsequenzen ergeben, und alle gesetzlichen und ungesetzlic! en
Mittel, jedoch wie Baron Prokesch in seinen Ratschlägen empfiehlt, mit mög¬
lichster Geräuschlosigkeit und Mäßigung in den Formen, bei aller Energie in der
Sache selbst, seien daher anzuwenden, um diesen Zweck zu erreichen. Da man
in der Wallachei kein ebenso sicheres Werkzeug zur Ausführung dieses Planes
besitzt, so sollen die Wahlen in der Moldau dergestalt beschleunigt werden, daß
der Diwan in der Moldau bereits konstituiert ist und sich möglichst schon gegen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/83>, abgerufen am 23.07.2024.