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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.

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Internationale Wasserstraßenprojekte

"Bezüglich des Nord-Ost-Kanals wird bestimmt, daß der östliche Zweig
(Lamell c!s LIiierL) nicht vor dem westlichen (Larmux cZe 1'lZscau Ä la IVieuse)
in Betrieb genommen wird."

Diese Bestimmung sichert Frankreich die erwarteten Vorteile. Der Anschluß
des luxemburgischen Hüttenbezirks an diesen Kanal steht gleichfalls außer Frage,
und Luxemburg verliert somit sein Interesse an der Kanalverbindung nach der
Mosel und an der Moselkanalisierung selbst, falls die letztere nicht vor der
Vollendung des französischen Nord-Ost-Kanals fertig sein sollte. Der Bau des
französischen Nord-Ost-Kanals wird den luxumburgischen Werken den billigen
Bezug französischer Kohle auf dem Wasserwege ermöglichen und anderseits die
billige Abfuhr von Fertigerzeugnissen der Eisenindustrie nach den französischen
Fluß- und Seehäfen. Damit schließt Luxemburg seine Industrie an die west¬
lichen Wasserwege an. Auf diese Gefahr hat der luxemburgische Staatsminister
Epheben bereits am 5. Oktober 1911 bei dem Empfange einer vorwiegend aus
deutschen Reichstagsabgeordneten bestehenden Versammlung nachdrücklich hin¬
gewiesen. Der Minister wies darauf hin, daß durch die Kanalisierung der
Mosel und der Saar die lothringisch-luxemburgischen und die Saarwerke ihren
Absatz auf dem Seewege nach dem Auslande suchten, und fuhr dann fort:

"Bei längerer Verzögerung der in Rede stehenden Kanalprojekte sei zu
befürchten, daß Frankreich und Belgien früher einen besseren Anschluß für Luxem¬
burg bieten würden, und daß dann Deutschland den Anschluß verpaßt hätte.
Das ganze Wirtschaftsleben Luxemburgs würde dann nach Frankreich und
Belgien seinen Schwerpunkt verlegen. Habe man sich in Luxemburg ernstlich
bisher um die Mosella (die Mosel) bemüht, so müsse man sich in Zukunft not¬
gedrungen um ihre ältere Schwester, die Mosa (die Maas), bemühen. In
Frankreich plane man heute wieder ernstlich die Inangriffnahme des Nord-Ost-
Kanals, der eine beinahe gradlinige Verbindung von Luxemburg nach Dünkirchen
schaffen würde. Bei Belgien gravitiere schon jetzt ein erheblicher Teil des
Ausfuhrverkehrs nach Antwerpen . . ."

Es wird wesentlich von Preußen abhängen, ob Luxemburg sich dem französisch¬
belgischen oder dem deutschen Wasserstraßennetze anschließen wird. Jedenfalls
hat die preußische Regierung vom wirtschaftlichen und nationalen Gesichtspunkte
aus alle Veranlassung, das Augenmerk auf die sich vorbereitende Entwicklung
hinzulenken. Der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten zeigte sich schlecht
unterrichtet, als er in der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses vom
8. März v. I. anläßlich eines Hinweises des Abgeordneten Freiherrn von Maltzahn
auf die Möglichkeit des Anschlusses des Luxemburgischen Hüttenbezirkes an das
französische und belgische Wasserstraßennetz erwiderte, daß Luxemburg an der
Aufsuchung anderer Verkehrswege "völlig desinteresstert" sei. Tatsächlich hat
die luxemburgische Negierung wie auch die dortige Montanindustrie die
gekennzeichnete Entwicklung stets im Auge behalten. Lavete Lor8nicht




Internationale Wasserstraßenprojekte

„Bezüglich des Nord-Ost-Kanals wird bestimmt, daß der östliche Zweig
(Lamell c!s LIiierL) nicht vor dem westlichen (Larmux cZe 1'lZscau Ä la IVieuse)
in Betrieb genommen wird."

Diese Bestimmung sichert Frankreich die erwarteten Vorteile. Der Anschluß
des luxemburgischen Hüttenbezirks an diesen Kanal steht gleichfalls außer Frage,
und Luxemburg verliert somit sein Interesse an der Kanalverbindung nach der
Mosel und an der Moselkanalisierung selbst, falls die letztere nicht vor der
Vollendung des französischen Nord-Ost-Kanals fertig sein sollte. Der Bau des
französischen Nord-Ost-Kanals wird den luxumburgischen Werken den billigen
Bezug französischer Kohle auf dem Wasserwege ermöglichen und anderseits die
billige Abfuhr von Fertigerzeugnissen der Eisenindustrie nach den französischen
Fluß- und Seehäfen. Damit schließt Luxemburg seine Industrie an die west¬
lichen Wasserwege an. Auf diese Gefahr hat der luxemburgische Staatsminister
Epheben bereits am 5. Oktober 1911 bei dem Empfange einer vorwiegend aus
deutschen Reichstagsabgeordneten bestehenden Versammlung nachdrücklich hin¬
gewiesen. Der Minister wies darauf hin, daß durch die Kanalisierung der
Mosel und der Saar die lothringisch-luxemburgischen und die Saarwerke ihren
Absatz auf dem Seewege nach dem Auslande suchten, und fuhr dann fort:

„Bei längerer Verzögerung der in Rede stehenden Kanalprojekte sei zu
befürchten, daß Frankreich und Belgien früher einen besseren Anschluß für Luxem¬
burg bieten würden, und daß dann Deutschland den Anschluß verpaßt hätte.
Das ganze Wirtschaftsleben Luxemburgs würde dann nach Frankreich und
Belgien seinen Schwerpunkt verlegen. Habe man sich in Luxemburg ernstlich
bisher um die Mosella (die Mosel) bemüht, so müsse man sich in Zukunft not¬
gedrungen um ihre ältere Schwester, die Mosa (die Maas), bemühen. In
Frankreich plane man heute wieder ernstlich die Inangriffnahme des Nord-Ost-
Kanals, der eine beinahe gradlinige Verbindung von Luxemburg nach Dünkirchen
schaffen würde. Bei Belgien gravitiere schon jetzt ein erheblicher Teil des
Ausfuhrverkehrs nach Antwerpen . . ."

Es wird wesentlich von Preußen abhängen, ob Luxemburg sich dem französisch¬
belgischen oder dem deutschen Wasserstraßennetze anschließen wird. Jedenfalls
hat die preußische Regierung vom wirtschaftlichen und nationalen Gesichtspunkte
aus alle Veranlassung, das Augenmerk auf die sich vorbereitende Entwicklung
hinzulenken. Der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten zeigte sich schlecht
unterrichtet, als er in der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses vom
8. März v. I. anläßlich eines Hinweises des Abgeordneten Freiherrn von Maltzahn
auf die Möglichkeit des Anschlusses des Luxemburgischen Hüttenbezirkes an das
französische und belgische Wasserstraßennetz erwiderte, daß Luxemburg an der
Aufsuchung anderer Verkehrswege „völlig desinteresstert" sei. Tatsächlich hat
die luxemburgische Negierung wie auch die dortige Montanindustrie die
gekennzeichnete Entwicklung stets im Auge behalten. Lavete Lor8nicht




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326811/614>, abgerufen am 24.08.2024.