Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.Philosophie als Runst analysierende Verstand als eine besondere Produktionsfähigkeit, die auch Was für die Wissenschaft gilt, gilt überhaupt für jede Lebensbetätigung. In diesem Sinne wird kaum jemand etwas gegen die Behauptung einwenden 36*
Philosophie als Runst analysierende Verstand als eine besondere Produktionsfähigkeit, die auch Was für die Wissenschaft gilt, gilt überhaupt für jede Lebensbetätigung. In diesem Sinne wird kaum jemand etwas gegen die Behauptung einwenden 36*
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Philosophie als Runst
analysierende Verstand als eine besondere Produktionsfähigkeit, die auch
den Wissenschaftler, wenn er wirklich am Wissen schafft, zu einer Art von
Künstler macht.
Was für die Wissenschaft gilt, gilt überhaupt für jede Lebensbetätigung.
Der Erfinder, der Kaufmann, der Feldherr, sie alle bedürfen, um etwas ganz
Großes zu leisten, einer bestimmten produktiven Begabung, die ihrem Ursprung
nach vom Wissen unabhängig ist, wenn sie sich auch nur am Wissen entfalten
kann. Ja, jeder Mensch, der ein selbständiges Innenleben führt, der irgendwie
imstande ist, sich Lebensanschauungen selbst zu bilden, wird in der Entwicklung
und dem Fortschreiten seiner inneren Lebensgestaltung das intuitive Moment,
das aus den Einzelheiten der Erfahrung neue Gesamtanschauungen schafft, an
sich selbst beobachten können. So ist das Schaffen des Künstlers nur ein Einzelfall
aus der Gesamtheit der Lebensbetätigungen; ein Kunstwerk entsteht nach
Regeln, in denen man die Regeln aller produktiver Lebensvorgänge wieder¬
finden kann.
In diesem Sinne wird kaum jemand etwas gegen die Behauptung einwenden
können, daß die Philosophie mit der Kunst verwandt ist. Immerhin muß ihre
Verwandtschaft besonders in die Augen fallen oder um einige Grade näher sein, als
w den zuletzt genannten Fällen, da, wenn alles mit der Kunst in gleichem
Grade verwandt wäre, man nicht die Verwandtschaft der Philosophie mit ihr
besonders hervorzuheben brauchte. Aber diese nähere Zusammengehörigkeit von
Philosophie und Kunst liegt eben darin, daß die beiden sich nicht nur in der
Produktion, sondern wie wir sahen, auch in den Zielen gleichen. Dies letzte,
höchste Ziel läßt auch die Produktion freier erscheinen. Frei gestalten die Welt
mit den Mitteln der vorhandenen Erkenntnisse, ihren gesamten Inhalt in Symbole
fassen, dem Chaos des Wissensstoffes den Stempel des Persönlichen aufdrücken.
Lebensinhalte ausdrücken: das alles will die Philosophie, die große Philosophie,
und darin ist sie der Kunst ähnlich, der großen Kunst, nicht minder aber der
Religion, die eine dritte Weise ist, das Universum zu meistern.
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